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Immer jüngere PatientenWie sich die Lage auf Kölns Intensivstationen verändert

Lesezeit 4 Minuten
Blick in die Intensivstation

Blick in eine Intensivstation

Der jüngste Patient, der derzeit mit einer Corona-Erkrankung auf der Intensivstation der Uniklinik Köln liegt, ist 31 Jahre alt. Es sind längst nicht mehr nur die Alten und Schwachen, die an die Beatmungsmaschinen angeschlossen werden müssen. „Die Altersstruktur hat sich in den vergangenen drei bis vier Wochen verändert“, sagt Dr. Matthias Kochanek, einer der leitenden Oberärzte der internistischen Intensivmedizin in der Uniklinik. „Wir haben viel mehr Patienten unter 60. Das sind in den meisten Fällen keine Menschen, denen es normalerweise gesundheitlich sehr schlecht geht. Sie kommen alle aus der Mitte der Gesellschaft.“

Noch keine statistische Auswertung möglich

Wissenschaftler warnen seit Wochen, die britische Corona-Variante sei aggressiver und könne auch jüngere Menschen hart treffen. Noch gibt es in Köln keine statistisch auswertbaren Zahlen, aber der Intensivmediziner Kochaneck schätzt, dass die Patienten auf der Intensivstation der Uniklinik aktuell fünf bis sieben Jahre jünger sind als noch vor ein paar Wochen. Den Altersdurchschnitt der Covid-Patienten in der Uniklinik schätzt er auf momentan 57 bis 59 Jahre.

Impfungen

3000 Mitarbeitende der städtischen Kliniken haben bereits Impfschutz, 2500 von ihnen sind bereits zweimal geimpft worden. Interessant: Geliefert wurden Ampullen für 2400 Erstimpfungen. Weil jedoch aus den Sechser-Ampullen sieben Impfdosen gezogen wurden, konnten letztlich deutlich mehr Personal geimpft werden.

70 Prozent beträgt laut Stadt die Impfbereitschaft bei Ärzten und Pflegepersonal den Kliniken. In den Heimen der Stadt liege die Immunitätsquote des Personals bei 87 Prozent. Die Zweitimpfungen dauern noch an. (tho)

Schon seit Tagen heißt es, die freie Kapazität der Intensivstationen liege nur noch bei sechs Prozent. Angesichts der Rechenmodelle zur Pandemie-Entwicklung und der Kraft der britischen Virus-Mutation wirkt das bedrohlich. Doch Professor Alexander Lechleuthner, Leitender Notarzt der Berufsfeuerwehr, beruhigt: „Die freien Kapazitäten sind kein alleiniger Maßstab. Wenn es wieder mehr Corona-Patienten gibt, können geplante Eingriffe verschoben werden“, erklärt er. Derzeit werden 68 Patienten auf den Intensivstationen behandelt. Zum Jahresende, in der Hochphase der Zweiten Coronawelle, waren es mal 170. Hinzu kamen die Corona-Patienten auf den normalen Stationen.

In der dritten Welle weniger „Luft nach oben“

Doch völlig unbesorgt ist auch Alexander Lechleuthner nicht. „Wir befinden uns in einer Talsohle nach der Zweiten Infektionswelle“, stellt er fest. Dennoch sei die Zahl der Corona-Patienten in den Kliniken derzeit vergleichbar mit dem Höchststand der ersten Welle im vorigen Frühjahr. „Wenn jetzt die dritte Welle beginnt, haben wir deutlich weniger Luft nach oben“, mahnt er. In ihren Prognosen schauen die Experten immer nur drei oder vier Tage nach vorne. „Wir sind sehr konservativ in unserer Berechnungen und versuchen realistisch zu planen“, erklärt er. Die Entwicklung der Inzidenzzahlen zeigt sich sieben bis zehn Tage später auf den Intensivstationen. Auch in Köln ist die Tendenz steigend. So wie im ganzen Land. Und die Patienten werden jünger.

Patienten auch ohne Vorerkrankungen

Diese Entwicklung können andere Intensivmediziner nur bestätigen. „Vorher war ein Viertel der Patienten auf den Intensivstationen über 80 Jahre alt – diese sind zu einem großen Teil nun geimpft“, beschreibt Professor Christian Karagiannidis, leitender Oberarzt der Lungenintensivstation der Lungenklinik Merheim, die Situation. Einen Zusatzeffekt gebe es nun durch die britische Virus-Mutation B.1.1.7. „Was auffällig ist: Bei manchen jüngeren Patienten, die mit der britischen Mutation erkrankt sind, gibt es keine Vorerkrankungen.“ Diese Beobachtung macht auch Dr. Matthias Kochanek in der Uniklinik, die Vorerkrankungen seien längst nicht mehr so offensichtlich wie in der ersten und zweiten Welle, „manchmal ist es sogar nur ein minimales Übergewicht“. Die Sterberate bei den unter 60-jährigen sei dagegen um ein vielfaches geringer, so Karagiannidis: „Daher erwarten wir, dass die durchschnittliche Behandlungsdauer der Jüngeren länger sein wird.“ Das St. Marien-Hospital hat zwar eine große geriatrische Station, aber auch dort beobachtet man eine Tendenz zu jüngeren Patienten und zu einer aggressiveren Virusvariante. „Das führt teilweise auch zu längeren Aufenthalten“, sagt Dr. Andreas Schlesinger, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Pneumologie. „Allerdings haben wir durch die Gabe von Antikörpern auch bessere Behandlungsmöglichkeiten als in den ersten beiden Wellen.“

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Wo stehen wir also aktuell? „Im Moment sind wir der Situation gut gewachsen“, sagt Chefarzt Schlesinger. Andere sind weniger optimistisch. „Ich halte es im Moment für die schwierigste Situation in der gesamten Pandemie“, sagt Professor Christian Karagiannidis von den Kliniken Köln. „Wir sind im exponentiellen Anstieg, das werden wir auch auf den Intensivstationen sehen, wenn nicht bald eine Notbremse kommt.“

Die Politik hat die Bremse wieder leicht angezogen, am Montag werden wieder viele Geschäfte schließen. Dass andere Kapazitäten der Krankenhäuser, etwa geplante Operationen, wie im Winter wieder eingeschränkt werden müssen, sieht auch er als bereits nicht mehr vermeidbar. Gibt jedoch zu bedenken: „Das Personal ist schon sehr erschöpft. Auch die aktuelle Situation wird wieder auf dem Rücken der Pflegenden und Ärzte ausgetragen.“