- Bei der Kommunalwahl holte die neue Partei Volt auf Anhieb 4,98 Prozent und vier Sitze im Stadtrat.
- Michael Fuchs sprach mit Fraktionschefin Jennifer Glashagen (30) und den Parteivorsitzenden Rebekka Müller (31) und Tobias Berger (29).
Köln – Hat der Erfolg Sie überrascht?
Müller: Unsere Erwartungen wurden übertroffen. Dass uns gleich beim ersten Mal so viele Menschen ihre Stimme gegeben haben, ist fantastisch und eine tolle Bestätigung für uns.
Wie haben Sie das geschafft?
Glashagen: Uns kannten viele ja noch nicht. Wir haben versucht, diesen Nachteil mit viel persönlichem Einsatz im Wahlkampf wettzumachen, und waren jeden Tag auf der Straße präsent. Wir sind stolz darauf, was wir auf die Beine gestellt haben.
Wie ist Volt organisiert?
Berger: Der NRW-Landesverband von Volt gründet sich am Sonntag in Dortmund, den Kreisverband Köln werden wir demnächst gründen. Wer sich für Volt interessiert, kann zu unserem Stammtisch kommen. Der findet donnerstags alle 14 Tage ab 19.30 Uhr im Cafe Magnus an der Zülpicher Straße statt. Corona-bedingt ist die Teilnehmerzahl begrenzt. Es gibt auch Online-Treffen, die von der Bundesebene organisiert werden.
Wächst die Partei weiter?
Müller: Definitiv. Ende Juli waren in Köln 320 Menschen in der Partei aktiv, jetzt sind es 440. Darunter sind 150 stimmberechtigte Mitglieder und 50 Volunteers (Freiwillige, Anm. d. Red.) sowie Bewerbungen für eine Mitgliedschaft und Unterstützer.
Um Mitglied zu werden, muss man sich bewerben?
Müller: Ja. Bei uns füllt man nicht einfach einen Antrag aus. Wir haben einen Prozess des gegenseitigen Kennenlernens vorgeschaltet. Man schnuppert erst mal rein und unterhält sich mit Mitgliedern über die politische Ausrichtung und die Ziele von Volt. Dabei stellt man fest, ob man zueinander passt.
Ist so eine Hürde nicht kontraproduktiv?
Glashagen: Absolut nicht. Wir sind offen für jeden, der mitarbeiten will und sich mit unseren Werten identifiziert. Man muss nicht Mitglied sein, um sich bei uns zu politisch zu engagieren. Aber wir haben auch schon erlebt, dass Leute falsche Vorstellungen von uns hatten. Dann sind solche Gespräche zu Beginn hilfreich, um auch mal sagen zu können: Deine Ansichten passen nicht zu uns.
Wofür steht Volt?
Berger: Als international aufgestellte Partei haben wir eine klare proeuropäische Haltung und sind gegen jede Form von Extremismus und Diskriminierung. Inhaltlich verfolgen wir einen progressiv-pragmatischen Kurs mit einem Schwerpunkt auf Digitalisierung.
Was will Volt anders machen?
Müller: Was uns von anderen Parteien unterscheidet, ist der „Best Practice“-Ansatz. Wir beschäftigen uns seit der Gründung von Volt mit der Frage: Wo gibt es in anderen Städten in Deutschland und Europa gute Lösungen für Probleme, die wir auch in Köln haben? Was können wir von den Erfolgsrezepten der anderen lernen? Wir müssen in Köln nicht alles neu erfinden.
Was heißt das für die Arbeit im Stadtrat?
Glashagen: Für uns ist alles neu, und wir haben großen Respekt vor der Aufgabe. Aber wir sagen als neue Fraktion auch selbstbewusst: Wir haben gute Ideen und möchten mit unserem Ansatz dazu beitragen, Probleme schneller zu lösen als bisher.
Im Rat gab es oft eher Streit, als dass man gemeinsam nach Lösungen gesucht hätte…
Berger: Uns geht es nicht um Macht- und Parteipolitik, sondern darum, wer die besten Ideen hat. Das ist ein Grundsatz von Volt quer durch alle Ebenen – national wie international. Diesen Ansatz leben wir als Partei konsequent und hoffen, ihn auch in den Stadtrat tragen zu können.
Das ist Volt
2017 wurde Volt als erste paneuropäische Partei gegründet – als Reaktion auf den Brexit und mit dem Ziel, Europa zusammen zu bringen. Bei der Kommunalwahl im September erreichte Volt im Stadtrat aus dem Stand Fraktionsstärke. Mit im Schnitt 30,8 Jahren stellt Volt die jüngste Fraktion im neuen Rat. (fu)
Sacharbeit statt Parteipolitik hört man oft. Am Ende geht es um Macht, Geld, Einfluss…
Müller: Sie können es naiv nennen, aber was wäre denn die Alternative? Wir wollen, dass die Probleme gelöst werden, und wir haben Ideen, wie das schneller und besser geht. Viele junge Menschen haben uns gewählt, damit sich etwas ändert.
Was packen Sie als Erstes an?
Glashagen: Topthema ist für uns die Mobilitätswende, damit es beim Klimaschutz vorangeht. Um das umzusetzen, müssen wir die Stadtverwaltung schneller digitalisieren. Viele Prozesse lassen sich automatisieren. Das macht die Verwaltung effizienter und setzt die Personalressourcen frei, die wir angesichts der zunehmenden Aufgaben dringend benötigen.
Heißt Mobilitätswende, dass man bald nicht mehr mit dem Auto in die City fahren darf?
Müller: Nein. Wir wollen keine Verbote, sondern ein ganzheitliches Konzept. Wenn insgesamt weniger Autos fahren, kann man viel mehr Aufenthaltsqualität schaffen. Das kommt allen zu Gute – in Stockholm waren die Menschen nach anfänglicher Skepsis begeistert. Damit es funktioniert, muss der Nahverkehr attraktiver werden, müssen Sharing-Angebote und Radwege ausgebaut werden.
Glashagen: Manches lässt sich ganz schnell ändern. Gut wäre zum Beispiel eine Lösung für die letzte Meile wie in Hamburg, wo man mit einer einzigen App auf alle verfügbaren Transportmittel zugreifen kann: Steht ein E-Scooter um die Ecke oder ein Leihfahrrad, wie weit ist es zu Fuß oder soll ich mir ein Taxi rufen? In Köln braucht man dafür momentan zig Apps, das sollte man zusammenführen.