Köln – „Ich musste zwischendurch ein bisschen weinen, ich bin sehr glücklich“, sagte Pastoralreferent Peter Otten am Ende des Rosenmontagsgottesdienstes in St. Agnes. „Wahrscheinlich gab es so einen Gottesdienst noch nie. Und hoffentlich wird es ihn nicht mehr geben. Denn am Rosenmontag haben die Kölschen gewöhnlich Besseres zu tun: fiere, danze un laache.“
Mit „Mir klääve am Lääve“ hatten die katholischen Innenstadtgemeinden den melancholischen Karnevals-Gottesdienst angekündigt. Innenstadt-Pfarrer Dominik Meiering überließ seinem Pastoralreferenten die Liturgie einschließlich Schlusssegen und nahm selbst bei den kostümierten Jecken in den Kirchenbänken Platz. Den Eindruck, dass der Geist des Karnevals, aus Aufmüpfigkeit gegenüber Obrigkeiten entstanden, in St. Agnes wiedergeboren wurde, verstärkte die Predigt von Kabarettist Jürgen Becker. Mit Blick zum Himmel dankte der Mitbegründer der Stunksitzung zunächst, dass er „armer Sünder“ zur „Selbstzerstörung der katholischen Kirche“ in dem zweitgrößten Gotteshaus der Domstadt sprechen dürfe. Buße müsse er tun, dass er den Joachim Kardinal Meisner einst böse betitelt habe als „Sakral-Stalinist“ und „Hassprediger“. Das sei in jeder Hinsicht falsch gewesen, bekannte Becker – um nachzuschieben: „außer inhaltlich“.
Bei Woelki kein Vertuschen, sondern Verschweigen
Erzbischof Woelki würde „zum Glück“, so Becker ironisch weiter, alles ganz anders machen im Umgang mit dem massenhaften sexuellen Missbrauch durch Geistliche. „Bei dem gibt es kein Vertuschen, der setzt mehr auf Verschweigen.“ Der Prediger an diesem hohen närrischen Feiertag berief sich auf einen Journalisten, der kommentierte , dass das Erzbistum bei der Missbrauchs-Aufarbeitung wohl mehr Geld für Spitzen-Anwälte ausgebe als für Opfer-Entschädigung. Zwei Bedingungen müsse der nächste Kölner Erzbischof erfüllen für eine Umkehr: Er dürfe auf keinen Fall katholisch sein, und er sollte eine Frau sein. Margot Käßmann schlug Becker vor, weil die sich mit Luther auskenne, der bekanntlich katholisch war, bevor er dem sündigen Klerus die Stirn bot.
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Das Musikcorps der Großen von 1823 hatte mit „Do bess die Stadt“ auf den Gottesdienst eingestimmt, Liturg Peter Otten mit dem Mottolied der Feier „Mir klääve am Lääve“. Stephan Brings und Stefan Knittler trugen kölsche Balladen vor, darunter Halleluja-Versionen von Leonard Cohen und Brings, „Die Liebe gewinnt“, das Mutmachlied „Immer noch do“ von Kasalla, Brings’ Corona-Trotzlied „Mer singe Alaaf“ und zum Schluss „Unsere Stammbaum“ von den Bläck Fööss.
Auf Gesang, Tanz, Alaaf und Kamelle mussten die Gottesdienstbesucher zwar verzichten, nicht aber auf Strüßjer zum Weitergeben an alle, die eine aufmunternde Geste brauchen. Den Livestream gibt es im Internet.