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Bundestagswahl 2021In Köln-Kalk können Migranten ihre Stimme abgeben

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Blick in die Wahlkabine zur „Bundesmigrantinnenwahl“ Fotos: Hans-Willi Hermans

Kalk – Wer sich nur ein wenig im Stadtteil Kalk auskennt weiß, dass der ohne Elizaveta Khan und ihren unermüdlichen Einsatz für die Belange von Zuwanderern und ihre Anstöße für interkulturelle Begegnungen ein ganzes Stück ärmer wäre. Die Gründerin und Vorsitzende des Vereins Integrationshaus, Dozentin an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften an der TH und Deutschlehrerin, lebt seit 30 Jahren in Deutschland – aber sie hat keinen deutschen Pass, der Antrag läuft seit sieben Jahren.

Wahl per Zettel oder Online

Analog wählen können alle Bürger ohne deutschen Pass nur am Eingang des Integrationshaus, Ottmar-Pohl-Platz, und zwar montags bis freitags von 8 bis 20 Uhr. Ihre Stimme können die Interessenten aber auch auf der Internetseite des Integrationshauses abgeben (bis einschließlich Samstag, 5. September). Auf der Seite finden sich weitere Erklärungen und Informationen, beispielsweise einen Link zur Liste mit allen offiziell zur Wahl stehenden Parteien. Am Tag der Bundestagswahl (Sonntag, 26. September) findet auf der Internet-Präsenz des WDR eine Live-Sendung vom Ottmar-Pohl-Platz statt, bei der dann mit Experten über die Ergebnisse der „Bundesmigrantinnenwahl“ diskutiert wird.(hwh)

http://http://ihaus.org/blog/die-bundesmigrantinnenwahl-2021/

Folglich darf sie bei der anstehenden Bundestagswahl nicht mitmachen. Doch seit kurzem steht neben dem Eingang zum Integrationshaus am Ottmar- Pohl-Platz eine ganz besondere Wahlkabine – eine Wahlkabine für Menschen, die gar nicht wählen dürfen sozusagen. „Es geht selbstverständlich nicht um mich, sondern um die vielen Zuwanderer, die hier gleich nach ihrer Ankunft Demokratiekurse absolvieren müssen, aber dann an den demokratischen Prozessen überhaupt nicht teilnehmen dürfen“, erklärt Khan die Aktion „Bundesmigrantinnenwahl“.„Dabei ist gerade der Mangel an Demokratie häufig ein Grund für die Flucht nach Deutschland.“Deshalb hätten in der Wahlkabine mit der Aufschrift „Ihr dürft nicht wählen – jetzt mitmachen“ schon in der ersten Woche 70 Menschen ihre Stimme abgegeben. Natürlich kann die Stimme auch online abgegeben werden, ein QR-Code auf der Kabine führt zur entsprechenden Seite.

Stimmen werden am Wahlabend ausgezählt

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Bundesmigrantinnenwahl: Tomke Winterboer, Aurore Lescot, Clara Napp, Jakub Wandzioch (alle Akademie der Künste) und Elizavetha Kahn (v.l.)

Das vorläufige Endergebnis vom Ottmar-Pohl-Platz soll noch am Wahlabend ausgezählt sein und danach an die zuständigen Stellen der Bundesregierung weitergeleitet werden. Zusammen mit einigen vom Verein Coach gestalteten Postkarten, auf denen die Teilnehmer ihre Wünsche an die künftige Regierung notieren können.Getragen wird die „Bundesmigrantinnenwahl“, die unter dem Motto „Was wäre, wenn wir könnten?“ läuft, aber auch von der Akademie der Künste der Welt: Eine 2012 in Köln unter anderem auf Initiative von Navid Kermani gegründete Kulturinstitution mit internationaler Ausrichtung. Für Akademie-Mitglied Clara Napp ist die „Bundesmigrantinnenwahl“ eine Art Performance mit einem konkreten politischen Hintergrund. Denn in Deutschland leben mehr als 11 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, von denen knapp 7 Millionen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, erklärt Napp.

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Keine Teilhabe an Kommunalwahlen

Davon wiederum kämen rund 80 Prozent aus Nicht-EU-Staaten, dürften also nicht einmal bei Kommunalwahlen mit abstimmen: „Obwohl die zu einem großen Teil hier Steuern zahlen und die Wahlen große Auswirkungen auch auf ihr Leben haben. Dass das so viele sind, war mir lange nicht klar.“ Das Netzwerk „Die Vielen“, dem nach Angaben des Vereins rund 4500 Institutionen und Aktive aus dem Bereich Kunst und Kultur in Deutschland und Österreich angeschlossen sind, hatte deshalb zur bundesweiten Kampagne „Die Parlamente den Vielen“ aufgerufen. Sie wird von zahlreichen kreativen Aktionen in vielen Städten begleitet, in Kalk eben von der „Bundesmigrantinnenwahl“.„Wir fordern ja nicht gleich, dass alle hier lebenden ausländischen Bürger aus Nicht-EU-Ländern an der Bundestagswahl teilnehmen dürfen, aber über die Kommunal- oder Landtagswahlen sollte man nachdenken“, stellt Elizaveta Khan klar.

Nur zehn statt 47 Parteien

Voll und ganz folgt die Wahl den demokratischen Gepflogenheiten allerdings nicht. So können die Teilnehmer ihr Kreuz nur bei zehn statt der 47 zugelassenen Parteien machen. Auf der Liste fehlt zum Beispiel die AfD, dafür ist „du – die Urbanen. Eine HipHop-Partei“ dabei. Zwar bleiben die „Wähler“ auch hier anonym, doch sollen sie auf dem Wahlzettel ihre Nationalität und die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland eintragen. Auch, ob sie schon einmal an einer Wahl teilgenommen haben.