Köln – Vier Jahre brauchte John Kemp Starley. Da war sein Rover Safety Bicycle soweit ausgereift, dass es die Fortbewegung revolutionierte. Das Hochrad war verdrängt. Das Fahrrad heutigen Typus geboren. Seinen Siegeszug trat das Rover 1884 mit Hilfe eines aufsehenerregenden Triumphes bei einem von Starley organisierten Radrennen zwischen London und Brighton an. Wenn man so will, der erste Radschnellweg.
Was würde der Vater des modernen Fahrrades wohl sagen, erführe er von dem Radschnellweg zwischen Köln und Frechen. Seit sieben Jahren wird an dem nun gearbeitet. Theoretisch. Realisiert ist noch nichts. Das wird noch Jahre brauchen. Fünf? Mindestens. Eine Prognose wagt keiner mehr. Starley musste sich damals gegen Skeptiker durchsetzen, die Hochradlobby und die Polizei, die sein Rennen verbieten wollte. Der Schnellradweg Köln-Frechen hat nur einen Gegner: die Bürokratie.
6000 Fahrten am Tag möglich
6000 Fahrten am Tag. So viele könnte der Schnellradweg – auf der Internetseite des Landes als „Super-Highway“ bezeichnet – aufnehmen. „Und dabei geht es nicht nur um Menschen, die schon jetzt bevorzugt mit dem Fahrrad unterwegs sind“, sagt Christian Hölzel vom Kölner Kreisverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Untersuchungen hätten gezeigt, der Weg würde gerade Berufspendler zum Umsteigen vom Auto aufs Rad motivieren. Gute Argumente für das Projekt.
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Das fand auch die Landesregierung. Die stellte den Schnellradweg 2013 in einem landesweitem Wettbewerb mit aufs Siegertreppchen. Die Finanzierung der Machbarkeitsstudie war damit gesichert. Der Streckenverlauf war unstrittig. Endpunkte: Uni Köln und der Bahnhof in Frechen. Hauptroute auf Kölner Stadtgebiet: Die Bachemer Straße. Bis 2017 ging es gut voran. Ein Arbeitskreis war gebildet, die Studie ausgearbeitet und vorgestellt. „Doch dann kam lange nichts mehr“, sagt Hölzel.
Wo hakt es?
Stephanie Dietz weiß, was dem Projekt den Wind aus den Segeln nahm. Seit zwei Jahren ist sie als Abteilungsleiterin für Straßenplanung bei der Stadt Köln für den Radschnellweg zuständig. „2016 hat die Landesregierung das Straßen-Wege-Gesetz geändert“, sagt sie. Schnellradwege wurden damit den Landstraßen gleich gesetzt. „Man wollte so eine höhere Wertigkeit erreichen“, so Dietz. Und schuf doch nur einen bürokratischen Hemmschuh. Um den abzustreifen wurde vereinbart: „Köln kümmert sich ab sofort federführend“, berichtet Dietz. Zwei Jahre waren schon mal weg.
Also ist der Schuldige gefunden? Das Land. Leider nur ein Teil der Wahrheit. Im September 2019 landete die Vorentwurfsplanung für die 8,4 Kilometer lange Strecke auf den Tischen des Verkehrsausschusses. Es ging nicht zuletzt um die zahlreichen Kreuzungspunkte mit der Bachemer Straße. „Aus der Politik kamen 16 Prüfungsanträge, sehr detaillierte“, sagt Dietz. Wirklich aus der Politik?
Verbesserungsvorschläge notwendig
Hölzel vom ADFC sagt: „Die Bezirksvertretung Lindenthal hatte uns eingeladen. Wir sollten Verbesserungsvorschläge zu den Vorentwürfen machen.“ Die 16 Vorschläge gingen über die Bezirksvertretung in den Verkehrsausschuss. „Das ist in Ordnung“, versichert Dietz. „Die Verbände sollen sich ja einbringen. Zur Wahrheit gehört aber auch, das hat uns ein Jahr gekostet.“ Hölzel erwidert: „Die Verwaltung hätte das schneller haben können. Sie hätte uns direkt mit einbinden sollen.“
Die Verbesserungsvorschläge wurden geprüft und acht für gut befunden. Bei den anderen acht wollte die Verwaltung an ihren Varianten festhalten, beispielsweise an der komplexen Kreuzung der Bachemer mit der Hans-Sachs-Straße. „Wir fordern dort einen Kreisverkehr“, sagt Hölzel. Dietz hält entgegen: „In einem Kreisverkehr kann ich dem Fahrradfahrer keinen Vorrang einräumen, das geht nur mit einer Ampel.“ Es gab ein Gespräch mit den Fachverbänden. Es gab einen Verkehrsausschuss. Nun wird es doch ein Kreisverkehr. „Wir haben nachgegeben. Dafür haben wir jetzt einen mehrheitlichen Beschluss und können mit der Entwurfsplanung beginnen“, sagt Dietz.
Es geht also endlich los?
Es geht also endlich los? Kommt drauf an, womit. Mit der Umsetzung? Nein. Mit einem bürokratischen Marathon? Ja. Rund ein Jahr rechnet Dietz für die Entwurfsplanung. Danach geht es zur Bezirksregierung. Die muss die Pläne absegnen, die sogenannte Planfeststellung. Wie lange? „So rund anderthalb Jahre, das hängt davon ab, wie groß der Bearbeitungsstau bei der Bezirksregierung ist“, sagt Dietz. Dann kommt die Ausführungsplanung. „Dafür rechne ich mit nochmals rund einem Jahr.“ Und dann?
„Ausschreibung und Vergabe. Über den Daumen ein weiteres Jahr.“ Das war’s? „Nein, zwischendurch muss das Land die Planung noch testieren. Die Novellierung des Straßen-Wege-Gesetzes, Sie erinnern sich, da steht das drin, das ist neu, da kann keiner sagen, wie lange das dauert.“ Dem offen stehenden Mund ihres Gegenübers kann sie nur schulterzuckend entgegen: „Ich weiß, das ist Bürokratie pur. Das kann da draußen keiner verstehen.“
Gibt es eine Prognose?
In Summe also viereinhalb Jahre plus x für die Testierung. Wann wird der Schnellradweg denn nun fertig? „Das ist seriös nicht zu beantworten. Wir hoffen, Teilabschnitte vorziehen zu können. Die müssen aber über den Schnellradweg hinaus eine verkehrliche Bedeutung haben, sonst gefährden wir die Förderfähigkeit.“ Und aus eigener Tasche könne Köln die kalkulierten rund 38 Millionen Euro nicht aufbringen, warnt die Abteilungsleiterin.
„Wann der Schnellradweg fertig wird? Ich traue mir da keine Prognose mehr zu“, sagt Hölzel. Das ganze sei doppelt bitter. „Köln-Frechen ist nur eine wichtige Pendlerroute. Es bräuchte noch viel mehr solcher Schnellradwege. Aber das packt doch keiner mehr an, wenn noch nicht einmal der erste abgearbeitet ist“, sagt der Fahrradexperte.Gut, dass John Kemp Starley 1884 von alledem nichts wissen konnte. Er hätte seine Entwürfe für das Rover Safety Bicycle wohl zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. „Hat doch eh keinen Zweck“, hätte er wohl gesagt.