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Licht am Ende des TunnelsElf Jahre nach dem Archiveinsturz ist Einigung in Sicht

Lesezeit 4 Minuten
waidmarkt

Feuerwehrmänner und THW-Helfer suchen in den Trümmern des Historischen Stadtarchivs nach Archivgütern.

  1. Mehr als elf Jahre nach dem Archiveinsturz ist Einigung in Sicht.
  2. Baufirmen wollen 600 Millionen Euro zahlen.
  3. Pläne zu einem möglichen Rückbau erhielten zu Jahresbeginn einen Dämpfer. Der Gutachter, der schon seit über zehn Jahren die Unglücksstelle analysiert, meldete weiteren Zeitbedarf an.

Köln – Wird sie sich nun doch schließen, die offene Wunde, die seit elf Jahren am Waidmarkt klafft? Nach Informationen der Rundschau haben sich die Stadt Köln und die in einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) zusammengeschlossenen Baufirmen verständigt, vor dem lang erwarteten Zivilprozess außergerichtlich zu einigen. Wenn der Rat in einer für Ende des Monats angedachten Sondersitzung die Vereinbarung annimmt, könnten die Arbeiten an der Unglücksstelle weit früher als gedacht aufgenommen werden.

Die Einigung

600 Millionen Euro. Das soll die Summe sein, zu deren Zahlung sich die Arge bereit erklärt bereit erklärt hat. Der Gesamtschaden durch den Einsturz wird von der Stadt auf 1,3 Milliarden Euro geschätzt. Die Schätzung basiert darauf, dass 700 Millionen Euro für die Restaurierung der beschädigten Archivdokumente benötigt werden. Das neue Archivgebäude am Eifelwall wurde bei dieser Rechnung mit 80 Millionen Euro veranschlagt. Allerdings hat das kurz vor Fertigstellung stehende Gebäude den Kostenrahmen schon gesprengt. 24 Millionen Euro wurden für das Bergen der Archivgüter kalkuliert. Mehr als 70 Millionen Euro hat demnach das Besichtigungsbauwerk gekostet, in dem der Gutachter die Unglücksstelle untersucht.

Nord-Süd-Stadtbahn

2011 hätte die Nord-Süd-Stadtbahn nach ursprünglicher Planung von der Südstadt zum Breslauer Platz fahren sollen. Doch am 3. März 2009 um 13.58 Uhr stürzte das Stadtarchiv in die Baugrube der neuen Haltestelle Waidmarkt. Dort forschen Taucher bis heute nach der Einsturzursache. Das vom Sachverständigen Prof. Hans-Georg Kempfert geleitete Beweissicherungsverfahren soll im dritten Quartal 2021 abgeschlossen werden.

Ende 2012 nahmen die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) die Haltestelle Rathaus in Betrieb, seit 2013 fährt die Linie 5 vom Breslauer Platz bis zum Heumarkt. 2015 folgte ein weiteres Teilstück. Die neue Linie 17 verkehrt seitdem zwischen der Severinstraße und Rodenkirchen oder Sürth. Sie nutzt dabei den Abzweig zum Rheinufer. Die Arbeiten der 3. Baustufe entlang der Bonner Straße laufen seit 2017. Die Fertigstellung der Haltestelle Waidmarkt wird laut KVB rund sieben Jahre dauern. Zuletzt hatte sich abgezeichnet, dass die Nord-Süd-Bahn erst 2029 durchgängig fahren kann – 20 Jahre nach dem Einsturz. (fu)

Die Stadt würde also nach ihrer Schätzung auf 700 Millionen Euro verzichten. Dafür könnten aber die Arbeiten am Waidmarkt weit früher als bisher gedacht wieder aufgenommen werden.

Der Weiterbau

Einst bestand die Hoffnung, noch in diesem Jahr könnte der Rückbau des Besichtigungsbauwerks beginnen. Doch im vergangenen März gab es einen Dämpfer. Der Gutachter, der schon seit über zehn Jahren die Unglücksstelle analysiert, meldete weiteren Zeitbedarf an. Mindestens bis ins dritte Quartal 2021 brauche er noch. Würde er dann wirklich endlich die Einsturzstelle verlassen, könnte wahrscheinlich erst im Jahr 2029 erstmals eine Bahn die unterirdische Gleisanlage am Waidmarkt passieren. Dieser Plan weit in die Zukunft hinein ließe sich durch die Einigung klar verknappen. Stimmt der Rat zu, könnte noch im Sommer der Rückbau beginnen. Mehr als ein Jahr wäre gewonnen. Konservativ geschätzt, denn der Gutachter hatte schon mehrfach seinen Zeitplan ausgedehnt.

Die Ursache

Nach Ansicht des Kölner Landgerichts war ein Baufehler Grund für das Unglück mit zwei Todesopfern. Der Vorsitzende Richter Michael Greve urteilte 2018, dass ein Gesteinsblock in 22 Metern Tiefe ursächlich war. Beim Versuch, diesen zu beseitigen brachen 2005 die Greifzähne des Baggers ab. Das Hindernis blieb. Darüber wurde die Schlitzwand mit Beton verfüllt, darunter aber konnte aufgrund des Hindernisses kein Beton fließen. Ein fataler Fehler. Beim Aushub der Baugrube wurde der Druck des Grundwassers immer höher, und das suchte sich einen Weg: Die Lamelle 11 gab nach, das Erdreich drückte mit Wasser in die Grube. So wurde dem Stadtarchiv den Boden entzogen. Das Gebäude stürzte ein.

Die Verantwortlichen

In dem Strafprozess wurden drei der vier Angeklagten freigesprochen. Eine KVB-Ingenieurin und zwei Mitarbeiter von Baufirmen, hatten ihre Pflichten verletzt, laut Gericht war aber nicht erkennbar, dass ihre Fehler mit dem Einsturz in Zusammenhang stehen. Der vierte Angeklagte, ein für die Bauüberwachung zuständiger Mitarbeiter der KVB, wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Er hatte laut Gericht seine Kontrollaufgaben vernachlässigt. In einem zweiten Verfahren wurde auch ein Oberbauleiter schuldig gesprochen. Die beiden Verurteilten haben Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt, darüber ist noch nicht entschieden.

Die Archivalien

Das Kölner Stadtgedächtnis lag am Waidmarkt in den Trümmern. Ungefähr 62.000 Urkunden, 329.000 Karten, Pläne und Plakate und 500.000 Fotos zählten zum Bestand. 95 Prozent der Archivalien konnten zwar geborgen werden - allerdings waren sie teils stark beschädigt. In aufwändigen Verfahren mussten die Dokumente gefriergetrocknet werden, um sie überhaupt bearbeiten zu können. Insgesamt fischten Experten rund 1,6 Milliarden einzelne Fragmente und Papierschnipsel aus den Trümmern, sie wurden nach dem Unglück an unterschiedlichen Standorten gelagert.

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