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Tanz im SchauspielhausKlassisches Ballett mit zeitgenössischen Elementen

Lesezeit 2 Minuten
Bedrohlich und voller Dynamik: das (La)Horde-Ensemble in einer Szene aus „Lazarus“.

Bedrohlich und voller Dynamik: das (La)Horde-Ensemble in einer Szene aus „Lazarus“.

Eine Choreographie in vier Teilen im Depot 1 des Schauspielhauses Köln: Das französische Kollektiv (La)Horde zeigt beim Tanzgastspiel seine vielseitige Leistungsschau.

Es beginnt in bordeauxroten Jumpsuits und endet in weißen Joggern. Dazwischen liegen zwei Stunden mit vier Stücken, die so unterschiedlich sind wie die Kostüme der Tänzer und Tänzerinnen, und die doch eines gemeinsam haben: Sie schöpfen aus dem Bewegungsrepertoire des klassischen Balletts, erweitern es jedoch um zeitgenössisches Bewegungsvokabular, Posen und weitere Gestaltungselemente. Das Gastspiel des französischen Kollektivs (La)Horde begeisterte an zwei ausverkauften Abenden im Depot 1 des Schauspiels Köln. Das bereits erprobte Tourneeprogramm zeigte eine Leistungsschau von (La)Horde, zusammengefügt aus vier verschiedenen Choreographien.

„Tempo Vicino“ von Lucinda Childs zur Musik des Minimalisten John Adams ist vor allem ästhetisch und technisch ein Genuss, in Jumpsuits und Schläppchen von einer Achtergruppe ganz klassisch getanzt entlang geometrischer Linien mit viel Petit Allegro und eleganten Hebefiguren. „Wir können auch klassisch“, betont dieses Intro.

Das Kunstkollektiv (La)Horde, 2013 gegründet, stellt seit 2019 die Tanzkompanie des Ballet National de Marseille und tritt international mit Performances und Festival-Beiträgen in Erscheinung. Video, Performance und bildende Kunst sind Teil der Darbietung, der Tanz ist jedoch der Kern und Kristallisationspunkt.

„One of four periods in time (ellipsis)“ von Tânia Carvalho nimmt die feine Fußtechnik und klassische Positionen auf, hinterfragt sie aber durch Stereotypien, groteske Posen und verzerrte Gesichter und rollenden Augen. Die Kompagnie beginnt auf roten Socken im Mesh-Kleid, das abgeworfen wird wie überkommende Konventionen, die 15 Tänzer finden sich zu lebenden Tableaus zusammen, treiben mit kraftvollen präzisen Bewegungen auseinander zu Wimmelbildern.

Wechsel von Weiß in Schwarz

Nach der Pause wechselt die Bühnenfarbe von reinem Weiß auf reines Schwarz und Lasseindra Ninjas „Mood“ führte ins Nightlife. Drei Männer in goldglitzernden Catsuits tanzen in der Mitte eines weißen Lichtkegels, Frauen kreiseln nur mal an der Tangente vorbei. Das „voguen“, der sinnliche Tanz mit dramatischen Posen und viel Körperbetonung, steht hier im Mittelpunkt, Geschlechterklischees werden bedient und zugleich aufgehoben, wenn weiß uniformierte Disco-Queens hereintanzen und in der nächsten Szene die Kompagnie einheitlich im pinken Harness und Body erscheint. Mann, Frau, queer, mit oder ohne Fetisch, egal, Hauptsache Spaß, doch es wird in dieser hedonistischen Clubwelt nebeneinander getanzt, nicht miteinander. Ein ausdrucksstarkes Solo thematisiert diese Vereinzelung.

Im Übergang zum finalen Stück kleiden sich die Paradiesvögel um, tragen nun Jogginghosen und T-Shirts, legen sich zur Ruhe und erwachen direkt zu Oona Dohertys „Lazarus“, dem Exzerpt eines längeren Stücks. Musikdialog- und Geräuschfetzen erklingen, die Gruppe agiert im Street-Style zwischen Aggression und Verteidigung, ist gemeinsam stark oder verschüchtert. Von Ballett bis Punk – eine vielseitige Leistungsschau und damit ein kurzweiliger Abend.