Ein Kölner Cold Case ist abgeschlossen: Im Fall um die 1988 getötete Petra Nohl ist am Freitagmorgen ein Urteil ergangen.
Karnevalsmord von 1988 in KölnLebenslange Haftstrafe für Angeklagten im Fall „Petra Nohl“
Saal 7 im Kölner Justizzentrum ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Rein kommt nur, wer einen Sitzplatz ergattert. Zahlreiche Interessierte werden von Justizwachtmeistern abgewiesen, können nicht die Urteilsverkündung im sogenannten Karnevalsmord von 1988 hätte verfolgen. Als Richterin Sibylle Grassmann den Angeklagten wegen Mordes an der damals 24 Jahre alten Petra Nohl zu lebenslanger Haft verurteilt, reagiert dieser entsetzt. Zeitgleich schlägt sich die ihm gegenübersitzende und zur Tatzeit 18 Monate alte Tochter von Nohl die Hände vors Gesicht und verdrückt einige Tränen der Erleichterung. Endlich, nach über 36 Jahren, ist der Mord an ihrer Mutter aufgeklärt, der Schuldige von der Justiz überführt und abgeurteilt.
Fall Petra Nohl: „Aktenzeichen XY…ungelöst“ bringt den Durchbruch
„Wir sind überzeugt davon, dass Sie vor 36 Jahren Frau Nohl getötet haben“, begann Grassmann mit der Begründung des Schuldspruchs. „Möglicherweise haben sie die Tat verdrängt — vergessen haben Sie sie nicht“, sagte die Richterin. Vergessen habe auch die Tochter des Opfers nicht, die aufgrund des brutalen Verbrechens ohne Mutter aufwachsen musste, und die als Nebenklägerin am Prozess teilnahm. Ebenfalls nicht vergessen hatte die Tat jener Zeuge, der mit seiner Meldung auf die Behandlung des Falls in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY…ungelöst“ im Dezember 2022 mit seiner Aussage den Fall wieder ins Rollen gebracht hatte. zuvor waren die Ermittlungsbehörden jahrzehntelang im Dunkeln getappt. Schon kurz nach dem Mord habe der Zeuge den Angeklagten in Verdacht gehabt, mit dem Gewaltverbrechen in Verbindung zu stehen. Als er den Angeklagten damals aufgefordert habe, man müsse sich bei der Polizei melden, habe dieser aggressiv reagiert. Zudem habe der Angeklagte sein Äußeres auffällig geändert gehabt.
Nach dem Hinweis nahm die Polizei DNA von dem 57-Jährigen. Ein Abgleich mit am Tatort gesicherten Spuren ergab sechs Treffer. Allesamt an Stellen gefunden, „wo der Mörder sein Opfer gepackt hatte“, hieß es in der Urteilsbegründung. In der Gesamtschau erwiesen Zeugenaussage und DNA-Spuren die Schuld des mittlerweile schwerkranken Familienvaters. Laut der Aussage des Hauptzeugen, die die Kammer als „glaubhaft“ und „ohne überschießende Belastungstendenz“ einstufte, waren die Männer, wie auch Nohl, am Abend des Karnevalssamstag in der Diskothek „Chiarivari“ im sogenannten Bierdorf an der Breite Straße. An das spätere Opfer hatte der Zeuge jedoch nur eine Erinnerung: An einem Taxistand an der Oper, warteten die Männer auf ein Taxi für die Heimfahrt nach Müngersdorf. Auch das spätere Opfer wartete dort. Als kein Taxi kam, sei die Frau die Glockengasse in Richtung Krebsgasse gegangen.
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„Sex oder Geld“
In einigem Abstand nahmen auch die beiden Männer diesen Weg. Während der Zeuge zum Neumarkt ging, um dort sein Glück mit einem Taxi zu versuchen, sei der Angeklagte in die gleiche Richtung gegangen, wie die Frau. Ein Indiz, das aus Sicht der Kammer für die Täterschaft des 57-Jährigen sprach: Statt wie geplant nach Müngersdorf zu fahren, habe sich der Angeklagte ohne erkennbaren Grund dazu entschlossen, einen anderen Weg einzuschlagen. Dieser führte den Angeklagten nach Überzeugung des Gerichts hinter Nohl her in die Albertusstraße, die von Imbiss- und Bierwagen sowie Tribünen vollgestellt war, weil tags drauf die Schull- und Veedelszöch stattfanden.
Die Tat, über die ein inzwischen pensionierter Rechtsmediziner gesagt hatte, dass ihm eine annähernde Brutalität in 40 Berufsjahren kaum mehr untergekommen sei, bezeichnete Grassmann als „besonders verachtenswert“. Hinterrücks habe der Angeklagte sein Opfer angegriffen und zu Boden gerissen und Nohl mit ihrer eigenen Halskette gedrosselt. Anschließend trat und stampfte der Täter auf den Hals des Opfers, was zu massivsten Verletzungen führte. Dann brachte er den Biene-Maja-Brustbeutel mit einem 100 D-Mark-Schein an sich und flüchtete. Eine Passantin fand die Tote am Morgen hinter einem der Imbisswagen.
Die 20. Große Strafkammer ging von einem sexuellen Motiv des Angeklagten aus: Opfer geworden sei „eine junge attraktive Frau mit Netzstrümpfen und kurzem Rock“. Und weiter: „Der Täter ging ihr hinterher, um zu sehen, was er kriegen könnte: Sex oder Geld.“ Und weiter: Möglicherweise wies die Geschädigte ihn zurecht, und er brachte sie um.“ Der Angeklagte hatte hingegen bis zuletzt seine Unschuld beteuert.
Neben der Aussage des Zeugen wurde der Angeklagte von sechs DNA-Spuren an der Kleidung des Opfers überführt. Insgesamt waren 4000 Hautschuppen sichergestellt worden, 14 hatten noch auf DNA ausgewertet werden können. Sechs davon stammten vom Angeklagten, die restlichen acht von acht anderen Personen. Die These der Verteidiger Marc Piel und Uwe Krechel, wonach das Genmaterial bereits vor der Tat in der Disco von Jacke zu Jacke oder beim Schunkeln übertragen worden sein könnte, sei schon aufgrund der Lage der Spuren an den Oberarmen, den Oberschenkeln und den Fußknöcheln nicht stichhaltig, so Grassmann. Piel kündigte Revision gegen das Urteil an.