Köln – Die Wahl gewonnen und dann noch Hausarbeit erledigt, mehr kann man von einem Sonntag nicht erwarten. Sie habe am Nachmittag daheim gebügelt und einige Knöpfe angenäht, erzählt Henriette Reker. „Ich wusste nicht, was ich machen sollte.“ Die Nervosität legte sich früh an diesem Abend der Stichwahl ums Oberbürgermeisteramt. Die Amtsinhaberin wird auch in den nächsten fünf Jahren wenig Zeit für Hausarbeit haben.
Henriette Reker (63) konnte sich am Ende über einen sehr deutlichen Sieg freuen. 59,29 Prozent der Stimmen bekam sie und lag damit deutlich vor ihrem Herausforderer Andreas Kossiski (SPD) der auf 40,71 Prozent kam. Um 19.54 Uhr kam die parteilose OB sichtlich gelöst ins Rathaus, hellblaue Jacke mit Blumenmotiven, weiße Hose. Oben applaudierten die Mitarbeiter ihres Büros. Zeit zum Danksagen. An ihr Team, an die Wähler, aber auch an die Unterstützer-Parteien, CDU und Grüne. „Am Samstagabend waren wir noch in Dellbrück und Porz auf der Straße.“ Es habe sich gelohnt, bis zuletzt zu kämpfen. Sie freue sich sehr über das Vertrauen. Und ja, das sei ein deutliches Zeichen der Wähler, dass sie sich eine Fortsetzung von Schwarz-Grün wünschen. Nur dass dort künftig die Grünen den Ton angeben dürften.
Der Kampf um das Oberbürgermeisteramt hatte sich zuletzt überraschend zugespitzt. Die OB hatte im ersten Wahlgang 45,01 Prozent der Stimmen bekommen. Rund 18 Punkte Vorsprung vor Herausforderer Andreas Kossiski, das war ein komfortables Polster. Doch weil die Umfragewerte zuvor einen Sieg im Schnelldurchlauf hatten erhoffen lassen, zeigte das Reker-Lager Nerven. Während die Grünen im Glanz des eigenen Durchmarschs zur stärksten Ratsfraktion geschlossen für Reker warben, beschäftigte sich die CDU zusehends mit sich selbst. Zu groß war der Ärger über die hohen Stimmenverluste und die Aussicht, nur noch als Juniorpartner am Entscheidertisch zu sitzen – wenn überhaupt.
Am Ende herrschte auch bei der Wahlparty von Grünen und CDU im „Consilium“, der Gastronomie im Spanischen Bau des Rathauses, Erleichterung. „Ich würde mich darüber freuen, wenn die Zusammenarbeit weiter geht“, sagte Reker. Aber es sei nicht an ihr, das zu beschließen.
Reker hatte in den vergangenen Wochen trotzig weitergekämpft und kräftig Klinken geputzt, Wahlkampf an der Haustür. Kossiski verspürte plötzlich Rückenwind. Seine Streifengänge im Veedel brachten ihm mehr Zuspruch als erwartet. Die Amtsinhaberin versprach freien Eintritt in die städtischen Museen, eine bessere Anbindung der Außenbezirke ans Bus- und Bahnnetz, einen Teil der Venloer Straße will sie zur Einbahnstraße machen. Diese Themen wird sie sich nun wieder vornehmen müssen.
Wie geht es weiter?
Die erste Amtszeit von Oberbürgermeisterin Henriette Reker und die Wahlperiode 2014-2020 des Stadtrats enden am 31. Oktober. Am 1. November beginnt für OB und Rat die neue Wahlperiode, sie dauert fünf Jahre. Die meisten Fraktionen im neuen Rat haben sich bereits konstituiert, bei der SPD erfolgt dies am 30. September.
Der neue Rat konstituiert sich im November. Es sind drei Sitzungen geplant: am 5., 10. und 19. November. Dabei geht es vor allem um formale Dinge wie die Besetzung der Ratsausschüsse und der Aufsichtsräte der Unternehmen, an denen die Stadt beteiligt ist. Auch wird entschieden, wer künftig Bürgermeister und damit OB-Stellvertreter wird. Sollte es erneut vier Bürgermeister geben, dürften die Grünen als stärkste Fraktion zwei stellen, SPD und CDU je einen. (fu)
„Ab morgen geht es weiter“, sagte Reker zu ihrer Arbeit der nächsten Tage. Der Wahlkampf ist vorbei, aber die Pandemie bleibt. Nebenbei hat sie auch den Krisenstab zu Corona geleitet, ihr Stadtdirektor Stephan Keller war in Düsseldorf aktiv, nun ist er dort Oberbürgermeister. „Ich freue mich für ihn“, sagte Reker. Sie wusste ja, was er kann. Die Doppelbelastung erwies sich zeitweise als Bürde. Zumal die OB unangenehme Botschaften überbringen musste. Reker sagt: „Die Sorge vor dem Anstieg der Zahlen ist groß.“ Einen zweiten Lockdown kann sie sich nicht vorstellen.
In der Piazzetta des Rathauses gratuliert Verlierer Andreas Kossiski ihr zwischen zwei Interviews. Ein freundlicher Händedruck, ein kurzes Lächeln. Beide kennen sich, sie sind per Du, der Wahlkampf war weit davon entfernt, verletzend zu werden. „Ich gehe erhobenen Hauptes“, sagt der SPD-Mann (62). Es sei ein Erfolg gewesen, in die Stichwahl zu kommen. Nun will er für den Fraktionsvorsitz der SPD kandidieren. Die Partei erfuhr es am Abend. In der SPD geht der Wahlkampf weiter.