Von der Wüste ins sattgrüne Köln: Die neue Flora-Chefin Marina Tsaliki hat viel zu erzählen. Und viel vor.
Kölner FloraNeue Leiterin Marina Tsaliki ist weitgereist - Forschung in der Wüste von Oman
Manchmal ist die Wüste grün. Dann wachsen über Nacht zarte Spitzen aus dem Sand und zwischen kleinen Steinen empor. „Das ist für mich jedes Mal ein Wunder“, sagt Marina Tsaliki. Wenn in der Regenzeit sichtbar werde, wie viele Pflanzenarten sich in kargen Wüstenregionen verbergen, bis ihre kurze Wachstumszeit gekommen ist. „Nur die Touristen haben sich beschwert“, blickt sie zurück. „Sie wollten das Postkartenmotiv.“ Über zehn Jahre hat Marina Tsaliki in den Wüstengebieten des Oman und der Arabischen Emirate geforscht; seit dem 1. September ist die 45-Jährige Leiterin des Botanischen Gartens Köln. Sie folgt auf Stephan Anhalt, der den Garten 23 Jahre geleitet hat; seit März 2022 hatten sich beide die Position geteilt.
Nach eineinhalb Jahren in Köln sei die ganze Familie und vor allem ihre beiden Kinder im Grundschulalter „richtig angekommen“. Dadurch, dass sie gemeinsam mit ihrem Vorgänger verantwortlich war, habe sie langsam in ihr neues Arbeitsfeld hineinwachsen können. „Ich habe einen wunderbaren, mit viel Liebe gestalteten Garten übernommen“, sagt sie bei einem Gang durch die Flora. Hier leuchten die Blätter und feinen Nadeln riesiger Bäume aus vielen Teilen der Welt in allen erdenklichen Grüntönen, in Gelb, Rot, Orange. Es ist ihr zweiter Herbst in Köln.
Marina Tsalikis Vater ist Grieche, er nimmt seine Familie als Diplomat in viele Länder mit. Als Kind lebt sie in England, Albanien und Syrien, dazwischen ist Athen eine Heimat auf Zeit. Ein besonders guter Biologieunterricht weckt ihre Leidenschaft für die Welt der Pflanzen. Die wird sie nicht wieder los. Sie studiert Biologie mit Schwerpunkt Botanik, promoviert in Bremen, lebt zwei Jahre in Köln und engagiert sich hier beim NABU in einem Projekt, das bedrohte heimische Pflanzen erfasst. Dabei lernt sie ihren Vorgänger Stephan Anhalt kennen, der den Botanischen Garten noch bis Ende August mit geleitet hat. „Wir haben die bedrohten Arten vermehrt, um sie wieder in ihren natürlichen Habitaten anzusiedeln“, erinnert sich Tsaliki. „Dabei hat uns die Flora sehr unterstützt.“
Alles zum Thema Wohnen Köln
- Ein Jahr Wünsche gesammelt Ideen für ein lebenswertes Wohngebiet in Porz-Wahn werden vorgestellt
- Gewerbeflächen sollen erhalten bleiben Wie das Liebigquartier die Stadtteile Nippes und Ehrenfeld verbinden soll
- „Kein Spielraum“ Was Kölns Kämmerin zur höheren Grundsteuer in Köln sagt
- Stadt erwartet 23 Millionen Euro mehr Höhere Grundsteuern machen Wohnen in Köln ab 2025 teurer
- Sürther Feld Entwurf für Bebauung der Brache wird Bürgern vorgestellt
- Wohnen in Köln Verband fordert Mäßigung bei der Grundsteuer
- Teures Wohnen Mieten in Köln klettern auf über 13 Euro pro Quadratmeter
Nach den Jahren in Deutschland packt sie das Gefühl, mal wieder raus zu müssen. Sie bewirbt sich auf eine Stelle in Oman. Das klappt bestimmt nicht, habe sie gedacht. Hat es aber. 2011 packt die 33-Jährige ihre Sachen und reist in den Oman. Ihr Job: Die heimischen Pflanzen erfassen, ihre Samen sammeln, herausfinden, wie man sie am besten vermehrt und alles systematisch dokumentieren – eine Pionierarbeit. Zusammen mit Wissenschaftlern aus England, Irland, Kanada und Mitarbeitenden aus dem Oman.
Spuren von Skorpionen und Schlangen im Sand
„Das Land hat Wüsten, die in der Regenzeit grün werden. Wadis, trockene Flussbetten, die einmal im Jahr Wasser führen und sich in blühende Oasen verwandeln. Und den Süden, der vom Monsun bestimmt ist “, blickt Tsaliki zurück. Ihre Begeisterung und Freude sind spürbar. Auch, wenn sie von den omanischen Teammitgliedern erzählt, die wissen, wo seltene Pflanzen wachsen, weil sie aus den Bergen oder entlegenen Dörfern stammen. Unendlich viele Augenblicke habe es gegeben, wo sie das Team zu einem solchen Ort geführt hätten, bei Fahrten tief in die Wüste. „Dort haben wir alle in Zelten unter dem Sternenhimmel geschlafen, in unglaublich schönen Landschaften.“ Morgens, sagt sie, habe man im Sand die Spuren der Skorpione und Schlangen gesehen. Die hatten sich um die Zelte gewunden, Hindernisse auf ihren nächtlichen Streifzügen.
„Eine Biodiversität wie die im Oman ist ein großer Reichtum“, sagt die 45-Jährige. Den soll dort ein Botanischer Garten zeigen, der sich über 550 Hektar erstreckt (zum Vergleich: der Garten in Köln ist 11,5 Hektar groß). Er soll das Land attraktiver für Touristen machen. „In der Vorbereitung dazu haben wir die Pflanzenarten systematisch erfasst und unser Wissen an die Mitarbeitenden dort weitergegeben. Ihr Auftrag ist beendet, das gigantische Projekt noch im Bau, als sie eine ähnliche Aufgabe in den Arabischen Emiraten annimmt.
Nach einem Jahrzehnt mit viel Pionierarbeit zieht es sie zurück nach Deutschland. „Hier war plötzlich alles anders“, sagt sie schmunzelnd. Ich bin in einen Garten gekommen, der eine Geschichte hat, die man spüren kann, ein durchdachtes Konzept und in ein wunderbares Team mit ganz viel Wissen.“ Im Oman habe sie oft Menschen anleiten müssen, hier in Köln hört sie ihren Mitarbeitenden erstmal zu, die Vorschläge machen und eigenständig arbeiten.
Pflanzen in den Schauhäuser haben schon Früchte ausgebildet
„Gerade bindet es viel Kraft, die Bepflanzung der von meinem Vorgänger Stephan Anhalt initiierten Schaugewächshäuser zu einem guten Ende zu bringen. Wir hoffen, sie im zweiten Halbjahr 2024 öffnen können“, sagt Tsaliki. Die Großpflanzen seien bis auf zwei alle schon eingesetzt, ein gutes Drittel der übrigen Pflanzen auch. Jetzt fehlen noch zwei Drittel, unzählige kleine Pflänzchen und winzige Kakteen.“ Das ganze Team sei hochmotivert. Denn viele der in den vergangenen Monaten gepflanzten Gewächse hätten Früchte oder neue Triebe ausgebildet. „Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet“, sagt Tsaliki. „Das zeigt, dass sie sich wohl fühlen in ihrer neuen Umgebung.“
Wenn die Eröffnung geschafft ist, will Marina Tsaliki mit dem Team einen Plan für die nächsten zehn Jahre erstellen. Die „Grüne Schule“ als Bildungsort für Kinder hat darin einen festen Platz. Und auch, die Flora behutsam weiter zu entwickeln, damit sie für die Kölnerinnen und Kölner weiter so attraktiv bleibt wie bisher. Große Bedeutung werde auch haben, wie man die Bepflanzung auf den Klimawandel anpasse, Nachhaltigkeit im Betrieb des Gartens oder die Überlegung, welche Bewässerung zukünftig noch vertretbar sei. Das klingt nach viel und einem Job fürs Leben. Sicher für ganz viele Jahre, sagt Marina Tsaliki. Ob sie für immer auf Expeditionen in ferne Länder verzichten könne, fügt sie mit einem Schmunzeln hinzu, „dafür würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen“.
Flora in Zahlen
26 ausgebildet Mitarbeitende kümmern sich um die Pflege der Pflanzen in der Flora und im Botanischen Garten. Sie sind auch für die Bepflanzung der Gewächshäuser, die jeweils mehrmals jährlich wechselnde Gestaltung des großen Barockparterre am Haupteingang der Flora, der Beete in der Palmenallee oder der Farbbeete neben dem Gartenlokal „Dank Augusta“ verantwortlich. Einige Mitarbeitende arbeiten Teilzeit, das Vollzeitäquivalent beläuft sich auf 23 Stellen. Dazu kommen die 13 Auszubildenden der Flora. Von den vier Stellen für ein „Freiwilliges ökologischen Jahr“ und den zwei Bundesfreiwilligenstellen ist jeweils eine besetzt.
25 Kölnerinnen und Kölner helfen ehrenamtlich bei der Pflege der Anlage mit - manche einmal oder mehrfach in der Woche, andere einmal im Monat.
6000 Pflanzenarten sind nach Fertigstellung allein in den drei Schaugewächshäusern der Flora zu sehen.
11,5 Hektar ist die gesamte Anlage groß.
1864 wurde die Flora, der ältere Teil der Anlage fertiggestellt. Später kam der Botanische Garten im hinteren Teil der heutigen Anlage als öffentlicher Garten für alle Bürgerinnen und Bürger hinzu.