Im Veedelsbeirat Kwartier Latäng zogen Anwohner Bilanz zum Straßenkarneval. Die Zustände rund um die Karnevalstage wollen sie nicht mehr akzeptieren.
Karneval in KölnAnwohner im Kwartier Latäng in Sorge - „Das wirkt wie Kriegsvorbereitung“
Der Ausnahmezustand hat in diesem Jahr neue Rekorde erreicht. Viele Anwohner im Kwartier Latäng haben ihn genau dokumentiert. Es war der 24. Januar, 15 Tage vor Weiberfastnacht, als der erste Gabelstapler die Zülpicher Straße entlangrollte und an den Straßenrändern meterhohe Türme aus Zäunen errichtete. Vier Wochen später, die Feiern sind schon lange vorbei, stehen die letzten verbliebenen Gitter noch immer im Bereich der Unimensa. „Es ist extrem belastend“, sagt ein Anwohner, der im Gebäude auf der Ecke Zülpicher Straße/Zülpicher Wall wohnt. „Die Zäune sperren Parkraum, werden immer wieder von Passanten umgerissen, sind somit eine Gefahr für Fahrradfahrer und vor allem für Kinder ist es eine massive Belastung. Die Kinder haben richtig Angst.“ Bereits zur elften Sitzung traf sich am Dienstag der Veedelsbeirat Kwartier Latäng, um die Karnevalsfeiern rund um die Zülpicher Straße zu bilanzieren.
Mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre sorgt sich der Großteil der Bewohner im Kwartier Latäng um die Zukunft. Das Viertel werde immer mehr zum Hochsicherheitstrakt, immer mehr Zäune, immer mehr Sicherheitskräfte, immer mehr Absperrungen. „Es kommt mir vor, als würden wir hier jedes Mal ein Riesen-Festival hinzimmern“, sagt ein Anwohner der Hochstadenstraße.“ Von ihrer Wohnung in der Spichernstraße beobachtete eine andere Anwohnerin die Aufbauarbeiten und stellte entsetzt fest: „Das wirkt wie Kriegsvorbereitung.“ Gastronomin Anna Heller (Hellers Brauhaus) kritisiert das „selbstverständliche Sperren von allem“. Als sie am Karnevalsfreitag ihre Kinder aus dem Kindergarten abholte, sei sie danach „im Prinzip nicht mehr nach Hause gekommen“. Vor ein paar Jahren sei das noch anders gewesen. „Da wurde gesperrt, wenn es notwendig war und nicht, wenn da zum Beispiel am Sonntag ein paar Feiernde rumstanden.“
Zur Freude vieler Anwohner sorgte der Regen in diesem Jahr für einen vergleichsweise ruhigen Karneval. „Es war das schönste Jahr, das wir in den vergangenen zehn Jahren hatten“, resümiert ein Anwohner der Meister-Gerhard-Straße. Doch auch, wenn es in diesem Jahr ruhiger blieb als sonst, litten die Menschen im Univiertel unter Wildpinklern, verdreckten Fassaden und jungen Feiernden, die ihre Notdurft in Treppenhäusern verrichteten. „Muss man das akzeptieren?“, fragt sich eine Frau mit Wohnsitz am Rathenauplatz. „Ich akzeptiere es nicht. Mir passt es nicht, wenn wir davon abhängig sind, dass es wieder regnet oder der Elfte Elfte auf einen Montag fällt.“
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Bereits vor Beginn des Straßenkarnevals holten sich Mitglieder des Veedelsbeirats die Meinung eines Anwalts ein. „Wenn man wirklich etwas verändern will, kommt man nur mit einer Klage weiter“, lautete die Einschätzung des Rechtsexperten. Dafür müsste sich allerdings ein Hauseigentümer finden, der die nötigen finanziellen Mittel in die Hand nimmt.
Vorschläge aus den Reihen des Veedelsbeirats, wie in Zukunft gefeiert werden soll, gibt es viele. Umsetzbar sind davon die wenigsten. Zugang auf die Zülpicher Straße nur mit Tickets? Funktioniert rechtlich nicht. Uniwiese einfach umzäunen? Wo wandern die überschüssigen Menschen dann hin? Als Ausweichfläche wünschen sich viele die Nord-Süd-Fahrt, die auch die Umweltschützer des BUND als Alternative für die Entlastungsfläche auf der Uniwiese favorisieren. Die Stadt hält die Fläche im Inneren Grüngürtel weiterhin für alternativlos.
Die perfekte Lösung lässt sich auch in der elften Sitzung des Veedelsbeirats nicht finden. Für das Gremium, das ohnehin nicht entscheidungsbefugt ist, gehe es für Bezirksbürgermeister und Initiator Andreas Hupke darum, mit langem Atem immer wieder auf die Missstände hinzuweisen. Das Sicherheitskonzept, die vielen Zäune und Absperrungen, müssten nach und nach reduziert werden. „Wenn wir unseren Traum verlieren, dass es hier wieder zu Verhältnissen kommt, für die wir kämpfen, dann ist das fast wie Resignation“, sagt Hupke. „Das darf nicht eintreten. Und das wird auch nicht eintreten.“