Als Leiter der Innenstadtwache befasst sich Rüdiger Fink (48) mit den Freiluftpartys an den Wochenenden.
Thorsten Moeck sprach mit ihm über Flaschenwürfe und neue Phänomene.
Köln – Hatten Sie sich bei der Übernahme der Innenstadt-Wache einen sanfteren Einstieg gewünscht?
Die Kollegen haben mich gründlich in Kenntnis gesetzt, was in der Polizeiinspektion 1 auf mich zukommen kann. Ich war also wenig überrascht – weder über die Arbeit, noch über das Phänomen, das wir derzeit an den Wochenenden in der Stadt erleben.
Spätestens der tödliche Messerangriff auf einen 18-Jährigen auf der Zülpicher Straße Anfang August hat die Frage aufgeworfen, was da los ist. Haben Sie eine Antwort?
Das war eine ganz tragische Geschichte, keine Frage. Aber hier ziehen keine messerstechenden Horden durch Köln, von daher sollten wir diesen Fall losgelöst von dem grundsätzlichen Phänomen sehen. Das besteht darin, dass sich im Zuge der Pandemie und des Lockdowns die Partykultur der jungen Menschen ein wenig verändert hat. Sie haben sich eine Alternative zu ihren angestammten Lokalitäten gesucht und im öffentlichen Raum versammelt. Die Outdoor-Partyszene ist auch nach Öffnung der Diskotheken und Clubs geblieben. In diesem Ausmaß ist das ein neues Phänomen.
Aber es gibt einen Unterschied zwischen jungen Menschen, die mal über die Stränge schlagen und solchen, die einen Flaschenhagel auf Polizeiautos anzetteln. Mit was für einer Klientel haben Sie es auf der Zülpicher Straße oder am Aachener Weiher zu tun?
Das muss man differenziert betrachten. Auf der Zülpicher Straße treffen wir Menschen, die wir zuvor auf den Ringen im Rahmen unserer Einsätze getroffen haben. Hinzu kommen viele Menschen aus dem Umland, die gezielt anreisen. Hier spielt vielleicht auch der Bekanntheitsgrad der Zülpicher Straße durch den Straßenkarneval eine Rolle. Die Klientel hat sich geändert.
Mit Studentenviertel hat das also nicht mehr viel zu tun.
Es gibt auch noch Studenten, die hier feiern, aber von den Gastronomen bekommen wir die Rückmeldung, dass ein Teil des Stammpublikums aufgrund der veränderten Publikumsstruktur nicht mehr kommt. Grundsätzlich ist nach unserer Wahrnehmung die Stimmung aggressiver geworden. Das mag pandemiebedingt sein. Denn ich glaube, dass sich jetzt ein gewisser Druck entlädt, weil die Menschen lange Zeit unter Einschränkungen gelebt haben. Jede Art der Intervention durch Ordnungskräfte wird abgelehnt. Und im Laufe der Abende steigt mit dem Alkoholpegel auch das Aggressionspotenzial.
Zur Person
7 Jahre lang hat Polizeioberrat Rüdiger Fink (48) zuletzt verschiedene Abteilungen der Spezialeinheiten bei der Kölner Polizei geleitet. Im Juli hat der gebürtige Aachener die Leitung der Innenstadt-Wache übernommen. Er ist verheiratet, sein Sohn arbeitet bei der Polizei in Aachen. Fink hat seit 1990 zunächst im Wachdienst, dann bei der Kriminalpolizei im Rhein-Erft-Kreis gearbeitet. (tho)
Was dann problematisch wird, wenn jemand ein Messer in der Tasche hat.
Wir können eine Zunahme von Messerangriffen für diesen pulsierenden Bereich rund um die Zülpicher Straße nicht feststellen. Aber wir hatten beispielsweise allein im Monat Juli im Bereich der Innenstadt-Inspektion so viele Gewaltdelikte wie sonst nur in den Karnevalsmonaten oder Silvester. Insofern machen wir uns als Polizei durchaus Sorgen, dass sich dieses Phänomen verfestigen oder etablieren könnte.
Nun sind am Aachener Weiher Flutlichter aufgestellt worden, um die Sicherheit zu erhöhen. In der Politik ist vereinzelt von einer Notlösung die Rede. Sind Sie ratlos?
Nein, so sehe ich das nicht. Sicherlich kann man einem solchen Phänomen nie mit Einzelmaßnahmen begegnen. Es macht Sinn, sich ein Gesamtkonzept zu überlegen, solche Gespräche hat es gegeben. Das Lichtkonzept ist ein Teil von vielen. Für uns als Polizei ist es wichtig, die Straftäter aus der Dunkelheit zu holen.
Viele feiern ja auch friedlich.
Eben, es geht uns auch nicht darum, irgendjemandem das Feiern zu verbieten. Uns ist es wichtig, dass es friedlich bleibt. Teilweise treffen wir auf 1000 Personen, die aus kleinen Gruppen zu einer großen geworden sind.
Was heißt das für Ihr Einsatzkonzept. Sie benötigen viel Unterstützung durch Bereitschaftspolizei.
Ja, wir benötigen mehr Personal als früher auf den Ringen. Der Einsatzbereich rund um die Zülpicher Straße ist von uns erweitert worden.
Kommentar zum Thema: Aufgabe für helle Köpfe
von Thorsten Moeck
Mit viel Sarkasmus ließe sich nun jubilieren, weil Köln plötzlich doch noch über eine beleuchtete Laufstrecke im Grüngürtel verfügt. Ende 2015 war dem Projekt nach 14 Jahren zäher Debatten und vieler Gutachten endgültig das Licht ausgeknipst worden - zum Schutz von Waldohreule und Wasserfledermaus. Jetzt aber, nach Flaschenwürfen auf Polizeibeamte und der Vereinnahmung der Wiese durch partyaffines Publikum, brennt jedes Wochenende gleißend das Flutlicht am Aachener Weiher. Wie schnell sich Dinge ändern können, wenn die Politik gar nicht erst gefragt wird.
Folgen sozialer Isolation
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Gewaltdelikte müssen zur Not auch mit unorthodoxen Mitteln unterbunden werden. Die Stadtdirektorin hat nun die Verdrängung einer jungen und mitunter aggressiven Besucherklientel zum Ziel erklärt, die an Wochenenden recht rücksichtslos attraktive Zonen der Stadt okkupiert hat. Diese Entwicklung hat sich größtenteils während des Lockdowns vollzogen.
Neben der Frage, wer diese jungen Menschen sind und welcher Umgang mit ihnen wohl der Beste ist, geht es im Kern um die generellen Auswirkungen von Pandemie und sozialer Isolation auf Jugendliche. Es wäre ein Zeichen von Verblendung zu glauben, dass hierauf Polizei oder Ordnungsamt eine Antwort wüssten. Langfristig bedarf es deshalb keiner hellen Straßen und Plätze, sondern vieler heller Köpfe, um dieses gesellschaftliche Phänomen zu lösen.