Köln – Plötzlich kann man nicht mehr sprechen. Oder: Es kommen nur unverständliche Töne über die Lippen. Nach einigen Minuten kann der Spuk vorbei sein. Doch es könnte auch ein Warnhinweis gewesen sein – auf einen drohenden Schlaganfall. Dasselbe gilt, wenn ein Mundwinkel auf einmal herunter hängt oder halbseitige Lähmungserscheinungen auftreten. Während Menschen diese Warnsignale bisher häufig ernst nahmen, haben sie ihr Verhalten während der Corona-Pandemie verändert. „Man wartet jetzt eher ab, anstatt die 112 zu rufen“,sagt Dr. Lothar Burghaus, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Heilig-Geist-Krankenhaus in Longerich. Ärzte schlagen Alarm.
Angst vor Ansteckung spürbar
In den Stroke Units, den speziellen Schlaganfalleinheiten, wie es sie an der Uniklinik, in Merheim und eben am Heilig-Geist-Krankenhaus gibt, spüren die Mediziner die Angst vor Ansteckung in der Corona-Krise. Deutlich weniger Menschen mit leichten Symptomen kommen. Auch Professor Gereon Fink, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Uniklinik Köln, warnt, dass bundesweit die Zahl der Menschen, die nach einer so genannten „Transienten ischämischen Attacke“ – also kurzen Schlaganfall-Vorboten – in den Stroke Units abnimmt. „Gerade auch in Zeiten der Corona-Epedemie ist es wichtig, dass Patienten schnell notärztliche Hilfe suchen. Nur so kann die unverzüglich und bestmögliche Versorgung auch weiterhin geleistet werden“, sagt Fink, dessen Stroke Unit jetzt die höchste EU-Zertifizierung erhalten hat.
Rund 5000 Kölner, so schätzt Burghaus, erleiden jährlich einen Schlaganfall. Längst seien es nicht „nur Opis“, auch Menschen im mittleren Lebensalter sind oft betroffen. Bei jedem dritten oder vierten Patienten gab es Vorboten. „Das zeigt, wie wichtig es ist, diese ernst zu nehmen“, unterstreicht der Neurologe.
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Je früher erkannt, desto besser
Wenn ein Patient mit Lähmungserscheinungen oder Sprachstörungen ins Krankenhaus kommt, wird er zunächst gründlich untersucht. Sollte er einen leichten Schlaganfall gehabt haben, lässt sich das als Verletzung im Gehirn sehen. Auf jeden Fall folgt die Suche nach den Ursachen für die Attacke. Oft ist es ein verkalktes oder verengtes Blutgefäß. Etwas, das einfach operativ in Ordnung gebracht werden kann. Die Folge: Die Gefahr, einen schweren Schlaganfall mit dauerndem Sprachverlust und Lähmung zu erleiden, ist quasi gebannt.
Mit der Kampagne „Schlaganfall ist ein Notfall“ wurde viel Arbeit in die Aufklärung der Bevölkerung gesteckt. Allgemein bekannt die Botschaft: Je früher die Anzeichen erkannt und entsprechend gehandelt wird, desto eher lassen sich dauerhafte Folgen vermeiden. „Das ist jetzt wie weggeblasen“, stellt Neurologe Burghaus fest. „Alle haben nur noch die Corona-Brille auf.“ Die Krankenhäuser haben zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um eine Infektionsgefahr mit Corona soweit wie möglich zu senken. „Wir versorgen unsere Patienten, die akute Hilfe benötigen, genauso weiter wie vor Corona“, unterstreicht auch Professor Michael Schroeter, stellvertretender Direktor der Neurologie an der Uniklinik Köln. Es gebe keinen Grund, sich bei akuten Symptomen nicht zu melden.