Das Stadtmuseum steht vor einer ungewissen Zukunft. Der Chef des Hauses, Matthias Hamann, spricht im Interview über die Perspektiven.
Zukunft des Stadtmuseums offen„Wir müssen das Museum neu denken“

Mathias Hamann im Kölnischen Stadtmuseum
Copyright: Costa Belibasakis
Vor gut einem Jahr hat das Stadtmuseum seine Interimsausstellung im ehemaligen Modehaus Franz Sauer eröffnet. Wie war die Resonanz bisher?
Im ersten Jahr hatten wir neun Monate geöffnet und 47.087 Besucher, davon mehr als die Hälfte Vollzahler. Dazu kamen weitere 7200 Gäste im Rahmen von Veranstaltungen außerhalb der Öffnungszeiten. Im Durchschnitt haben 6000 Menschen pro Monat unsere Ausstellung besucht. Hochgerechnet sind das rund 70.000 pro Jahr. Wenn das so bleibt, wären es mehr als im Zeughaus, wo wir jährlich etwa 50.000 Gäste hatten.
Wie reagieren die Menschen auf die Ausstellung?
Das Feedback ist intensiv. Das sieht man an den Besucherbüchern und den Zuschriften, die wir bekommen. Die allermeisten sind positiv bis sehr positiv. Es gibt viel Lob für das Ausstellungskonzept, aber natürlich auch kritische Stimmen.
Was wird kritisiert?
Einige bemängeln, die Ausstellung sei zu klein. Gut, sie ist klein. Wir können hier nicht so viele Exponate zeigen wie im Zeughaus. Andere stören sich daran, dass wir gendern. Das ist, wie überall, ein Stein des Anstoßes. Manche sagen, unsere Texte seien zu wenig wissenschaftlich. Aber wir wenden uns ja nicht an ein Fachpublikum, sondern wollen möglichst viele Menschen erreichen. Positiv kommentiert wird weiterhin, dass wir Wert auf Barrierefreiheit legen, dass wir zweisprachig auftreten, mit Texten auf Deutsch und Englisch. Auch die Mitmachstationen und die Medieneinheiten sind sehr beliebt.
Der Interimsstandort an der Minoritenstraße 13 liegt sehr zentral. Kommen Besucher auch zufällig und spontan zu Ihnen?
Ja, das funktioniert. Es ist ja eine Kaufhausarchitektur mit großen Schaufenstern und Glastüren, die zum Reingehen verlocken. Für ein Museum ist das schon gut. Man kommt stufenlos rein, es gibt keine Barrieren. Allerdings bereitet uns das Gebäude auch Probleme.
Inwiefern?
Es ist ein kleines Haus, was dazu führt, dass wir Ausstellungsfläche und Veranstaltungsfläche nicht voneinander trennen können, weil es eine offene Architektur ist. Das heißt, diese Bereiche beeinflussen einander. Wenn unten im Foyer sehr viel los ist, viel Andrang, dann höre ich das bis oben. Veranstaltungen und Ausstellungsbetrieb lassen sich also nicht parallel machen oder nur sehr eingeschränkt. Das ist ein Nachteil.
Wie problematisch sind die klimatischen Bedingungen?
Wir haben keine Schleuse. Wenn Besucher das Museum betreten, bringen sie das Wetter mit, also Feuchtigkeit. Das sorgt im Haus für eine instabile Klimasituation. Das Klima schwankt, und das ist für empfindliche Objekte nicht gut. Wir überlegen, wie wir bei der Klimaanlage noch nachbessern können, aber das ist schwierig in einem Gebäude, das nicht originär als Museum konzipiert war. Besonders empfindliche Werke haben wir durch Vitrinen mit eigener Klimatisierung geschützt.
Beim Modehaus Sauer handelt es sich ja um eine Übergangslösung, und eines Tages soll das Stadtmuseum in ein dauerhaftes Domizil umziehen. Was wünschen Sie sich?
Das Modehaus ist klein, und das Klimathema beschäftigt uns. Viele Bestände können aus Platzgründen nicht präsentiert werden, eine Sonderausstellungsfläche haben wir nicht. Insgesamt haben wir aus Brandschutzgründen bei den Besuchszahlen einen Deckel – es dürfen maximal 200 Personen im Haus sein, inklusive Personal. Das Thema Vermietung, was ja eine Geldeinnahmequelle wäre, funktioniert also nur sehr begrenzt. Wir haben 450.000 Objekte und zeigen davon nur 1,6 Promille. Mit unseren großartigen Beständen bräuchten wir per se mehr Fläche, zumal in einer Stadt mit so einer Geschichte, in der das Stadtmuseum in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz genießt. Es gibt eine Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit, dass sich Köln in seiner historischen Dimension noch einmal anders darstellt.
Wie würde das aussehen?
Da sind wir beim Thema, welche Aufgaben Museen zukünftig haben. Es gab eine Befragung vom Institut für Museumsforschung in Berlin, derzufolge Museen von der Bevölkerung als Orte der Wahrhaftigkeit wahrgenommen werden. Das heißt, die Menschen glauben dem, was ein Museum sagt, mehr als der Politik oder den Medien. Das finde ich total interessant. Wenn ein Museum diese Funktion erfüllen möchte, muss es mehr machen, als Dinge zeigen.
Sondern?
Ich verstehe ein Stadtmuseum nicht als ein Haus, das eine Meinung vorgibt. Das Kölnische Stadtmuseum hat ein unglaubliches Potenzial, nicht nur ein Wissensspeicher, sondern auch ein Dialogort zu seien. Ein Ort, wo man auf Basis der Ausstellung, der Sammlungen, aber auch von Veranstaltungen sagt: Liebe Kölner, hier könnt ihr Dinge diskutieren. Kommt zu uns, wir schauen uns an, was wir hier haben, was Köln früher gemacht hat zu einem Thema. Und was wir davon für die Zukunft lernen können.
Wo soll das Stadtmuseum dauerhaft unterkommen, nachdem der ursprüngliche Plan für den Neubau „Historische Mitte“ aus finanziellen Gründen gescheitert ist? Im Zeughaus?
An einem größeren Ort. Wenn Sie mich persönlich fragen, könnte das im Areal des Zeughauses sein. Zeughaus und Alte Wache wären ein Ort, den man reaktivieren könnte. Aber es ist natürlich ein langer Weg dorthin.
Befürchten Sie, dass es angesichts der Finanznot heißen könnte: Das Modehaus reicht fürs Stadtmuseum doch aus?
Nein. Denn das tut es auf Dauer nicht. Langfristig müssen wir das Stadtmuseum neu denken, unsere jetzige Präsentation bildet dafür eine Art Labor. Die Frage nach einem größeren dauerhaften Domizil und wie man es finanziert, ist das eine. Eine zweite Frage ist, wo sind Ausstellungsorte? Auch das ist eine Herausforderung, die wir schnell lösen müssen. Wir haben hier keine Flächen, wenn wir andere Aspekte der Stadtgeschichte zeigen wollen.
2028 jährt sich die große Pressa-Ausstellung zum hundertsten Mal, Thema Medienstandort Köln. Dazu sollte es eine große Ausstellung geben. Wenn man das vorbeigehen lässt, ist man nicht gut beraten. So eine Schau kann man weder im Zeughaus machen, noch im Museum für Angewandte Kunst. Das müsste an einem größeren Ort sein, zum Beispiel im Kulturzentrum am Neumarkt.
Würden Sie den Sonderausstellungsraum dort gerne bespielen?
Es gibt bereits Überlegungen im Kulturdezernat, unter den Museen, in der Politik, wie wir diesen Ort gemeinsam stärker nutzen könnten: das Rautenstrauch-Joest-Museum, das Museum Schnütgen, das Stadtmuseum und andere. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir ab 2027 dort Sonderausstellungen zeigen.
Und das Zeughaus? Wie geht es dort weiter? Es sollte ja mal vor der Sanierung übergangsweise für Kunst und Kultur genutzt werden.
Dazu gibt es noch keine Entscheidung. Wir haben einen Antrag gestellt bei der Kulturstiftung des Bundes im Projekt „Übermorgen – Neue Modelle für Kulturinstitutionen“ und hoffen auf Fördergelder für die Erstellung eines Zukunftskonzepts für das Zeughaus.
Die Frage ist: Was ist dort sinnvoll? Wie kann es funktionieren? Ich glaube, was immer man im Zeughaus macht – wir als Stadtmuseum oder jemand anders: Es braucht fundierte Überlegungen dazu. Diese Immobilie ist, geschichtlich gesehen, viel zu wertvoll, als dass man da mit einem falschen Konzept rangehen darf. Es braucht eine gute Überlegung dafür. Und irgendwann braucht es dafür Geld. Aber Schnellschüsse machen keinen Sinn.