Der Transport der Petersglocke in die Kathedrale erforderte eine logistische Meisterleistung. Ein neuer Teil unserer Serie zum 100. Geburtstag der berühmten Kölner Glocke.
Serie zum 100.JubiläumEin Dompfeiler stand dem „Decke Pitter“ im Weg
Tausende begeisterte Kölnerinnen und Kölner säumten im November 1924 die Straßen der Stadt, um den Weg des „Decke Pitter“ vom Rheinauhafen bis zum Domplatz zu verfolgen. Nach dem Guss des Meisterwerks in Apolda (Thüringen) im Mai 1923 hatte die Gießerei Ulrich angesichts der galoppierenden Inflation zunächst die Herausgabe der fertigen Petersglocke verweigert und 5000 Dollar zusätzlich verlangt. Daraufhin gründete sich in Köln ein Verein, der bis Dezember 1923 die geforderte Summe aufbrachte.
Danach galt es die nächste Herausforderung zu meistern – den Transport über mehr als 400 Kilometer nach Köln. Erst nach langen Vorbereitungen wurde die 24 Tonnen schwere Glocke am 10. November 1924 auf die Reise geschickt.
Der Dicke Herkules hob den Decke Pitter vom Waggon
Drei Tage später, am 14. November 1924, traf der Decke Pitter auf einem eigens dafür konstruierten Eisenbahnwagen der Deutschen Reichsbahn im Rheinaufhafen ein. Denn nur dort gab es in Köln einen Kran, der stark genug war, den bronzenen Koloss anzuheben. Der „Herkules“, auch „dicker Herkules“ genannt, war 1897 in Betrieb gegangen, heute steht er unter Denkmalschutz. Gebaut von der Firma Stuckenholz aus Wetter an der Ruhr, wurde er anfangs von sechs Männern mit reiner Muskelkraft betrieben. 1906 erhielt er einen Elektroantrieb. Mit seiner Tragkraft von 30 Tonnen konnte der Herkules den Decke Pitter ohne viele Umstände von dem Waggon auf einen Tieflader heben. Auf diesem legte die mit Blumen und Buchsbaum-Girlanden geschmückte Glocke das letzte Wegstück bis zum Dom zurück.
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Nach damaligen Zeitungsberichten sollen rund 30 000 bis 40 000 Menschen den Transport durch Köln verfolgt haben. Einen kurzen Eindruck von der Triumphfahrt des Decke Pitter kann man sich anhand von historischen Filmsequenzen verschaffen – zu sehen im Dokumentarfilm „Das alte Köln in Farbe“ von Hermann Rheindorf.
Am 30. November 1924 weihte Erzbischof Kardinal Joseph Schulte die Glocke vor dem Dom auf den Namen des heiligen Petrus, Patron des Kölner Doms. Damit die riesige Menschenmenge ihn verstehen konnte, kamen erstmals Lautsprecher zum Einsatz. Wegen ihrer enormen Ausmaße (3,20 Meter Höhe und 3,22 Meter Breite) passte die Glocke nicht durch die 1,84 Meter breiten Türen. Deshalb musste der Mittelpfeiler des Hauptportals mitsamt der Statue der heiligen Maria ausgebaut werden.
Bis der Decke Pitter im Glockenstuhl in 53 Metern Höhe angekommen war, vergingen Wochen. An Heiligabend 1924 sollte er zum erstem Mal läuten. Bei der Premiere setzte der elektrische Antrieb die Glocke zwar wie gewünscht in Bewegung, doch bereits nach drei Schlägen riss das Antriebsseil. Monatelang musste an dem Mechanismus gefeilt werden. Am 10. Oktober 1925 fand schließlich das erste feierliche Läuten mit allen Domglocken statt.
Anders als ihre Vorgängerin, die Kaiserglocke, wurde der Decke Pitter im Zweiten Weltkrieg nicht für die Rüstung beschlagnahmt. Das Domkapitel hatte sich an Albert Speer, Reichsminister für Bewaffnung und Munition, gewandt und auf die außerordentliche musikalische, technische sowie historische Bedeutung der Glocke hingewiesen. Mit Erfolg. Die „Reichsstelle Eisen und Metalle“ stellte die Ablieferung der Petersglocke – und auch der anderen Domglocken – zurück. „Es war nachgewiesen worden, dass ein Abmontieren der mächtigen Glocke wegen der Kriegsverhältnisse von der Kreishandwerkerschaft nicht durchzuführen sei“, heißt es in einem Aufsatz des Kölner Heimatforschers Wilhelm Kaltenbach (1908-1988).