Köln – Die letzten Schüler und Lehrer der Martin Luther King Schule in Weiden sitzen auf gepackten Koffern. Rektorin Helene Hoffmann-Issel sortiert Ordner aus, sichtet Unterlagen aus Zeiten, als die „MLK“ noch als Trendsetter mit innovativen Modellen weit über die Stadtgrenzen hinaus Schule machte. „Auch die Hühner müssen weg“, sagt sie mit Blick auf Kunstobjekte aus Pappmachee, Relikte einer der vielen Aktionen der Hauptschule mit Partnern aus der Nachbarschaft. Wir sind traurig, dass es nun zu Ende ist, aber es gibt natürlich auch Aussichten auf etwas Neues“, sagt die Schulleiterin, die keine Bitterkeit zum Abschied aufkommen lassen möchte. Mit dem langjährigen Rektor Heinz Klein führte sie bis zu dessen Pensionierung 2015 einige Jahre als Konrektorin die Ganztagsschule im sanierungsbedürftigen Weidener Schulzentrum.
Freitag ist der allerletzte Schultag der seit fast 40 Jahren bestehenden Hauptschule. Die MLK schließt – für immer. Zuletzt sanken die Schülerzahlen drastisch, die Schulentwicklung hin zu Gesamtschule und Gymnasium fordert „Opfer“ – vor allem bei Haupt- und Förderschulen. Das Kollegium engagierte sich für eine gesicherte Zukunft mit neuen Modellen: „Aber Bestrebungen für den Aufbau einer Gesamtschule für die Klassen 1 bis 13 haben leider nicht gefruchtet“, bedauert Hoffmann-Issel. Ihr persönlicher Wunsch wäre gewesen, dass die Schüler und Lehrer „in einer anderen Schulform im bestehenden Zentrum ihren Platz gefunden hätten.“ Daraus wurde nichts, der Platz kommt der Erweiterung des Gymnasiums zugute. Das Büchner-Gymnasium übernimmt auch MLK-Schüler.
„Die wichtigsten Projekte waren das Sprachförderprojekt mit der Universität zu Köln, das Abschaffen des Sitzenbleibens, die Einführung der zweiten Fremdsprache und das gemeinsame Lernen bis Klasse 10 mit der Möglichkeit des direkten Übergangs in das Wirtschaftsgymnasium Lindenstraße“, zählt die Schulleiterin Schwerpunkte auf. „Wir waren auch eine Medienschule und inklusive selbstständige Schule.“
MLK erwies sich als innovative Schule
Als vor kurzem das Forum im maroden 70er-Jahre-Bau nach Regengüssen „unter Wasser stand, da kam schon ein Bild auf, dass das hier ein sinkendes Schiff ist“, sagt sie. Mit noch elf Kolleginnen und Kollegen startete die Hauptschule im Kölner Westen „noch ganz optimistisch“ ins jetzige Schuljahr, aber dann wurden zwei Kollegen abgezogen, „da waren’s nur noch neun...“ Die zehnten Klassen mit 40 Absolventen wurden vor zwei Wochen entlassen, etwa die Hälfte mit Fachoberschulreife, zwei mit Qualifikation. Die zwei neunten Klassen werden Freitag verabschiedet. „Sie wechseln in die Hauptschule Reutlinger Straße und haben schon Kontakte zu den neuen Mitschülern geknüpft.“ Auch drei der Lehrer finden dort einen neuen Arbeitsplatz. Die drei bestehenden Vorbereitungsklassen für Flüchtlinge werden verlagert. Die Konrektorin tritt in Bedburg eine Stelle an.
Einige Lehrer arbeiteten 15 Jahre, eine sogar 37 Jahre in der innovativen Schule, die zum Beispiel das Sitzenbleiben abschaffte und individuelle Förderung groß schrieb, Kooperationen zu Firmen und Einrichtungen knüpfte, den Übergang von der Schule in den Beruf mit hohem Praxisbezug erleichterte. Das Team holte sich immer wieder Anregungen bei ausgezeichneten Schulen, zum Beispiel in Finnland.
Die MLK kämpfte für die Idee einer inklusiven Ganztagsschule für alle in Kooperation mit der Uni – ein ähnliches Konzept wie die geplante Heliosschule. Das Modell fand bei Eltern große Unterstützung, die Schülerzahlen stiegen in der Phase. Als klar wurde, dass das Modell nicht vom Land genehmigt wurde, sanken die Anmeldungen drastisch. „Das war sehr, sehr schade“, sagt Helene Hoffmann-Issel und packt weiter. Eines der bunten Papp-Hühner nimmt sie mit nach Hause. Bald kommen die Möbelpacker – die Sanierung lässt weiter auf sich warten.
Kölner Schulentwicklung
Die Entwicklung ist eindeutig: In der wachsenden Stadt Köln sind Plätze an Gymnasien und Gesamtschulen stark gefragt. Dagegen sinken an Hauptschulen die Schülerzahlen, nur rund sechs Prozent der Viertklässler wechseln auf die Schulform. Schulschließungen (s. Artikel) sind die Folge. An Gesamtschulen wurden wieder rund 770 Schüler abgelehnt. Auch die Inklusion hat Auswirkungen aufs Schulsystem. Dem Ausbau von Plätzen für gemeinsamen Unterricht in Regelschulen steht das Schrumpfen von Förderschulen gegenüber.
Der Trend setzt sich fort. Die Verwaltung legte gerade 122 Vorschläge vor, um (neben voraussichtlich etwa 40 Neubauten mit teils langen Bauphasen) zügiger etwa durch Schließungen und Umwandlungen vor allem einiger Hauptschulen Plätze für Gymnasien und Gesamtschulen zu schaffen oder dort mehr Klassen einzurichten. (MW)