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Expertin über Cannabis-Legalisierung„Mit der Legalisierung erfolgt eine Normalisierung“

Lesezeit 3 Minuten

Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Ärztliche Leiterin der LVR Klinik Merheim

Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Ärztliche Leiterin der LVR Klinik Merheim, über die Cannabis-Legalisierung aus medizinischer Sicht.

Frau Prof. Gouzoulis-Mayfrank, mit welchen Krankheitsbildern kommen die Konsumentinnen und Konsumenten zu Ihnen in die Klinik?

Zu uns kommen Menschen, die eine so starke Abhängigkeit entwickelt haben, dass es ihren Alltag erheblich beeinflusst. Die durch ihre Sucht psychische Probleme, wie Angst und Depressionen entwickeln, und nicht mehr zur Arbeit gehen können. Und eine zweite Gruppe, bei denen der Konsum von Cannabis Komplikationen wie etwa eine schwere Psychose ausgelöst hat. Diese Patienten bleiben dann oft auch stationär bei uns. 

Haben sich die Fallzahlen von suchtkranken Cannabiskonsumenten seit der Legalisierung in der LVR Klinik in Merheim verändert?

Nein, das kann man so nicht sagen. Dafür ist ein Jahr auch ein zu kurzer Zeitraum. Ich habe auch nicht unbedingt den Eindruck, dass seitdem mehr Menschen Cannabis konsumieren. Allerdings hat sich der Konsum selbst verändert.

Woran machen Sie dieses veränderte Konsumverhalten fest?

Ohne es mit konkreten Zahlen belegen zu können, ist die Konsummenge der einzelnen Patientinnen und Patienten im vergangenen Jahr noch mal gestiegen. Ich denke schon, dass wir hier einen ersten Effekt der Legalisierung sehen. 

Was sind Ihre Kritikpunkte an der Legalisierung?

Als Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) vertrete ich vor allem die Position, dass die Altersgrenzen im Gesetz viel zu niedrig angesetzt wurden. Auch bei jungen Erwachsenen ist das Gehirn noch vulnerabel, durch die Grundlagenforschung gibt es diese Erkenntnis schon lange. Solange es nicht ausgereift ist, können die Effekte durch Cannabis problematischer und langanhaltender sein. Daher hatten wir als Fachgesellschaft zunächst 25 als Altersgrenze vorgeschlagen, als Kompromiss 21. 

Aber die Politik hat eine Altersgrenze von 18 Jahren festgelegt.

Die Politik hat nicht auf die Wissenschaft gehört. Ich finde natürlich auch den Gedanken der Entkriminalisierung gut und verständlich, aber trotzdem wurden insgesamt die Vor- und Nachteile einer Legalisierung nicht gut gegeneinander abgewogen. Und ich sehe mehr Nachteile.

Was ist noch einer?

Mit der Legalisierung erfolgt eine Normalisierung. Das bemerken wir auch schon in unserer Klinik. Der Konsum wird verharmlost: Wenn es legal ist, wird es ja nicht so schlimm sein. Diese Einstellung wird immer häufiger. Das sehe ich sehr bedenklich. 

Wie beurteilen Sie das Geschäft mit medizinischem Cannabis?

Das ist eine Entwicklung, die sehr problematisch ist. Der Markt explodiert, zum Teil sehe ich auch keine eindeutige medizinische Nutzung. Die Werbung ist oft aggressiv, das sehe ich sehr kritisch, da es zu noch mehr Konsumenten führen könnte.

Kann die Suchttherapie das leisten?

Sollte zu der Teillegalisierung noch eine Kommerzialisierung dazukommen, sehe ich erhebliche Komplikationen auf uns zukommen. In Kanada, die diesen Schritt schon gegangen sind, gibt es immer mehr neu auftretende Psychosen. Mit solchen Problemen müssen wir dann auch hierzulande kämpfen. Fast alle Cannabisabhängigen entwickeln irgendwann eine weitere psychische Störung. Das aufzufangen, wird schwer.