Köln – Sie sind seit 42 Jahren bei der Stadt angestellt, seit Anfang 2008 beim Wohnungsamt. Wie hat sich der Wohnungsmarkt in Köln verändert?
Ludwig: Der Anteil an geförderten Wohnungen hat weiter abgenommen, liegt jetzt bei 6,8 Prozent. Einerseits ist das schlecht, andererseits bin ich ganz froh, dass etwa in Chorweiler oder Finkenberg wenigstens ein Teil der nicht mehr adäquaten Wohnungen mittlerweile aus der öffentlichen Förderung gefallen sind und es möglich wird, anderen Wohnraum zu fördern. Im Nachhinein weiß man immer alles besser, in den 70er Jahren aber waren das noch alles andere als sozial schwierige Stadtteile. Es gab sogar internationale Preise für die damals gebauten Hochhäuser.
Wo lagen ihre größten Baustellen?
2015 die Flüchtlingskrise, jetzt die Menschen aus der Ukraine – das war in meiner Zeit als Amtsleiter in Teilen reine Krisenbewältigung. Davor, als Stellvertreter, war ich für den geförderten Wohnungsbau zuständig. Ich bin sehr froh, dass unsere Förderzahlen jetzt seit zwei Jahren über 1000 liegen. Wesentlich dazu beigetragen hat übrigens die Förderpolitik des Landes, die gleich unter welcher Landesregierung immer gut funktioniert hat. Das wird auch jetzt wieder klappen.
Und auf kommunaler Ebene?
Da hat das Kooperative Baulandmodell gutgetan. Es hat eine Weile gedauert, weil viele Altfälle noch abzuarbeiten waren. Und es musste auch nachgeschärft werden, weil es zu viele Schlupflöcher gab. Aber mittlerweile bringt das Modell auch Förderzahlen.
Zur Person
Josef Ludwig (63) kam am 1. November 1980 als Azubi zur Stadt und verdiente sich seine ersten Sporen als Sozialhilfe-Sachbearbeiter im Stadtbezirk Rodenkirchen. Zeit seines Arbeitslebens blieb er dem Dezernat V (Soziales, Gesundheit und Wohnen) treu. Von 2005 bis 2007 war er Geschäftsführer der Arge Köln und kam Anfang 2008 zum Wohnungsamt, wurde im Mai 2015 dessen Leiter. „Das Sozial- und das Wohnungsamt waren genau die richtigen beiden Ämter für mich“, sagt das 63-Jährige CDU-Mitglied heute. Am 9. August erhält er seine Entlassungsurkunde von Oberbürgermeisterin Henriette Reker. (two)
Die Investoren ziehen jetzt mit?
Natürlich, auch die großen. Die kennen die Spielregeln jetzt, setzten sich damit auseinander und müssen ein bisschen anders kalkulieren. Vielleicht den frei finanzierten Wohnungsbau etwas hochsetzen, aber das ist in Ordnung.
Es gibt die Befürchtung, dass dadurch die Schere zwischen frei finanziert und gefördert zu groß wird und die klassische Mittelschicht wegbricht.
Dem kann ich bestenfalls in Teilen zustimmen. Die jetzigen Förderungen laufen 25, 30 Jahre, früher waren es 15 oder 20 Jahre Laufzeit. Wenn die Wohnungen aus der Förderung rausfallen, sind sie ja nicht sofort hochpreisig. Da gilt die Kappungsgrenze, in Köln derzeit maximal 15 Prozent Erhöhung alle drei Jahre. Die Mieten werden so langsam an die ortsüblichen Sätze herangeführt, das führt zum preisgedämpften Segment. Davon mag es zu wenig geben, aber weg ist es nicht.
Köln hat eine Wohnungsnot. Ist die Situation neu oder war sie schon immer angespannt?
Der Bau von Wohnungen wird nicht billiger werden. Gleichzeitig gibt es aber kaum Fluktuation – wer eine Wohnung hat, zieht nicht um. Selbst wer auch höhere Mieten zahlen kann, findet daher nicht unbedingt eine passende Wohnung auf dem Markt. Von daher fürchte ich, dass es kurzfristig eine Entspannung kaum geben wird. Aber auch früher war das nicht einfach.
Köln galt und gilt im Vergleich mit anderen Großstädten als eher zurückhaltend, was den Umgang mit Hausbesetzungen angeht.
Wir haben immer nach Lösungen gesucht. Was zuletzt in der Marktstraße wieder einmal funktioniert hat. Da spielt natürlich auch die Politik eine große Rolle. Klar, es gibt immer Menschen, die sofort „räumen, räumen“ rufen. Aber das macht vielleicht auch einen Teil von Politik und Selbstverständnis in dieser Stadt aus, dass man eben nicht gleich die große Keule holt. Mein Verständnis war es jedenfalls nie.
Aber Sie galten immer als jemand, der das offene Wort nicht scheut. Auch in die Stadtspitze hinein.
Dem ist wohl so (lacht). Ich war nie zurückhaltend, manchmal frech und meistens vorlaut. Aber so konnte ich sicher die eine oder andere Lösung mit gestalten. Das ist wohl typbedingt – ich bin schon ein wenig stolz darauf, nie als typischer Beamter wahrgenommen worden zu sein.
Inwiefern kann man die Wohnungspolitik als Amtsleiter beeinflussen?
Indirekt. Ich war in der Lage und der Position, meine Meinung in der Verwaltung vorzutragen und Diskussionen mit anzustoßen. Ich hatte immer ein gutes Verhältnis auch zu Dezernentinnen und Dezernenten , und als Amtsleiter ist man natürlich auch mit Teilen der Politik vernetzt. Ob sie dann im Zweifel immer auf mich hören, ist ein anderes Thema. Die übernehmen leider nicht alles und sagen, oh, darauf haben wir gewartet – aber ich konnte anstoßen, dass über Dinge geredet wird... das hat mir immer gut gefallen, dass man mit den Fraktionen gut und vernünftig reden konnte.
Was war persönlich Ihr schwerster Kompromiss?
Der lag noch vor der Zeit im Wohnungsamt. Ich war drei Jahre lang der erste Geschäftsführer der Arge Köln, dem Vorläufer des Jobcenters. Damals gab es zwei Träger, die erstmalig eine Behörde geleitet haben: die Agentur für Arbeit und die Stadt. Ich saß dazwischen, musste den Wünschen beider irgendwie nachkommen. Das hat sich mittlerweile längst eingespielt, aber in den Anfängen war das – sagen wir, kompliziert. Ich war froh, dass ich 2008 wieder ganz zurück zur Stadt konnte.
Köln hat immer den Ruf des Bodenständigen gehabt. Hatten Sie nie Sehnsucht nach etwas Glamour?
Nein, nie. Köln hat eine ganz andere Einwohnerschaft als beispielsweise Düsseldorf. Auch eine andere Einkommenssituation in der Bürgerschaft, eine andere Langzeitarbeitslosigkeit. Andere Menschen halt und ein anderes Lebensgefühl. Und deshalb natürlich auch einen anderen Wohnungsmarkt. Ich passe hierhin, nicht nach Düsseldorf oder sonst wohin.
Wie haben Sie die Flüchtlingskrise 2015 und jetzt mit den Menschen aus der Ukraine erlebt?
2015 hatte ich, hatten wir alle keinerlei Vorlauf. Ich war gerade kommissarisch auf den Amtsleiterposten gekommen. Wir hatten Zugangszahlen von 300, 400 Menschen pro Woche. Und keine Reserven, anders als jetzt. Deshalb gab es keine andere Möglichkeit als das unselige Belegen von Turnhallen damals. Da haben wir dem Schul- und Vereinssport keinen Gefallen getan. Wir hatten einfach keine Alternative, so viele Menschen in so kurzer Zeit unterzubringen.
Auch gegen gehörige Widerstände in der Bürgerschaft.
Die haben wir auch zu spüren bekommen, ja. Wir hatten zu jeder Liegenschaft für geflüchtete Menschen eine eigene Informationsveranstaltung. Die Diskussionen waren mitunter sehr anstrengend. Auch manchmal fremdenfeindlich. Aber es gab auch sehr viel Hilfe und Zuspruch von den vielen privaten, ehrenamtlichen Initiativen.
Sie mussten aus dem Stand anfangen, irgendwie Wohnraum zu schaffen.
Provisorischen Wohnraum: Containerbauten, Systembauten, Leichtbauhallen... von denen übrigens zwei wieder in Betrieb gegangen sind. Etwas mehr als ein Zelt, aber weniger als ein Container. Sie helfen dabei, den großen Schwung abzufedern. Mittlerweile ist zwar weitgehend Stagnation, aber es weiß ja keiner, was im Herbst und Winter sein wird. Viele Menschen sind ja noch im Grenzgebiet zu Polen unterwegs, in Zelten oder sonstigen Provisorien.
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2015 hat dazu geführt, dass die Stadt besser auf solche Anstürme vorbereitet ist?
Auf jeden Fall. Es wurde eine Reserve von 1500 Plätzen vereinbart, die auch regelmäßig gewartet wurde, so dass sie im Zweifel sehr schnell herangezogen werden kann. Was auch gut funktioniert hat.
Nimmt man solche Erfahrungen mit nach Hause?
Natürlich. Den möchte ich sehen, der auf der einen Seite die Not der Unterzubringenden nicht sieht und auf der anderen Seite keine Schwierigkeiten mit der Unterbringung von Menschen in Turnhallen hat. Ich bin selbst sehr sportaffin, mir war schnell klar, was wir da veranstalten mit dem Schul- und Vereinssport.
Was ist mit denjenigen passiert, die zu uns kamen?
Ein Teil wurde unter anderem über das Auszugsmanagement gut integriert, ein Teil ist weitergezogen, ein Teil ist auch wieder zurückgegangen. Und ein Teil mag auch noch unter unserem Radar hier in Köln geblieben sein. Das ist ganz unterschiedlich.
Wie fällt Ihr persönliches Fazit aus und was muss noch passieren in Köln?
Ich glaube, wir sind mit der Wohnungsbauförderung ganz gut aufgestellt, auch beim Thema geflüchtete Menschen sind die Möglichkeiten ganz aktuell noch einmal deutlich worden. Bei den Kurzzeitvermietungen und dem Wohnraumschutz sind wir ebenfalls ganz gut vorangekommen, auch wenn da die rechtlichen Bedingungen noch sehr schwierig sind. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, wäre dies natürlich ein noch viel größeres Wohnungsangebot für die große Nachfrage in der Stadt.
Ein realistischer Wunsch?
Ich fürchte, nein. Meiner Wahrnehmung nach ist das in nächster Zeit unerfüllbar. Es wird angespannt bleiben.
Ihr größter persönlicher Erfolg?
Vielleicht dass wir eine Diskussion mit angestoßen haben, dass man geförderten Wohnungsbau im Stadtbild nicht sofort erkennen muss. Als wir zum ersten Mal auf der Expo in München waren, haben uns alle angeschaut nach dem Motto: Was wollt ihr denn mit eurem sozialem Wohnungsbau hier? Heute sind wir dort sehr anerkannt. Ich denke, das haben wir ein wenig provoziert und mit initiiert in der Politik.