Bei Ausgrabungen im Bale-Mountains-Nationalpark haben Kölner Forscher Zeugnisse einer eindrucksvollen Kultur entdeckt.
Die Menschen mussten dort mit eisiger Kälte, geringer Sauerstoffkonzentration und hoher UV-Strahlung klar kommen.
Trotzdem soll es ihnen gelungen sein, über viele Jahrtausende dort zu überleben.
Die Ergebnisse der Forscher im Überblick.
Weitaus früher als bisher gedacht haben Steinzeitmenschen lebensfeindliche Gebirgsregionen besiedelt. Wie Forscher der Universität zu Köln herausfanden, lebten schon vor rund 40 000 Jahren Jäger und Sammler unter widrigsten Bedingungen in einer Berglandschaft im heutigen Äthiopien.
Bei Ausgrabungen im Bale-Mountains-Nationalpark unter deutscher Leitung wurden Zeugnisse dieser Kultur entdeckt, die eindrucksvoll belegen, wie anpassungsfähig die Menschen waren.
Leben in 4300 Meter Höhe
Die Gipfel dieses Gebirges sind bis zu 4300 Meter hoch, das Gebiet war damals von gewaltigen Gletschern überzogen. Die Menschen mussten dort mit eisiger Kälte, geringer Sauerstoffkonzentration und hoher UV-Strahlung klar kommen. Trotzdem sei es ihnen gelungen, über viele Jahrtausende dort zu überleben, schreibt Dr. Götz Ossendorf vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Uni Köln in einer Studie, die im Magazin „Science“ veröffentlicht wurde.
In rund 3500 Metern Höhe, etwa 700 Meter unterhalb des Gletschers führten die Wissenschaftler in dem Felsüberhang „Fincha Habera“ Grabungen durch, die zahlreiche Hinterlassenschaften der Steinzeitmenschen zu Tage förderten – darunter Knochen- und Holzkohlenreste sowie scharfkantige Werkzeuge aus Obsidian, auch Vulkanglas genannt. „Basierend auf den radiometrischen Datierungen verschiedenster archäologischer Materialien handelt es sich bei dieser Fundstelle um die früheste längerfristig genutzte Wohnstätte einer Hochgebirgsregion, die uns bisher weltweit bekannt ist“, betont Ossendorf.
Der Felsüberhang diente den Siedlern als Basislager. Von hier aus brachen sie zur Jagd auf, sie tranken Schmelzwasser vom Gletscher und suchten nach dem begehrten Obsidian, aus dem sie Speerspitzen, Messer und andere Werkzeuge herstellten. Die Forscher konnten nachweisen, dass sich die Jäger und Sammler das Obsidian aus über 4200 Metern Höhe in unmittelbarer Nähe der Gletscher beschafften.
Ein „außergewöhnlicher Einblick“
Der Speiseplan der Steinzeitmenschen war aus heutiger Sicht sehr speziell. Sie ernährten sich hauptsächlich von Riesenmaulwurfsratten (lateinisch: Tachyoryctes macrocephalus), die sie über dem offenen Feuer grillten. Die Forscher fanden in den archäologischen Schichten aus dieser Zeit zahlreiche Unterkieferknochen dieser Nagetierart, die in der Region in Höhen zwischen 3000 und 4150 Metern heimisch ist. Wie Dr. Götz Ossendorf berichtet, lebten die Menschen damals vermutlich in kleinen Gruppen von 20 bis 25 Leuten in dem Hochgebirge. Man wisse nicht, warum sie diese unwirtliche Gegend so früh besiedelt hätten. „Vielleicht war es schlicht Neugier.“ Die Riesenmaulwurfsratten seien dort zahlreich vorhanden und einfach zu jagen gewesen.
Möglicherweise hätten die Steinzeitmenschen schon damals Vegetation abgebrannt, um den Lebensraum der Tiere – eine Art Heideland – zu vergrößern und so ihre eigene Nahrungsgrundlage zu sichern. „Wir haben es mit Homo sapiens zu tun“, so Ossendorf. Die Wissenschaftler haben auf dem Berg auch ein Straußenei gefunden – einen Beleg dafür, dass die Menschen damals bereits mit Bewohnern der Ebenen im Austausch standen, denn Strauße kommen in der Bergregion nicht vor. Laut Ossendorf geben die Siedlungsspuren „einen außergewöhnlichen Einblick, was für ein enormes Anpassungspotenzial der Mensch hatte, um sich körperlich, aber auch kulturell-strategisch auf seinen Lebensraum einzustellen“. Die Studie ist Teil eines internationalen und interdisziplinären Forschungsprojektes unter Leitung der Universität Marburg mit Wissenschaftlern aus Köln, Bern, Halle-Wittenberg, Rostock, Bayreuth und Addis Abeba.