Köln – Fünf Jahre. Die liegen zwischen dem Vollzeitjob als Disponent einer Spedition und dem Leben als Alkoholiker auf der Platte. Angefangen hat alles mit den Feierabendbierchen. „Und klar, am Wochenende haben wir es richtig krachen lassen“, sagt Arno B. (Name geändert). Er verliert seine Arbeit, die Ehe zerbricht, er übernachtet in Notschlafstellen, wiegt nur noch 52 Kilo. „Vor dem Absturz waren wir eine normale bürgerliche Familie, mitten in Sülz“, sagt er.
Heute ist Arno B. 62 Jahre alt. Er trägt eine Arbeitshose und ein helles Jeanshemd – seine Arbeitskleidung für die Möbelhalle des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM) an der Florastraße. Dass er wieder arbeiten kann, verdanke er „den Leuten hier, vom SKM“, sagt er.
Damit Langzeitarbeitslose wieder arbeiten können
38 langzeitarbeitslosen Männern und Frauen macht der SKM derzeit ein niederschwelliges Beschäftigungsangebot, über das sie wieder Tritt fassen können. Finanziert aus Bundesfördermitteln, über deren Höhe derzeit diskutiert wird. Zahlreiche Träger von Wiedereingliederungsmaßnahmen dagegen plädieren für eine Erweiterung des Förderkonzeptes. Im Zuge der Protest-Aktion „#dauerhafterLockdown“ werben sie dafür, ehemals langzeitarbeitslose Menschen auf einem zweiten, sozialen Arbeitsmarkt in eine dauerhafte Beschäftigung zu bringen (siehe Kasten).
„Mindestens fünf Jahre lang arbeitslos ist jeder, der an unseren Fördermaßnahmen teilnimmt“, sagt Claudia Litzinger, Geschäftsführerin von De Flo in Nippes. „Viele der Menschen haben eine Suchterkrankung hinter sich, sind psychisch beeinträchtigt oder haben auf der Straße gelebt.“
Fördermaßnahmen und Protest-Aktion #dauerhafter Lockdown
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Menschen in Köln sind derzeit als langzeitarbeitslos gemeldet (Stand Juni 2022). Die Dunkelziffer ist aber höher, weil nicht alle Langzeitarbeitslosen den Kontakt zu den Behörden halten können, so eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit. Als langzeitarbeitslos gelten Menschen, die mindestens zwölf Monate ohne Arbeit sind.
38,2
Prozent der von Juli 2021 bis Juli 2022 langzeitarbeitslos gemeldeten Menschen haben in diesem Zeitraum eine Fördermaßnahme durchlaufen.
Die Förderung nach Paragraf 16i Sozialgesetzbuch richtet sich an Menschen, die viele Jahre lang Arbeitslosengeld II (Hartz IV) bezogen haben und die zudem besonderen persönlichen Belastungen ausgesetzt waren oder sind. Dazu zählen etwa Suchterkrankungen, psychische Probleme oder belastende Lebensverhältnisse. In der niederschwelligen Beschäftigungshilfe des SKM, De Flo, gibt es so geförderte 38 Plätze. Der SKM ist einer von zahlreichen Trägern solcher Maßnahmen.
806
Langzeitarbeitslose werden derzeit über die Maßnahme 16i SGBII gefördert. Das Angebot gibt es seit Januar 2019. Seitdem haben 1508 Menschen in Köln die Maßnahme durchlaufen oder sind noch mittendrin.
62
Prozent der Teilnehmenden waren bei Beginn der Fördermaßnahme zwischen 35 und 54 Jahre alt, sieben Prozent waren 25 bis 34 Jahre, 32 Prozent waren älter als 55 Jahre. Knapp zwei Drittel der Teilnehmenden sind Männer (63 Prozent).
#dauerhafterLockdown haben die Initiatoren ihre Protest-Kampagne genannt. Denn langzeitarbeitslose Menschen blieben oft ihr Leben lang außen vor. Die Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit und die Diözesan-Arbeitsgemeinschaften im Caritasverband für das Erzbistum Köln fordern deshalb, einen integrativen sozialen Arbeitsmarkt zu etablieren, der den Betroffenen und ihren Familien eine verlässliche soziale Teilhabe und ein Arbeitsleben ermögliche. (bos)
www.dauerhafter-lockdown.de
Die Beschäftigungsinitiative De Flo macht ihnen ein niederschwelliges Angebot bei dem sie langsam einen geregelten Tagesablauf einüben und lernen, wieder einige Stunden lang bei der Arbeit durchhalten.
Das versucht auch Arno B. zu schaffen. Zuerst arbeitet er sporadisch in einer Beschäftigungsmaßnahme. 1,80 Euro gibt es pro Stunde. Und den Kontakt zu Menschen, die ihn ermutigen. Er beginnt zu kämpfen, erleidet Rückfälle. Und kommt immer wieder.
Wer den ersten Schritt geschafft hat, kann sich über die Fördermaßnahme 16i (siehe Infotext) weiter qualifizieren. 38 Plätze gibt es bei De Flo, sechs Anleiter schulen in Sache Renovierung, Schreinerei, Entrümplung oder Grünpflege, die Anforderungen richten sich nach dem Vermögen der Teilnehmenden. „Viele brechen ab, kommen ein zweites, drittes Mal wieder, bis es dann endlich klappt“, sagt Claudia Litzinger.
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Fünf Jahre lang darf man an der Fördermaßnahme teilnehmen. Dann ist Schluss. Doch den hohen Anforderungen des regulären Arbeitsmarktes seien viele der Klienten einfach nicht gewachsen. Und einfache Tätigkeiten gebe es immer weniger, so Litzinger. „Die Menschen sind dann völlig entmutigt, ohne Arbeit fallen sie zurück in Hartz-IV-Bezug, und manche auch in ihre alten Probleme.“
„Wir bringen immer wieder Menschen bei sozialen Trägern oder Kooperationspartnern unter“, sagt Litzinger. Aber da gebe es auch nur begrenzt Arbeitsplätze. Viele blieben dauerhaft ausgeschlossen. Arno B. ist einer der wenigen, die Glück gehabt haben. Auch er hat es versucht, sich als Verkäufer beworben. Da war er 60 Jahre alt. Doch auch seine jahrelange Erfahrung in der Markthalle des SKM hat ihm nichts genutzt. Keines der angeschriebenen Unternehmen hat ihn genommen.