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Neues TastmodellWie Blinde die Größe des Kölner Doms fühlen und spüren können

Lesezeit 3 Minuten
Andrea Eberl tastet als erste bei der Vorstellung des neuen Bronze-Modells am Kölner Dom.

Andrea Eberl tastet als erste bei der Vorstellung des neuen Bronze-Modells am Kölner Dom.

Die gotische Architektur in Miniaturformat lässt sich nun vor dem Dom erleben.

Eine Premiere ist es für beide: den 800 Jahre alten Kölner Dom und die blinde Andrea Eberl. Sie lernen sich endlich kennen. Denn seit diesem Wochenende steht ein Miniatur-Dom aus Bronze vor dem Petersportal der Hochkirche: Das genaue Abbild des Kölner Wahrzeichens ist 90 Zentimeter lang, 65 Zentimeter breit und 70 Zentimeter hoch. Die wichtigsten Daten der Kirche finden sich auf der schrägen Platte, auch in Braille, der Blindenschrift. Und die „ist so gut lesbar“, sagt die Filmbeschreiberin aus Wien, die zwar seit mehr als 20 Jahren in Köln und Umgebung lebt, aber der der Dom, sein Aussehen und seine Ausmaße bisher fremd geblieben sind. Die Gestalt der beiden hohen Türme ertastet sie beeindruckt und sagt schlicht: „cool“.

Dompropst Guido Assmann hat den Mini-Dom zum Anfassen an seinem neuen Platz nahe neben dem Hauptportal der Kathedrale willkommen geheißen und sich bei den Karnevalisten von Domsitzung e.V. bedankt, die das Projekt mit ihren Spenden ermöglich haben. Das Tast-Modell soll das Kölner Weltkulturerbe insbesondere für Menschen mit Sehbehinderungen besser erfahrbar machen. Aber so Assmann, schon beim Aufstellen sei der kleine Dom von Kindern umringt gewesen, die ihn unbedingt mal abtasten, begreifen wollten. Sechs Jahre hat es gedauert, das 40 000 Euro teure Projekt umzusetzen, und ganz bezahlt ist es immer noch nicht, sagt Heinz-Theo Müller, der Vorsitzende der Domsitzung.

Aber er sei optimistisch, den Rest noch zusammen zu kriegen. Vor sechs Jahren entstand der Plan, so Müller. „Wir haben in Aachen ein Modell gesehen und in Köln ist die Kirche viel größer und wir haben so ein Modell nicht. Das war die Initialzündung.“ Müller ist sich sicher, dass der Dom zum Ertasten ein richtiger Magnet wird. Viele seien beim Aufbau des Kunstwerkes schon vorbeigekommen.

Ich bin wirklich ganz begeistert. Das kleine Kunstwerk ist ein Geschenk, eine große Bereicherung für den Kölner Dom.
Guido Assmann, Dompropst

Gemeinsam mit Dombaumeister Peter Füssenich und dem Domkapitel sei die Idee verwirklicht worden. Der Goldschmiedemeister und Künstler Ingo Telkmann bekam den Auftrag. Wie wird die gotische Architektur in ganz klein umgesetzt, „erlebbar gemacht, greifbar im wahrsten Sinne des Wortes“, dass sie auch Menschen mit Sehbehinderung bzw. völligem Sehverlust die ganze Dimension des mächtigen Prachtbaus erfassen lassen? Mit ihrem Blindenführhund Frodo und den Fingern auf den Fenstern, dem Dach, den Türmchen umkreist Andrea Eberl den kleinen Dom und hat endlich eine Vorstellung davon, wie mächtig die Kathedrale tatsächlich ist. Das Modell habe sie fasziniert. Wie „riesengroß das alles ist, was alles dazu gehört.“ Und gut fand sie auch, dass die Expertise der Blindenseelsorge eingebracht wurde.

Vorstellung des neuen Bronze-Tastmodells.

Vorstellung des neuen Bronze-Tastmodells.

Damit der Mini-Dom von allen Seiten barrierefrei zugänglich ist, musste ein Sockel her: so hoch, um Kindern und stehenden Menschen, aber auch Rollstuhlfahrern das Ertasten zu ermöglichen. Den Sockel haben die Auszubildenden der Dombauhütte mit Elementen aus vier Bauphasen des Kölner Doms beigesteuert. Das passt zum Petersportal, das als einziger Eingang teilweise noch im Mittelalter mit großen Gewändefiguren der Jünger Jesu von der berühmten Bildhauerfamilie der Parler bis 1380 fertiggestellt wurde.

„Ich bin wirklich ganz begeistert.“ Für Dompropst Assmann ist das kleine Kunstwerk ein Geschenk, eine große Bereicherung für den Kölner Dom. „Das Domkapitel sagt Dankeschön.“ Daran lasse sich ablesen, wie viele Menschen ein Herz für Köln und ein Herz für den Kölner Dom hätten. In einer Dank-Andacht vor dem Lochner Altar in der Marienkapelle erinnert Stadtdechant Robert Kleine an den kleinen Prinzen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Menschen mit Sehbehinderungen und Blinde könnten jetzt zum ersten Mal die ganze Dimension des Bauwerks ertasten und sich damit im Herzen ein Bild von dem Dom machen, „das von der Liebe Gottes für uns erzählt.“ In einer feierlichen Prozession – angeführt von der Standarte der Domsitzung e.V. - kehrt die kleine Gemeinde zurück zur Bronze, wo Dompropst Assmann den Neuzugang feierlich weiht.

www.tastmodell-dom.koeln