Die nun abgeschlossene Restaurierung des Michaelsportals an der Nordseite des Doms steckt voller wundersamer Geschichten. Angefangen bei einem geheimnisvollen Erbe aus England, über einen erstaunlichen Fund in den USA bis hin zu einer Lücke, die nie mehr geschlossen wird.
Kölner DomDie geheimnisvolle Lücke im Michaelsportal
Der Hauptbahnhof wurde der Nordfassade des Doms zum Verhängnis. Als logistisches Drehkreuz wurde der Bahnhof im besonderen Maße von den Alliierten im Zweiten Weltkrieg unter Beschuss genommen. Das ging an der benachbarten Fassade der Kathedrale nicht spurlos vorbei. Sie war schwer gezeichnet von den Denotationen der Fliegerbomben. Damit nicht genug: „Alliierte Soldaten haben gezielt auf die Figuren auf der Nordseite geschossen“, berichtet Dombaumeister Peter Füssenich. Sie zielten mit Vorliebe auf die Köpfe der Figuren in den Portalen - und sie trafen. Diese Kriegsschäden zu beseitigen, das war Aufgabe der Restaurierung. Allerdings nur so weit, dass die „Lesbarkeit“ der biblischen Szenen wieder hergestellt ist. Es soll wieder zu erkennen sein, was die Gestalter der Szenen und Figuren ausdrücken wollten. Was darüber hinaus an Schäden, beispielsweise durch Einschüsse entstand, soll weiterhin sichtbar bleiben. Den Toten zum Gedenken, den Lebenden zur Mahnung.
Dem Erzengel Michael gewidmet
Dem Erzengel Michael ist das Michaelsportal gewidmet. Zwischen 1843 und 1849 entstand es. Nach Plänen des Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner. Der „rote Faden“ der dargestellten Szenen bildet die Stiftung der Kirche durch Jesus Christus, der über allem thront. Zu sehen sind unter anderem: die Aussendung der Apostel, Christi Himmelfahrt, die Bekehrung des Paulus oder auch die „Inthronisierung“ des Petrus. Umrahmt wird die Szenerie von 58 Schutzpatronen unterschiedlicher Berufsgruppen, wie beispielsweise die Bierbrauer oder die Friseure.
Zehn Jahre für die Restaurierung mag nach einer langen Zeit klingen. Doch wer um die enorme Arbeit, die dahinter steckt, weiß, kann nur über die Kürze staunen. Begonnen hat es mit einem „großen Reinemachen“. Der Ruß der Dampfloks haftete noch den Figuren und Verzierungen an. Darüber legte sich der Ausstoß aus Pkw-Abgasanlagen. Nicht zu vergessen, die Hinterlassenschaften der Tauben. Dieser Schmutzschicht rückten die Restauratoren mit Lasern zu Leibe. Punktgenau wurden die Dreckschichten - dieses Mal in friedlicher Absicht - beschossen. Bis die Partikel abplatzten und den darunter liegenden Stein wieder freigaben. Da war schon mal ein Jahr vergangen.
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Diese Lücke wird bleiben
Wo es noch möglich war, ergänzten die Bildhauer. Wo nichts mehr zum Ansetzen war, erneuerten sie. Die gut erhaltenen Gipsmodelle von Peter Fuchs aus den Jahren 1879/80 im Maßstab 1:2 standen Modell. Nicht weniger aufwendig als das Bildhauern, die Einpassung der neuen Figuren oder Ornamente in das Portal. Millimeterarbeit, die auf den Punkt stimmen muss.
Bis auf einen Fall. Da gab es keine Einpassung, da gab es keine Erneuerung - und wird es auch nicht geben. Diese Lücke wird bleiben. Als ein Bruch mit der Geschichte. „Die Figur des Werner von Oberwesel werden wir nicht ersetzen“, sagt Dombaumeister Füssenich. Der katholische Volksheilige starb in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts unter ungeklärten Umständen. Der Tod wurde den Juden als Mord angelastet. Diese Mär führte zu Pogromen - und diese zur Lücke im Michaelsportal.
111 Paten halfen
Viele müssen anpacken, damit ein Domportal wieder nahezu im alten Glanz erstrahlt. Die einen Hammer und Meißel, die anderen die Geldbörse. Über die Gesamtsumme für die Restaurierung schweigt sich der Dombaumeister aus. Doch ein großer Teil - nämlich 750.000 Euro - kommt vom Zentral- Dombau-Verein (ZDV). Eine Spendenaktion, die den ZDV verändert hat. „Bis dahin haben wir immer mit Großspenden unterstützt“, sagt ZDV-Präsident Michael Kreuzberg. Was hätte das für ein Spender beim Michaelsportal sein müssen, wenn nicht Bill Gates. Erstmals setzte der ZDV ein Patenschaftsprogramm auf. Damals noch von Alt-Präsident Michael Hoffmann initiiert und nun von Michael Kreuzberg zum Abschluss geführt. So hat die Fügung drei Michaels zusammengeführt. Und dieses erste Patenschaftsprogramm, dem weitere folgten, endete mit 111 Paten. Willkommen in Köln.
Ein Erbe und ein Römerkopf
Und es sollte sich noch mehr fügen. Berta Woodward aus England vermachte ein beachtliches Erbe dem Dom, mit der Auflage: Zur Beseitigung von Kriegsschäden. War ihr Mann Flieger im Zweiten Weltkrieg? Nahm er an der Bombardierung Kölns teil? Peter Füssenich hat nach den Beweggründen der Witwe geforscht. Doch er wurde nicht fündig.
Eine ganz andere Art der materiellen Unterstützung für das Michaelsportal kam aus den USA. Just als die Meister der Dombauhütte an die Rekonstruktion eines Römerkopfes gingen, ging ein Anruf aus den Staaten ein. Sie habe da etwas, sagt die Frauenstimme. Ob ein Experte vom Dom da mal einen Blick drauf werden wolle. Es war der Römerkopf im Original. Wohl von einem amerikanischen Soldaten in den Trümmern entdeckt und mitgenommen. Wer will da noch an Zufälle glauben. Dombaumeister Füssenich nicht: „Der Dom holt sich zurück, was sein ist.“