Vier Männer müssen sich vor dem Kölner Gericht verantworten. Die Tat soll aufgrund von Schulden und einer belastenden Aussage des Opfers motiviert gewesen sein.
Tat im Mülheimer HafenProzess nach mutmaßlicher Ermordung eines 15-Jährigen startet mit Tumult
Als der erste Angeklagte (19) von einem Justizwachtmeister in den Saal 210 des Justizzentrums geführt wird, bricht wütendes Wehklagen los. Die Mutter eines mutmaßlich ermordeten 15-Jährigen macht den Anfang, weitere Angehörige und Bekannte im Zuschauerbereich stimmen mit ein und stoßen auch Beleidigungen gegen die Angeklagten aus. Aufgeregt funkt der Wachtmeister, der zunächst allein auf weiter Flur steht, nach Verstärkung. Der Vorsitzende Richter Ansgar Meimberg versucht, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen. Als die Verstärkung schließlich anrückt, ordnet Meimberg die Räumung des Saals an. Erst nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt hatten, konnten alle an ihre Plätze zurückkehren. Der Prozess begann wegen des Tumults mit mehr als halbstündiger Verspätung.
Anklage: Planung und Durchführung gemeinschaftlichen Mordes
Die Vorwürfe gegen den 19-Jährigen, zwei 20-Jährige und einen 27-Jährigen wiegen schwer. Aus niedrigen Beweggründen „Wut und Rache“, so Oberstaatsanwalt Bastian Blaut bei der Anklageverlesung, sollen die Angeklagten einen gemeinschaftlichen Mord geplant und begangen haben. Zudem wird den vier Männern Freiheitsberaubung mit Todesfolge zur Last gelegt. In der Nacht auf den 10. März sollen zunächst der 27-Jährige und der 19-Jährige das spätere Opfer unter Vorhalt einer Schusswaffe aus der Kneipe „Zum Krug“ in der Andreasstraße entführt haben. „Von dort brachten sie ihr Opfer in das fußläufig erreichbare Gebiet des Mülheimer Hafens“, sagte Blaut. Über die „Katzenbuckel“ genannte Fußgängerbrücke über der Hafeneinfahrt sei der 15-Jährige auf die Mülheimer Insel in abgelegenes Areal geführt worden. Dort seien dann auch die beiden 20-Jährigen zu der Gruppe gestoßen. Dem Tatplan folgend, sollen die Beschuldigten den Jungen dort mit acht Messerstichen — vier in den linken Oberschenkel und vier in den Oberkörper — getötet haben. Anschließend hätten die drei Deutschen und der 27-jährige Türke „das von ihnen bis auf die Unterhose entkleidete Opfer am Gehwegrand nahe des Hafenbeckens“ abgelegt. Die Kleidung sei mitgenommen und später an einem anderen Ort verbrannt worden, um Spuren zu vernichten.
Toter vom Mülheimer Hafen: Es ging um 700 Euro
Als Motiv nennt die Anklage Schulden in Höhe von 700 Euro, die der 15-Jährige bei den Angeklagten gehabt habe. Schulden, die aus Drogengeschäften stammen sollen. Zudem soll der 15-Jährige rund einen Monat vor seinem brutalen Tod vor dem Kölner Amtsgericht zwei der Angeklagten belastet haben. Mit der Aussage habe sich der 15-Jährige, der selbst in dem Prozess wegen Handels mit Marihuana angeklagt war, „eine mildere Strafe“ verschaffen wollen, hieß es in der Anklageschrift weiter. Jan Victor Khatib, Nebenklageanwalt der Eltern und der Schwester des Opfers, sagte am Dienstag am Rande des Prozesses: „Ich bin der Auffassung, der Verstorben hatte sich entschieden, aus dem Betäubungsmittel-Sektor auszusteigen. Und das ist ihm zum Verhängnis geworden.“ Für einen endgültigen Schlussstrich mit der Szene, habe das für den 15-Jährigen auch bedeutet, vor Gericht auszusagen, „und auch Namen zu nennen“, so Khatib.
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Der 19-jährige Angeklagte machte zunächst keine Angaben. Über seine Anwältin Pantea Farahzadi kündigte er aber eine Einlassung an einem kommenden Prozesstag an. Die anderen drei Angeklagten bestritten über ihre Verteidiger einen gemeinsamen Mordplan. Der 27-jährige Türke ließ Verteidiger Ingmar Rosentreter erklären: „Wir wollten ihm doch nur Angst machen und dann in Ruhe lassen.“
Plötzlich stach der 19-Jährige zu
Doch der 19-jährige Deutsche habe dem Jungen mit einem Messer plötzlich ins Bein gestochen, später dann auch in die Brust. Er sei zwar in der Nähe gewesen, sei von der Tat des 19-Jährigen aber selbst überrascht worden, hieß es in der Einlassung des 27-Jährigen weiter. Der Mann betonte ausdrücklich, dass die beiden 20 Jahre alten Mitangeklagten nicht bei den Geschehnissen am Hafen dabei gewesen seien. Die beiden 20-jährigen Deutschen bestritten über ihre Verteidiger Markus Haupt und Bernhard Scholz eine Tatbeteiligung. „Von der Entführung hatte ich keine Kenntnis, und die hätte ich auch nie in Erwägung gezogen“, sagte Haupt für seinen 20-jährigen Mandanten. Dieser räumte aber ein, dass er später jenen Grillanzünder in einer Tankstelle gekauft habe, mit dem die Kleidung des Opfers in Brand gesteckt worden sei.
Der Prozess wird fortgesetzt. Weitere 16 Verhandlungstage bis Mitte Januar 2025 sind terminiert.