Die Corona-Pandemie hat Unsicherheit ausgelöst unter den Stammkunden.
Vorstandsvorsitzende Stefanie Haaks hat den Stadtbahnführerschein gemacht und will zukünftig einspringen können.
Das passt gut, denn Not hat der Verkehrs-Betrieb gerade.
Köln – Wenn sie den Betrieb so führt wie sie eine Stadtbahn fährt, dann haben die Mitarbeiter der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) einen guten Fang gemacht mit ihrer Chefin. Eine freundliche Ansage, sanfte Beschleunigung, behutsames Bremsen und ganz viel Voraussicht. Stefanie Haaks, Vorstandsvorsitzende der KVB, hat den Stadtbahnführerschein gemacht. Wenn es Not tut, will sie künftig einspringen können. Das passt gut, denn Not hat der Verkehrs-Betrieb gerade.
Die Corona-Pandemie hat Unsicherheit ausgelöst unter den Stammkunden. Rund 40 Prozent steigen zurzeit nicht mehr ein – egal, wer hinter dem Steuerknüppel sitzt. Darum will KVB-Chefin Kurs nehmen auf Kundenrückgewinnung. Neue Konzepte bei Hygiene und Tarifstruktur sollen das Ziel erreichbar machen. Unter anderem ein Kölner Start-up soll Rückenwind verschaffen.
Fahrstunde durch die „graue Hölle“ der Innenstadt
Sie hätte es sich auch einfach machen können. Raus ins Grüne für die Jungfernfahrt mit geladenen Fahrgästen. „Es sich einfach machen“ gilt aber nicht. Stefanie Haaks fährt durch die „graue Hölle“ der Innenstadt: Vom Neumarkt über die Aachener Straße: Shopper im Einkaufsrausch, Junkies im Drogennebel, Berufstätige im Terminstress. Später dann dicht geparkte Autos, querschießende Fußgänger und irrlichternde Radfahrer. „Ganz schön wuselig hier“, sagt Haaks zu Frank Faßbender, Leiter der KVB-Fahrschule. Ihr Fahrlehrer. Die Ausbildung der Chefin wurde zur Chefsache gemacht.
Der ist hoch zufrieden mit seiner Schülerin. Was soll er auch anderes sagen. „Nein, nein“, so Faßbender. Chefin hin oder her: „Da wird kein Auge zugedrückt.“ Keiner habe einen Schirm über sie gehalten, wenn bei Regen eine Weiche umgestellt werden musste. „Sie hat jede Prüfung bestanden.“
Verkehr in Köln „wesentlich anspruchsvoller“ als in Stuttgart
Bevor Stefanie Haaks nach Köln kam, war sie Vorstandsmitglied bei der Stuttgarter Stadtbahn. Auch da lenkte sie Bahnen. Und, wie fährt es sich zum Vergleich in Köln? „Wesentlich anspruchsvoller. Für viele Verkehrsteilnehmer in Köln sind Schilder und Signale nur Dekoration.“ Täglich habe sie bei ihren Fahrschulfahrten mindestens drei Situationen erlebt, bei denen es eng geworden sei. Da brauche es gute Nerven. „Denn ausweichen geht nicht, und entgleisen ist keine Alternative.“
Jeder Satz wie ein Sinnbild für die Lage des Verkehrs-Betriebs in der Corona-Krise. Rund 40 Millionen Euro werden nach einer Berechnung des Betriebs am Ende des Jahres fehlen. Zusätzlich zu dem prognostizierten Zuschussbedarf von rund 100 Millionen Euro. „Dieses Jahr sind wir unter dem Rettungsschirm“ sagt Haaks.
Bund und Land greifen dem gebeutelten Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) unter die Arme. Doch die Rückgewinnung aller Fahrgäste wird Jahre brauchen. Die KVB selbst rechnet mit zwei. Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) gar mit bis zu zehn Jahren. „Ab kommendem Jahr geht das Defizit dann voll zu Lasten des Stadtwerkekonzerns“, sagt die KVB-Chefin. Und nicht nur das des Verkehrsbetriebs.
Entgleisen ist aber nun mal keine Alternative: Der ÖPNV soll der Motor der Verkehrswende werden. Da braucht es also mehr denn je Strategien. „Die Ansteckungsgefahr in der Bahn ist nicht größer als beim Einkauf. Führende Virologen halten eine bis zu zehn Minuten dauernde Stadtbahnfahrt für unbedenklich“, kämpft Haaks gegen die größte Angst der Fahrgäste an.
Um die zu lindern, will sie einen Versuch starten, in Kooperation mit dem Kölner Start-up „Ulvis“. Handläufe reinigen sich selbst durch Dauerbestrahlung mit UV-C-Licht. 99 Prozent aller Bakterien und Viren sollen so abgetötet werden. „Wir werden das ausprobieren.“ Um Ticketabonnenten zu halten, die nun zeitweise im Homeoffice sind, will Haaks an die Tarife ran. „Eine Überlegung ist, ein Monatsticket, das für festgelegte Tage gilt. Wir sind da in Gesprächen mit dem VRS.“
Ticket-Nutzung
Die Bartickets hatten sich vor Corona zum kleinen Verkaufsschlager der KVB entwickelt. Nicht zuletzt durch das Handyticket. Noch im Februar spülten diese Einzeltickets mehr als acht Millionen Euro in die Kasse. Im April, in der Hochphase der Pandemie, sank der Wert auf anderthalb Millionen Euro ab. Im Juni wurde immerhin die 3,5 Millionen Euro-Marke erreicht.
Die Abotickets verzeichnen keine so rasante Berg- und Talfahrt. Dennoch gibt es Grund zur Sorge. Die Nutzungsrate der Job- oder Monatstickets sinkt. Vor der Pandemie nutzten 70 Prozent der Abokunden beispielsweise ihr Job- oder Monatsticket mindestens vier Tage in der Woche. Der Wert verschiebt sich zunehmend in Richtung zwei bis drei Tage.