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Essensausgabe seit 25 JahrenKölner Obdachlose über Hilfsangebot: „Juttas Suppenküche ist häufig meine Rettung“

Lesezeit 4 Minuten
Jutta Schulte (3.v. l.) an ihrem Suppenstand am Kölner Dom

Jutta Schulte (3.v. l.) an ihrem Suppenstand am Kölner Dom

Jutta Schulte verteilt seit 25 Jahren eine warme Mahlzeit an Obdachlose am Dom. Drei Betroffene erzählen ihre Geschichte.

Obdachlose können statistisch nur schwer erfasst werden, aber sie werden in der Kölner Innenstadt immer sichtbarer. Konkrete Hilfestellung leisten die Bahnhofsmission Köln, die Überlebensstation Gulliver, der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) und viele private Initiativen. Eine davon ist Jutta Schulte, die im Schatten des Kölner Doms seit 25 Jahren eine warme Suppe an Obdachlose verteilt.

Juttas Suppenküche ist unter den Kölner Obdachlosen eine Institution. Seit 25 Jahren steht Jutta Schulte aus Dahlem alle zwei Wochen vor dem Dom-Forum und verteilt kostenlos warme Suppe, Lebensmittel und Bekleidung an Menschen, die auf der Straße leben, und an die, bei denen das Geld hinten und vorne nicht reicht. Die Suppe, zwischen 80 und 120 Liter, spendet Peters Brauhaus, die Brötchen kommen von der Bäckerei Heinemann. Wurst, Käse, Obst und Gemüse besorgt sie bei Supermärkten und bei Bauern aus der Eifel.

Klare Regeln bei Juttas Suppenküche am Kölner Dom

Bei der Essensausgabe gelten klare Regeln: Die Wartenden werden in Gruppen eingeteilt und bekommen farbige Nummern. Drängeln, Schubsen und Stress gibt es hier nicht, Jutta Schulte führt ein strenges Regiment. „Hier kommt keiner zu kurz, aber der Reihe nach und das Kommando habe ich. Die Obdachlosen sind für mich die Nummer eins, die bekommen kein Bürgergeld, haben praktisch gar nichts und es werden immer mehr, vor allem auch viele Frauen“, erzählt die Initiatorin der Suppenküche, zu der regelmäßig bis zu 300 Bedürftige kommen.

Jutta Schulte ist ein kölsches Mädchen, führte in Wesseling ein Restaurant und hat in Rodenkirchen eine Lagerhalle für die Spenden. Neben Sachspenden freut sie sich auch über Spendengelder, davon kauft sie Schlafsäcke, Zelte und Winterschuhe.

„Mir ist klar, dass ich die Welt nicht retten kann. Und ich will die einzelnen Schicksale auch gar nicht genauer kennen. Das ist Selbstschutz, sonst nehme ich die Sorgen mit nach Hause und gehe daran kaputt“, sagt sie.

Kölner Obdachlose: Drei Betroffene erzählen ihre Geschichte

Nico, 49 Jahre alt

Ein Mann mit grauer Kappe steht vor dem Dom

Nico besucht regelmäßig Juttas Suppenküche.

„Ich habe bei der Deutschen Bahn als Zugbegleiter gearbeitet und wurde, da ich erst sechs Monate dabei war, im Zuge von Corona wegrationalisiert. Dann ging die Spirale los: Job weg, kein Einkommen, Wohnung weg, obdachlos“, berichtet der Kieler Nico, der nach Köln gekommen ist, weil er sich hier größere Chancen auf einen Job verspricht.

Der 49-Jährige möchte nicht in Hauseingängen schlafen, sondern in einem richtigen Bett, deshalb geht er regelmäßig ins Anno-Haus in der Kölner Südstadt. Das Zimmer muss er sich teilen, oft mit Alkoholikern und Drogenabhängigen, wie er berichtet.

„Jutta ist für mich Familie, sie macht für Obdachlose alles möglich. Brauche ich Winterschuhe oder eine warme Jacke, dann kümmert sie sich. Sie organisiert und packt an bei der Suppenverteilung und Lebensmittelausgabe. Sie ist phänomenal“, sagt Nico. Er bettelt nicht, sondern beschafft sich übers Pfandsammeln etwas Geld und hofft, über das Wohnprojekt „Housing First“ ein kleines Zimmer zu bekommen und dann auch einen Job, am liebsten in Köln, denn die Stadt läge genau wie sein Kiel am Wasser.

Laura, 21 Jahre alt

Laura steht mit Rucksack vor der Suppenausgabe.

Laura ist gelernte Friseurin und seit sechs Monaten obdachlos.

„Ich arbeite fast jede Nacht, bin zwischen 22 Uhr und 4 Uhr morgens unterwegs und sammele Pfandflaschen, hauptsächlich aus Glas. Von denen bleiben viele stehen, die bringen ja nur acht Cent. Aber die Kölner feiern gerne, da kommen schon 15 bis 20 Euro pro Nacht zusammen“, so Laura, die seit sechs Monaten obdachlos ist.

Die 21-jährige gelernte Friseurin arbeitete in einem Friseursalon auf Minijob-Basis für 485 Euro im Monat. Das Jobcenter zahlte die Miete. Als Laura bei den routinemäßigen Berechtigungsprüfungen nicht die nötigen Belege lieferte, wurden die Mietzahlungen eingestellt und sie landete auf der Straße.

„Ich versuche mich zu pflegen, möchte nicht, dass man sofort erkennt, dass ich auf der Straße lebe. Ich möchte die Vorurteile abbauen, dass jeder Obdachlose ein Alkoholiker ist und stinkt. Und dabei hilft Jutta, sie hat mich komplett neu eingekleidet. Die Frau ist mega“, betont Laura, die auch auf die Hilfe der Beratungsstelle Off Road Kids setzt, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Thomas, 60 Jahre alt

Thomas sitzt mit seinem Hund vor dem Dom.

Thomas lebt mit seiner Hündin Lucie auf der Straße. Er möchte nicht erkannt werden.

„Ich bin kein Alkoholiker, nehme keine Drogen, aber ohne Wohnung bekomme ich keinen Job, und ohne Job kann ich mir keine Wohnung leisten. Ich bettle. An guten Tagen habe ich 15 Euro, an schlechten Tagen ist der Becher leer“, sagt Thomas, der seit sieben Jahren mit Hündin Lucie auf der Straße lebt.

Der 60-Jährige führte mit seiner Frau eine kleine Spedition, die die Schwiegereltern finanziell unterstützten. Als seine Frau starb, blieben die Finanzspritzen aus, die Spedition ging pleite. Thomas flog aus seiner Wohnung, da er die Miete nicht mehr bezahlen konnte. Seitdem übernachtet er in einem Zelt, weil er in die Obdachloseneinrichtungen keinen Hund mitbringen darf.

„Ich bin gelernter Maler und Lackierer, ich würde jeden Job annehmen, auch Klos putzen, aber ohne Wohnung nimmt mich keiner. Ich wünsche mir, aus dieser Sackgasse zu entkommen, denn auch ein Obdachloser ist ein Mensch. Juttas Suppenküche ist für mich goldwert, häufig meine Rettung.“

www.juttas-suppenkueche.de