AboAbonnieren

Gegen das Erzbistum KölnMissbrauchsopfer fordern Schadenersatz – Prozesse vor Landgericht

Lesezeit 3 Minuten
Ein Priester wirft einen Schatten auf dem Asphalt.

Die inzwischen 38-Jährige fordert 800.000 Euro wegen eines mehr als 30 Jahre lang zurückliegenden Missbrauchsfalls.

Das Landgericht Köln prüft eine Schadenersatzklage gegen das Erzbistum Köln wegen Missbrauchs durch einen Messdienerleiter. Zum Zeitpunkt des Missbrauchs 1992 war das Opfer erst sechs Jahre alt.

Vor dem Landgericht Köln werden am 25. März gleich zwei Schmerzensgeldklagen gegen das Erzbistum Köln verhandelt. Das bestätigte am Dienstag der Bonner Rechtsanwalt Eberhard Luetjohann, Anwalt der beiden Klägerinnen. Im ersten Fall fordert eine inzwischen 38-Jährige 800.000 Euro wegen eines mehr als 30 Jahre lang zurückliegenden Missbrauchsfalls durch den damaligen Leiter einer Messdienergruppe.

Die Frau ist nach früheren Medienberichten eine von acht Betroffenen, die von dem damals 17- bis 18-jährigen Messdiener-Gruppenleiter im rechtsrheinischen Köln missbraucht wurden. Der Fall ist im vom Erzbistum veranlassten Gutachten der Kölner Anwaltskanzlei Gercke Wollschläger unter Nr. 167 dokumentiert. Die Klägerin ist wegen der Tatfolgen bis heute in medizinischer Behandlung.

Opfer zum Zeitpunkt des Missbrauchs sechs Jahre alt

Zum Zeitpunkt des Missbrauchs 1992 war sie erst sechs Jahre alt, also noch nicht Messdienerin. Der Gruppenleiter wollte ihr und anderen kleinen Mädchen aber angeblich die Abläufe beim Gottesdienst erklären. Zudem gab er seinen Opfern teils sogenannte Nachhilfestunden. 1998 wurde er zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Nach Luetjohanns Darstellung wäre es viel früher möglich gewesen, ihn zu stoppen. Schon Anfang der 1990er Jahre geriet der junge Mann unter Verdacht. Kinder, die ihn belastet hatten, zogen demnach aber ihre Aussage zurück – unter dem Druck von Eltern und, wie Luetjohann meint, auch indirekt des Erzbistums. Davon steht im Gercke-Gutachten nichts.

Die Klägerin hat bereits 2011 eine Anerkennungsleistung beantragt und auch erhalten. In einem am Montag zugestellten Hinweisbeschluss hat das Landgericht Köln den beiden Parteien mitgeteilt, dass die Kammer eine Haftung des beklagten Erzbistums dem Grunde nach sieht. Demnach habe der Leiter der Messdienergruppe als Verwaltungshelfer des Erzbistums gehandelt. Die Leitung der Messdienergruppe sei als öffentliches Amt einzuordnen, eine Aufgabe, die dem seelsorgerischen Bereich zuzuordnen sei, heißt es in dem Hinweisbeschluss. Dass der Leiter kein Angestellter des Erzbistums war, stehe nach Auffassung der Kammer einer Haftung des Erzbistums nicht entgegen. Der Mann sei bei der Aufsicht und Leitung der Messdiener an die Weisungen des zuständigen Pfarrers oder anderer Amtsträger gebunden gewesen, so das Gericht, quasi als „verlängerter Arm“ des Pfarrers. Dies sei vergleichbar mit der Übertragung einer Pausenaufsicht auf Schüler. Somit sei das beklagte Erzbistum passivlegitimiert. Dies gelte aber nur in Bezug auf Taten, die der Gruppenleiter in Ausübung seines Amtes verübt habe, nicht aber für den Missbrauch der Klägerin in deren Elternhaus. In diesen Fällen sei eine Amtshaftung ausgeschlossen.

Messdiener handelt als „verlängerter Arm“

Unerheblich sei, ob Amtsträger des beklagten Erzbistums selbst Aufsichtspflichten verletzt hätten. Das beklagte Erzbistum hat laut dem Hinweisbeschluss die Begehung von zwei Missbrauchsfällen eingeräumt. Die Klägerin behaupte, deutlich öfter von dem Jugendleiter missbraucht worden zu sein. Nach allgemeinen Grundsätzen, so das Gericht, trage die Klägerin die Beweislast für ihre Behauptungen, dies gelte auch für die behaupteten Folgen der Taten. Das Erzbistum hat jetzt drei Wochen Zeit für eine Stellungnahme.

In dem zweiten Fall geht es um die Pflegetochter des 2022 wegen mehrfachen Missbrauchs zu zwölf Jahren verurteilten früheren Priesters U.. Sie war von 1980 bis 1985 in seiner Obhut mehrfach vergewaltigt worden. Die heute 57-Jährige verlangt vom Erzbistum Köln rund 850.000 Euro. In dem Verfahren geht es um die grundsätzliche Frage, ob die Amtshaftung des Erzbistums nicht nur den dienstlichen, sondern auch den privaten Bereich eines Priesters umfasst. (kmü/rn)