Die Bläck Fööss schätzten ihn als Berater, dem Fernsehpublikum erklärte er den Kölner Karneval. Nun ist Reinold Louis gestorben. Einen denkwürigen Moment erlebte er bei der Jubiläumsfeier des Kölner Doms.
Archäologe des kölschen LiedgutsKöln trauert um Brauchtumsforscher Reinold Louis
Wenn es im Leben so etwas wie einen Moment für die Ewigkeit gibt, dann hat sich dieser bei Reinold Louis am 8. Mai 1998 um 22 Uhr ereignet. Die Bläck Fööss haben auf der großen Bühne auf dem Roncalliplatz gerade ihre Instrumente abgelegt, als die Scheinwerfer erlöschen und der Dom zu leuchten beginnt, weil die großen Fenster von innen angestrahlt werden. Gleichzeitig hängt das schwere Geläut des Decken Pitter über dem Platz. Noch Jahre später hat Reinold Louis, aufgewachsen im Vringsveedel, mit Glückstränen in den Augen und belegter Stimme von diesem Augenblick geschwärmt. Jetzt ist der Moderator und Brauchtumsforscher im Alter von 84 Jahren gestorben.
Als „großes Geschenk“ hatte es Louis bezeichnet, das Konzert der Fööss und die 750-Jahr-Feier des Doms moderieren zu dürfen. Zuvor hatte er beharrlich für die Live-Übertragung im WDR-Fernsehen gekämpft. Schon die 700-Jahr-Feier des Doms hatte Louis erlebt – damals noch als Messdiener. Louis wurde vielen Menschen als ARD-Moderator des Kölner Rosenmontagszug bekannt, er war enthusiastischer Brauchtums-Erklärer, Leiter unzähliger Karnevalssitzungen und Mit-Erfinder der Flüstersitzungen, um unter der immer partyhafteren Schale des Karnevals den Kern des Brauchtumsfestes zu freizulegen.
Als junger Mann hatte sich Louis, aufgewachsen in der Elsaßstraße, für eine Ausbildung bei der Kreissparkasse entschieden, für die er dann 40 Jahre gearbeitet hat. Als ihm die Geschäftsführung der hauseigenen Kulturstiftungen übertragen wurde, nutzte er dies für den Aufbau eines umfassenden kölschen Liedarchivs, das inzwischen ins Kölner Karnevalsmuseum übergegangen ist. „Der Karneval ist der Mäzen des kölschen Volkslieds, aber es ist ein Irrglaube zu meinen, jedes kölsche Lied sei ein Fastelovendslied“, war ein typischer und treffender Satz von Reinold Louis. „Er hat das Kölner Liedgut aus dem rein karnevalistischen Kontext befreit“, würdigt der Psychologe Wolfgang Oelsner die Leistung von Louis. Er habe die Lieder vom Archivstaub befreit, Texte und Melodien erklärt und damit Stadtgeschichte hörbar gemacht, so Oelsner. Im Grunde hat Louis dazu beigetragen, das kulturelle Erbe der Stadt freizulegen und zu erhalten.
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Begründer der Reihe „Kölsche Evergreens“
Erstmals sorgte Louis im Jahr 1973 für die Veröffentlichung der Reihe „Kölsche Evergreens“, herausgegeben von der Sparkassen-Kulturstiftung. „Das erste Album, nur aus Originalaufnahmen bestehend, hörten wir im ‚Bimbo‘, einer kleinen Kneipe gegenüber vom Gürzenich, bis zum frühen Morgen. Wir konnten von der ‚Mösch‘, vom ‚Arnöldche‘ oder von ‚Es dat dann nix Marie?‘ einfach nicht genug bekommen“, erzählt Bläck Fööss-Gründungsmitglied Hartmut Priess. Louis habe „unfassbar viel für die Stadt Köln getan“, meint Priess anerkennend. Louis lebte mit seiner Frau schon lange in Kerpen-Türnich, wo er nun auch starb.
Ohnehin verband Reinold Louis und die Bläck Fööss eine besondere Beziehung, Priess bezeichnete ihn damals als „Gesprächspartner und Berater“, wenn es um Lieder zur Stadtgeschichte ging. Louis unterstützte die Band bei der Entstehung des Doppelalbums „Was habst du in die Sack“ und später bei „Usjebomb“, einer Sammlung von Liedern aus der Nachkriegszeit. Bei der historischen Matinee in der Flora stand Louis selbst mit der Band auf der Bühne.
Biografie von Rennfahrer-Legende geschrieben
Für sein Engagement um das kölsche Liedgut ist Louis vielfach ausgezeichnet worden, besonders stolz war er über die Ernennung zum Kulturpreisträger des Bund Deutscher Karneval (BDK) im Jahr 2014, zuvor waren ihm unter anderem der Köln Literaturpreis (2000) und die Willi-Ostermann-Medaille in Gold (2007) verliehen worden. Wie sehr ihm der Karneval in seiner Funktion als kraftspendender Mutmacher am Herzen lag, zeigte sich nach Ausbruch des Golfkriegs im Jahr 1991. Als die Absage des Karnevals diskutiert wurde, riefen Reinold Louis, der Kabarettist Jürgen Becker, Wolfgang Oelsner und die Bläck Fööss die Nachkriegszeit in Erinnerung, als in der zerbombten Stadt kölsche Lieder angestimmt wurden. Sie plädierten für einen ruhigen, besonnenen Karneval. Und so kam es dann auch.
Fasziniert war Reinold Louis auch vom frühen Rennsport, in seiner Zeit bei der Kreissparkasse lernte er die Familie des Rennfahrers Wolfgang Graf Berghe von Trips kennen. Die Tagebücher des 1961 in Monza verunglückten Formel 1-Fahrers dienten Louis als Grundlage für eine umfassende Biografie, die er verfasste. Später leitete er auch die Trips-Stiftung.
Doch die große Leidenschaft blieb der Karneval, den Louis über die Grenzen Kölns hinaus erforschte und erkundete. „Seine Neugierde und Akribie werden fehlen“, bedauert Hartmut Priess.