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Ehemals Paramente WefersSchneiderei für Karnevalsuniformen zieht in besonderes Gebäude

Lesezeit 4 Minuten
Karnevalsuniformen, wo einst Priestergewänder geschneidert wurden: Tom Ortmanns (l.) und Jens Jung starten durch.

Karnevalsuniformen, wo einst Priestergewänder geschneidert wurden: Tom Ortmanns (l.) und Jens Jung starten durch.

1957 gebaut, beherbergte das Gebäude bis vergangenes Jahr das Traditionsunternehmen Paramente Wefers. Die Räume passen zur Schneiderei.

Es ist kein Ort wie jeder andere, ist kein Gebäude wie jedes andere und es beherbergte kein Geschäft wie jedes andere. Seit rund einem Jahr steht das „Kopfhaus“ an der Komödienstraße Ecke Tunisstraße leer. 1957 vom Architekten Karl Brand gebaut, beherbergte es bis vergangenes Jahr das Traditionsunternehmen Paramente Wefers.

Doch der Handel mit sakraler Kunst und Gewändern unterliegt auch im „Hillije Köln“ einem Wandel. Die Kirche verliert an Mitgliedern, an Bedeutung und an Prunk. Als zu Ostern 2024 Wolfgang Stracke als Inhaber von Paramente Wefers die Tür des markanten Gebäudes ein letztes Mal hinter sich schloss, war unklar, was aus den Geschäftsräumen werden soll.

Statt Gewänder für Priester nun Karnevalsuniformen

Durch die Aufteilung der Räume, die Schaufenster und die Inneneinrichtung waren die wie auf Maß geschneidert für den Handel mit Paramenten. Was sollte, was könnte dem folgen? Ein Nachmieter ist gefunden. Und zwar einer, der mit seinem Geschäft wieder wie maßgeschneidert in die Räume des Brand-Baus passt und den Faden eines Traditionshauses aufnimmt.

Jens Jung und Tom Ortmanns ziehen in diesen Tagen ein mit ihrem Unternehmen „Brauchtum nach Maß“. Dort, wo einst die Gewänder für Priester entstanden, werden künftig Karnevalsuniformen geschneidert. Jung und sein Team statten nahezu alle großen Kölner Gesellschaften, Garden und Korps aus. Über 90 befinden sich mittlerweile in ihrer Kundendatei. Mehr noch, sie liefern und formen den Stoff, aus dem der ganz große kölsche Traum gemacht wird: das Ornat des Kölner Dreigestirns.

Jung und Ortmanns fertigen das Ornat des Kölner Dreigestirns

Vor rund zehn Jahren gründete Jens Jung sein Hauptgeschäft. Unter dem Firmentitel „Massnahme“ entsteht Herrenbekleidung nach Maß. Anfangs in einem kleinen Lokal im „Rolex-Haus“ unmittelbar am Hauptbahnhof. Nach einigen Jahren vergrößerte er sich mit einem Geschäftslokal am Kaiser-Wilhelm-Ring. 23 weitere Standorte kamen dazu. Karnevalsuniformen gehörten bis 2023 allerdings nicht zum Geschäft.

Dass er seine nunmehr zwei Geschäftszweige auf zwei eigenständige Beine stellen muss, das wurde Jung endgültig deutlich, als ihn sein Freund Tom Ortmanns ansprach, ebenfalls Kölner Unternehmer und leidenschaftlicher Karnevalist. Das Problem: Der letzte gewerbliche Maßschneider Kölns für Karnevalsuniformen war im Begriff, sein Geschäft aus privaten Gründen abzuwickeln.

Die Karnevals-Gesellschaften standen somit vor einem Problem. Ortmanns war sich sicher, dass er gemeinsam mit Jung die Lösung sein kann. Und Jung stand parat. „wir haben die Kundenkartei und die Maschinen übernommen“, berichtet er von den kurzen und intensiven Verhandlungen.

Geschäftsraum passt zur Schneiderei

Nun mussten schnell eigene Geschäftsräume mit einer angegliederten Schneiderei her für ein weiteres geschäftliches Standbein, das „Brauchtum nach Maß“. Schnell wurden 2023 Räumlichkeiten am Hansaring in der Nähe der „Massnahme“ gefunden, die aufgrund der Größe aber nur eine temporäre Lösung sein konnten.

War es Zufall, war es Fügung? Eines Tages kamen Jung und Ortmanns an dem leer stehenden Geschäftslokal von Wefers Paramente vorbei. „Wir haben gleich gedacht: Das passt.“ Und ihr erster Gedanke wurde zur Gewissheit, als sie das erste Mal in dem Geschäft standen. „Wir hatten uns sofort in den Stil der 1950er Jahre verliebt.“

Und zu der Liebe kam noch Pragmatismus. Die auf Maß eingepassten Schränke, in denen vormals die Stoffe für die Gewänder lagen, können nahtlos für die Uniformstoffe übernommen werden. Die obere Etage des Geschäftsraumes passt wie angegossen für seine Schneiderei.

Das Geschäft befindet sich in Sichtweite des Doms auf der Ecke zur Nord-Süd-Fahrt.

Das Geschäft befindet sich in Sichtweite des Doms auf der Ecke zur Nord-Süd-Fahrt.

Und wer den Blick weg von den Details zum Großen und Ganzen hebt, wer aus den hohen Fenstern des Ladenlokals die Komödienstraße entlang auf den Dom schaut, der weiß, hier kommt zusammen, was in Köln zusammen gehört: Kirche und Karneval.

Die Zeit drängt: „Wir hatten eine lange Session und die nächste beginnt früh“, macht Jung Druck. In Kürze schon will er die Räume an der Ecke Komödienstraße/Tunisstraße beziehen. „Zurzeit sind wir ein Team aus acht Mitarbeitern, aber wir wollen und müssen uns vergrößern. Wir suchen mit Hochdruck entsprechende Schneider.“

Die Heiligen Drei Könige bleiben an der Fassade

Die Gesellschaften stehen schon auf seiner Schwelle und wollen termingerecht ihre Unikate nach Maß. Es braucht neue Uniformen. Alte müssen angepasst oder ausgebessert werden. „In Köln ist Brauchtum nach Maß ein wichtiger Bestandteil zur Aufrechterhaltung der Traditionen“, klopft Tom Ortmanns seinem Freund Jens Jung auf die Schulter. Ihm ist kein zweiter gewerblicher Uniformenschneider in dieser – wenn auch überschaubaren Größe – in der Domstadt bekannt. In einem sind sich beide einig: „Diese Schneidertradition muss in der Stadt Köln bewahrt bleiben.“

Der Schneidereibetrieb muss also so schnell wie möglich starten. Feinarbeiten an den Räumen und dem Gebäude müssen dann halt nach und nach erledigt werden. Unter anderem sollen die Schriftzüge „Wefers“ über den Fenstern noch weichen. Was für Jung und Ortmanns aber unbedingt bleiben muss, und wohl auch gar nicht entfernt werden könnte, das ist das Relief der Heiligen Drei König an der nördlichen Fassade. „Auch wenn das Kölner Dreigestirn sicher besser passen würde“, scherzt Jung.

Aber im Ernst: Die Heiligen Drei Könige an der Fassade sind einfach das perfekte Bindeglied zwischen der kirchlichen Tradition des Hauses, dem einziehenden Karneval und dem Dom in direkter Nachbarschaft.