Die kontrollierte Sprengung einer Bombe in Köln-Merheim forderte die Evakuierung von rund 6400 Menschen und drei Kliniken, ein bundesweit einmaliger Fall.
Evakuierung in KölnSo lief die kontrollierte Sprengung der Bombe in Merheim
„Mama, wer repariert denn die Bombe?“ Für den dreijährigen Benjamin aus Merheim war die vergangene Woche sehr aufregend. Als seine Mutter Kristina Unger ihm erzählte, dass in der Nähe ihres Zuhauses eine Bombe gefunden worden sei, sprudelten die Fragen nur so aus ihm heraus: „Warum ist da denn eine Bombe? Und wer darf jetzt dahingehen?“, fragte er interessiert.
Anfangs wusste die Familie nicht, wann sie ihr Eigenheim im Evakuierungsradius verlassen müssen. „Wir wurden vorgewarnt, dass es unter Umständen ganz schnell gehen könne und wir die Kinder dann spontan aus Kita und Grundschule abholen müssten“, erzählte die dreifache Mutter. Deswegen waren doch alle etwas nervös in den vergangenen Tagen. Viele Bekannte reisten einfach einen Tag eher in den Herbsturlaub. Um sich dem möglichen Zeitdruck am Freitag nicht auszusetzen, fuhr Familie Unger dann schon Donnerstagabend zu den Großeltern. „Beim Packen haben wir doch etwas anders überlegt und vorsichtshalber auch die Rollläden geschlossen“, so die 38-Jährige.
Die Rollläden waren am Freitagmorgen an vielen Einfamilienhäusern im Evakuierungsradius heruntergelassen. Rund 6400 Menschen mussten ihr Zuhause verlassen. Dies kontrollierten unter anderem Nicole Staubach und Natalie Riha. Die Mitarbeiterinnen vom Ordnungsdienst der Stadt Köln gehörten zum Team, das im sogenannten Sektor 2 die Klingelrundgänge durchführte. „Die meisten sind schon weg“, sagte Riha, während sie von einem Haus zum anderen lief, um zu schauen, ob noch Menschen vor Ort sind. Dank der Informationen vorab und der günstigen Tageszeit wirkte die Siedlung schon ab 9.30 Uhr wie ausgestorben. Aktiv werden müssten sie nur, wenn es Hinweise gäbe, dass noch jemand zu Hause sei, erzählte Staubach. Rund 200 Mitarbeitende vom Ordnungsamt und 40 Polizisten durchkämmten die Straßen, um auch noch die letzten dazu zu bewegen, das Gelände zu verlassen.
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Wer keine private Anlaufstelle hatte, konnte in der Gesamtschule Holweide warten. Rund 50 Anwohnende wurden dort zeitweise versorgt. Laut Ordnungsamt werde immer von rund zehn Prozent der Betroffenen ausgegangen, aber da es der letzte Tag vor den Herbstferien war, wurde das Angebot von weniger Menschen genutzt.
Zeitgleich wurde am Vormittag die LVR-Klinik evakuiert. Während das Klinikum Merheim und die RehaNova-Klinik bereits in den Tagen zuvor geräumt worden waren, sollte den psychisch Erkrankten der LVR-Klinik nur ein möglichst kurzer Zeitraum in anderen Einrichtungen zugemutet werden. 285 Menschen wurden in bereitgestellten KVB-Bussen und mit Krankentransporten in andere Kliniken in der Nähe gebracht. Brigitte Lohmanns, Sprecherin des LVR-Klinikverbunds, sagte: „Das bekannte Team begleitet jeden einzelnen Patienten.“ Denn Veränderung und Unruhe seien schlecht für psychisch Kranke.
Evakuierung in Köln-Merheim: Ein langer Einsatz
Einen langen Einsatz bedeutete die Evakuierung auch für die Feuerwehr. Pressesprecher Ulrich Laschet sagte: „Wir sind sehr zufrieden und haben alle Zeitpläne eingehalten.“ Die mehrmonatigen Vorplanungen hätten sich rentiert. Anders wäre diese Mammutaufgabe kaum zu bewältigen gewesen. Rund 320 Einsatzkräfte, davon 70 bis 80 Prozent Ehrenamtliche, seien mit 106 Fahrzeugen im Einsatz, so Laschet. „Dass drei Kliniken leergeräumt werden müssen, ist meines Wissens nach bundesweit einmalig.“
Nachdem der Luftraum gesperrt worden war, wurde gegen 14.15 Uhr die Freigabe erteilt. Technischer Einsatzleiter Dirk Putzer und Marcel Biewald vom Kampfmittelbeseitigungsdienst der Bezirksregierung Düsseldorf konnten nun tätig werden. „Nervenkitzel ist das nicht, aber es gibt eine gewisse Grundspannung und Respekt sowieso“, sagte Putzer, der seit rund 30 Jahren Kampfmittel beseitigt. „Risiken werden bei uns nicht eingegangen.“ Zwar sei eine solche Bombe „nicht unüblich“, doch nur einer der Aufschlagszünder konnte herausgedreht werden. So fiel am Nachmittag die Entscheidung, den Blindgänger kontrolliert zu sprengen.
Laster voll Sand für die kontrollierte Sprengung
Dies verzögerte sich aber trotz der guten Vorplanung, da mit Sand beladene Schwerlaster zum Teil aus Bornheim zur Fundstelle gebracht werden mussten. Neben dem Fundort wurde dann ein Loch gegraben, in das der Blindgänger vorsichtig gelegt wurde. Die insgesamt 150 Tonnen Sand darauf dienten dazu, die Druckwelle und möglichen Splitterflug zu dämpfen. Um 17.57 Uhr wurde die Bombe dann endlich gesprengt. Am Abend sollten noch die Reste des Blindgängers abtransportiert und die Umgebung geprüft und gereinigt werden.
Der dreijährige Benjamin war am Abend beruhigt, dass jemand die Bombe „repariert“ hat und er und seine Familie wieder nach Hause können.