Es ist nicht die erste Personalie bei Domradio, nachdem Kardinal Woelki dort Reformen durchsetzen will. Nun geht der Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen frühzeitig in den Ruhestand
DomradioGeht der Chefredakteur des Kölner Domradios wegen Woelki?
Es ist wohl eher eine traurige Nachricht, die vom Generalvikar des Erzbistums Köln, Guido Assmann, mit den Worten eingeleitet wird: „Für Ingo Brüggenjürgen war die Frohe Botschaft Programm.“ Es folgen Worte des Bedauerns in der Mitteilung, dass Brüggenjürgen nach fast 25 Jahren in Diensten des Domradios nun den Posten des Chefredakteurs verlässt. Assmann würdigt die Leistung des „verdienten Journalisten“. Harmonie in allen Worten. Allein es fehlt der Glaube. Geht es doch um das Domradio. Also den Multimedia-Sender in Diensten des Erzbistums, der selbst seit vergangenen März Gegenstand von Schlagzeilen ist, weil Senderverantwortliche Kölns Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki vorwerfen, er wolle das Domradio auf Linie bringen. Auf seine Linie.
Ruhestand mit 62 Jahren
Ingo Brüggenjürgen geht in den Ruhestand. Also einfach nur ein ganz normaler Generationswechsel? Die ersten leisen Zweifel daran können mit Blick auf das Alter des noch amtierenden Chefredakteurs aufkommen: 62. An der Gesundheit kann es eigentlich auch nicht liegen. Brüggenjürgen befindet sich gerade wieder auf einer der von ihm so geliebten ausgiebigen Radtouren. Er fährt Kloster in ganz Deutschland ab. Darum ist er auch persönlich nicht zu erreichen zu der Mitteilung des Generalvikars. Das Handy des Vollblutjournalisten ist abgeschaltet.
Es bedarf einer gewissen Leichtgläubigkeit, um in dem Zusammentreffen der Radtour und der Mitteilung einen Zufall zu sehen. Denn enge Vertraute Brüggenjürgens, für die er sehr wohl noch zu sprechen ist in diesen Tagen, berichten: Er habe einfach nicht mehr gekonnt, habe den Entwicklungen beim Domradio nicht mehr standhalten können.
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Vergleichbares ist auch aus dem Programmbeirat des Senders zu hören. In der jüngsten Sitzung sei offensichtlich gewesen, dass Brüggenjürgen „absolut frustriert“ gewesen sei. Freunde und Beiräte haben keinen Zweifel daran, sein Frust und Ruhestand habe ihre Wurzel in der Neustrukturierung des Domradios, vorangetrieben von Kardinal Woelki.
Wie zuerst der Kölner Stadtanzeiger berichtete, trat Woelkis Generalvikar Guido Assmann unvermittelt Ende März in einer Mitgliederversammlung des Senders auf. Die neuen Pläne fürs Domradio, die er dort vortrug, bezeichneten Anwesende als „Handstreichverfahren“. Der Sender soll aus der Trägerschaft des Katholischen Bildungswerkes herausgelöst und in eine gemeinnützige GmbH überführt werden. Als ein erster Schritt in diese Richtung wurde der Senderleitung mit Geschäftsführer Carsten Horn und Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen ein Manager zur Seite gestellt. Gerald Mayer, Leiter der Diözesanstelle Berufungspastoral, der als Gefolgsmann Woelkis gilt. Mayer nahm zum 1. April seinen neuen Job beim Sender auf. Begründet wurde das alles von Assmann mit der Finanzlage des Bistums und des Senders.
Sorge vor Gleichschaltung
Schnell kam in den Gremien des Senders die Sorge auf, Mayers vorrangige Aufgabe werde es sein, das Domradio auf Woelki-Linie zu bringen. Dem Kardinal missfielen die durchaus auch mal kritischen Beiträge, behaupten Kritiker. Als Mayer sich erstmals im Programmbeirat vorstellte, fasste ein Beiratsmitglied dessen Auftritt mit den Worten zusammen: „Unsere Sorgen haben sich zu 99,9 Prozent bestätigt.“ Es war eben diese Sitzung, in der Brüggenjürgen den „absolut frustrierten“ Eindruck gemacht haben soll.
Wenn Brüggenjürgens früher Ruhestand bei fahrradtauglicher Fitness eine Konsequenz aus diesen Ereignissen war, dann ist er damit nicht die erste Persönlichkeit im Bereich des Senders, die die Reißleine zieht. Wie die Rundschau berichtete, ging ihm wohl Petra Dierkes voraus. Sie legte Anfang Juni ihr Amt als Vorsitzende des katholischen Bildungswerkes nieder, also des Trägers des Domradios. Nicht nur das, sie verließ den Vorstand gleich ganz. Wie Brüggenjürgen war auch sie damals für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Und wie bei Brüggenjürgen hat auch ihr Umfeld keinen Zweifel daran gehegt, dass ihr Schritt die Konsequenz aus den Plänen des Kardinals für den Sender war. Dabei dürfte Dierkes' Abgang für Woelki besonders schmerzlich gewesen sein. War sie doch eine Galionsfigur des Kardinals. Er hob sie als erste Frau in der Männerwelt der Bistumsverwaltung auf einen hohen Führungsposten, als damalige Leiterin der einstigen Hauptabteilung Seelsorge.
Dierkes weg, Brüggenjürgen weg. Macht die von vielen Senderverantwortlichen befürchtete „Gleichschaltung“ Fortschritte? Was dagegen sprechen könnte, ist die Neubesetzung des Chefredakteurpostens beim Domradio. Zum 1. August dieses Jahres übernimmt Renardo Schlegelmilch. Wenn es auch viele Stellen in der Mitteilung von Assmann über den Personalwechsel auf der Chefetage des Senders gibt, die in den Verdacht geraten könnten, das 8. Gebot leicht zu beugen, so gibt es eine Passage, die über jeden Zweifel erhaben sein dürfte. „Meine ganze Leidenschaft galt dem Qualitätsjournalismus. Umso mehr freue ich mich, dass Renardo Schlegelmilch die Redaktion vom Domradio mit einer guten Hand führen wird“, wird Brüggenjürgen zitiert. Schlegelmich ist ein Kind des Senders, seit 15 Jahren dort tätig und hat bisher keinen Anlass zu der Vermutung gegeben, dass er journalistische Standards auf Direktive beugt.