KölnFrühgeborenen-Station im Krankenhaus Holweide deutschlandweit auf Platz eins
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Der Umgang mit Frühgeborenen ist kompliziert – und erfordert viel Sensibilität.
Jährlich untersucht das IQTIG die Behandlungsergebnisse aller 162 deutschen Perinatalzentren für Frühchen. Die Station im Krankenhaus Holweide liegt auf Platz eins.
Köln – Der kleine Christian kam in der 23. Schwangerschaftswoche zur Welt. 17 Wochen zu früh. Gerade mal 690 Gramm wog er. „Es geht ihm erfreulich gut“, stellt Dr. Marc Hoppenz, Leiter des Perinatalzentrums an der städtischen Klinik Holweide, gut sechs Wochen später fest. Christian ist eines von etwa 100 sehr kleinen Frühchen pro Jahr, die in der Spezialabteilung auf der Station D 1 betreut werden.
Als sehr klein gelten Frühchen mit weniger als 1500 Gramm. Christian – dessen echter Name ein anderer ist – hat gute Chancen auf ein gesundes Leben: Das Holweider Perinatalzentrum nimmt deutschlandweit eine Spitzenstellung bei der Versorgung von sehr kleinen Frühgeborenen ein. Das bestätigt das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) in seiner aktuellen Auswertung.
Auswertungen von Frühgeborenen der letzten fünf Jahre
Jährlich untersucht das IQTIG die Behandlungsergebnisse aller 162 deutschen Perinatalzentren. Ausgewertet werden die Daten aller Frühgeborenen, die in den letzten fünf Jahren entlassen wurden. Dabei beurteilt das Institut unter anderem die Sterblichkeitsrate und den längerfristigen Gesundheitszustand der Kinder. „Unsere Überlebensrate liegt bei 70 bis 80 Prozent“, sagt Hoppenz. Das sei so gut, dass Ärzte aus anderen deutschen Krankenhäusern kämen, um zu hospitieren.
Viel Erfahrung und ein sehr gut eingespieltes und stabiles Team machen die Station D1 aus. „Das pflegerische Team arbeitet schon lange zusammen“, betont Hoppenz (52). Er leitet das Zentrum seit 13 Jahren. Zehn Plätze gibt es in Holweide. „Wir legen viel Wert auf eine individuelle Betreuung. Wir versuchen, eine individuelle Lösung für jedes einzelne Kind zu finden“, sagt Hoppenz.
Daten und Fakten
10 Prozent der Kinder in Deutschland kommen vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt. Normal wären 40 Wochen. Von ihnen sind mehr als 10 000 extreme Frühgeburten, das heißt, sie wiegen weniger als 1500 Gramm. Sie haben unter anderem ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen an Magen, Darm oder Augen.
Das Perinatalzentrum im städtischen Krankenhaus Holweide wurde im Oktober 1990 eröffnet. In den letzten fünf Jahren lag die Zahl der jährlich aufgenommenen Frühgeborenen dort immer um die 300. Zum städtischen Perinatalzentrum gehören zudem weitere Plätze im Kinderkrankenhaus in der Amsterdamer Straße. Dort gibt es unter anderem eine „Päppelstation“. Eine Erweiterung der Frühgeborenen-Station in Holweide ist nach Auskunft von Dr. Marc Hoppenz innerhalb der nächsten zwei Jahre geplant.
In der Uniklinik Köln gibt es neben dem städtischen Krankenhaus ein weiteres sogenanntes Level 1-Zentrum für Frühgeborene. Die beiden Kölner Zentren kooperieren bei Bedarf. Das Perinatalzentrum der Uniklinik ist bei der Untersuchung durch das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQIG) ebenfalls als sehr gut bewertet worden. (dha)
Ab der vollendeten 24. Schwangerschaftswoche gelten Frühgeborene hierzulande als lebensfähig. Die zwei Wochen vor diesem Termin gelten als Grauzone. Das leichteste Frühgeborene, das in Holweide seit der Gründung des Perinatalzentrums im Jahr 1990 versorgt wurde und überlebte, wog 290 Gramm.
Unvollständig entwickelte Organe
Die Schwierigkeit bei Frühgeborenen: Sie haben unvollständig entwickelte Organe und ein schwächeres Immunsystem. Im Perinatalzentrum reifen sie nach, werden medizinisch behandelt. Das ist hoch technisiert. Dennoch: Die Ruhe zwischen den hellgelb gestrichenen Wänden auf Station D1 ist auffällig. Friedlich liegen die kleinen Jungen und Mädchen in Brutkästen oder Wärmebetten.
Über ihnen handtuchgroße Deckchen. Monitore überwachen Herzschlag, Temperatur, die Sauerstoffsättigung des Blut. Fast alle kleinen Patienten bekommen eine Atemunterstützung über einen Schlauch. Es gilt das Prinzip „minimal handling“. „Wir wollen möglichst nicht stören und beschränken die Untersuchungen auf ein Minimum.“
Kontakt zu Eltern wichtig
Extrem wichtig ist jedoch der Kontakt zu den Eltern. „Wir ermutigen sie zur Kanguru-Pflege, das heißt, dass die Kinder bis zu zwei Stunden auf der Brust liegen und Körperkontakt haben“, erläutert der leitende Arzt. Die Eltern sollen sooft kommen wie möglich. Tag und Nacht. Und das tun sie über viele Wochen und Monate. „Das ist ein Marathon für die Eltern“, weiß Hoppenz, selbst vierfacher Vater.
Damit die Kinder die Stimme der Eltern hören, gibt es auf der Station Bücher. Hoppenz hat beobachtet, dass die Mütter oft stabiler sind, wenn es gilt, die lange Zeit und auch die manchmal unvermeidlichen Rückschläge auszuhalten. „Wir sind immer ganz ehrlich zu den Eltern“, lautet ein Prinzip des Stationsleiters. Das schafft Vertrauen. Christians Eltern beispielsweise haben gesagt: „Wir googeln nicht.“