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Show in Lanxess-Arena in KölnWas hinter der Faszination für Wrestling steckt

Lesezeit 4 Minuten
Drei Wrestler kämpfen im Ring der Arena.

Schläge mit Anlauf: Beim Wrestling wird sich möglichst spektakulär verprügelt.

Die Wrestling-Liga WWE feiert große Erfolge und füllte am Donnerstag die Lanxess-Arena - auch Kinder kommen mittlerweile zu den Kämpfen.

„Wir wollen Tische! Wir wollen Tische!“ brüllt die Menge aus tiefster Seele. Dann hält es viele nicht mehr auf ihren Sitzen: Mit einem beherzten Griff zerrt Wrestling-Superstar Seth Rollins tatsächlich einen ganzen Biertisch unter der Bühne hervor und lehnt ihn gegen die Ecke des Rings. Die lautstark jubelnden Fans wissen genau, was jetzt kommt. Mit voller Wucht fliegt Rollins Gegner gegen die Tischplatte, die mit lautem Krachen in der Mitte zerbricht. Bleibt zu hoffen, dass sie vorher angesägt war - bei Wrestlingkämpfen ist aber davon auszugehen, hier ist alles nur Show. Mindern kann das die Begeisterung in der Lanxess-Arena nicht, die Menge tobt und stellt die Stimmung auf einigen Konzerten locker in den Schatten. Und das bei ausnahmslos allen Kämpfen an diesem Abend.

Wer an eine Männerhöhle denkt, liegt falsch: Unter die tiefen Stimmen in der Arena mischen sich auch Jubelrufe von Frauen und Kindern. Bei dem Live-Kampf der amerikanischen Wrestling-Liga „World Wrestling Entertainment“ (WWE), das am Donnerstag in der Lanxess-Arena gastierte, kommt beinahe die Stimmung eines Familienevents auf. Ab 6 Jahren durften Kinder in Begleitung ihrer Eltern dabei sein.

Die Wrestlerinnen Rhea Ripley und Raquel Rodriguez kämpfen in der Arena.

Die Wrestlerinnen Rhea Ripley und Raquel Rodriguez in der Arena.

Als ein 150-Kilo-Koloss vom Rand des Rings mit vollem Körpereinsatz auf seinen Gegner springt, zucken die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer nicht mal ein bisschen zusammen, sondern grölen begeistert los. Frauen gibt es nicht nur im Publikum, sondern auch im Ring. Mit Muskeln bepackt, die denen ihrer männlichen Kollegen in nichts nachstehen, gehen die Wrestlerinnen aufeinander los.

Wrestling ist eine Seifenoper mit überdurchschnittlich viel Schlagabtausch: Hinter den spektakulären Show-Kämpfen steckt eine Handlung. Es gibt Gute und Böse, die auch außerhalb des Rings in fiktive Intrigen oder Romanzen versponnen sind. Jeder Streit wird natürlich mit einem Kampf geklärt. „Andere gucken GZSZ und ich gucke Wrestling“, bringt es die 39-jährige Kölnerin Daniela Schneider auf den Punkt. Das Publikum ist bei den Shows Teil des großen Dramas. Es buht Kämpfer aus oder feuert sie an, teils streiten sich Zuschauer von ihren Plätzen aus mit den Antagonisten der Show.

Wrestling ist ein Sport. Für mich steht weniger das Drumherum, sondern die Athletik im Vordergrund.
Zuschauerin in der Arena

Es gibt einen regelrechten Kult um die „Superstars“, wie die Kämpfer der WWE genannt werden. Zu den berühmtesten zählen die Urgesteine aus den Neunzigern Dwayne „The Rock“ Johnson oder John Cena. Wrestler werden gefeiert wie Rockstars, dabei spielt Musik eine große Rolle. Jeder von ihnen hat einen eigenen Song, der beim feierlichen Einzug in den Ring gespielt wird. Dann wird die Seifenopfer zum gefeierten Konzerterlebnis. Auch die Outfits mancher Wrestler passen zum Bild des exzentrischen Künstlers: Von dem bodenlangen, mit Strasssteinen besetzten Glitzermantel eines Kämpfers hätte sich Prince noch eine Schiebe abschneiden können.

Ja, manchmal scheinen die Kämpfe wie der Gipfel der Sinnlosigkeit. Zum Beispiel dann, wenn ein Kämpfer im wirklich sehr engen und sehr kurzen Badehöschen lasziv die Hüften kreisen lässt, um seinen Gegner zu provozieren. Aber, und das ist für die Fans nicht unerheblich, um die Griffe, Tritte und Schläge beim Wrestling auszuführen, ohne sich ernsthaft zu verletzen und tatsächlich k.o. zu gehen, braucht es diszipliniertes Training. „Wrestling ist ein Sport. Für mich steht weniger das Drumherum, sondern die Athletik im Vordergrund“, erklärt eine 40-jährige Zuschauerin. Was sie meint, wird spätestens dann klar, als ein Wrestler sich seinen Gegner auf die Schulter hebt und dieser mit den Beinen gerade nach oben gestreckt eine astreine Kerze macht - kurz sieht es nach Zirkusakrobatik aus.

Von blutigen Exzessen zum familientauglichen Event

Viele Eltern, die mit ihren Kindern im Publikum sitzen, sind seit den Wrestling-Anfängen in den Achtzigern Fans und verfolgen die Fernsehserien der WWE, das Hauptgeschäft der Liga. „Wrestling erlebt gerade eine zweite Welle“, erklärt Martin Asberger, der mit seinem neunjährigen Sohn zur Show gekommen ist. Der kenne alle Wrestler und ihre Techniken beim Namen. Kinder gelten heute als wichtige und lukrative Zielgruppe. Schon seit einigen Jahren bemüht sich WWE deshalb um ein abgeschwächtes Programm. Zuvor floss im Ring auch mal Blut: Mit einer Rasierklinge schnitten sich die Wrestler verdeckt selber in die Stirn, um den Kampf dramatischer aussehen zu lassen.

Der Imagewechsel scheint zu klappen: „Auf der ganzen Welt betteln Städte darum, dass WWE Events bei ihnen macht“, freut sich der deutsche Wrestler Ludwig Kaiser nach seinem Kampf. Dank des großen Erfolges der Live-Tour findet 2024 ein besonderes Großevent der Wrestling-Liga in Berlin statt - deutschlandweit das erste seiner Art.