Interview mit Dirk von LowtzowDer Tocotronic-Sänger über Exzesse, die Kölner und Schwierigkeiten in der Liebe
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Schnurrbärte wie die der Höhner: Für das Kölner Konzert am Elften im Elften hat Dirk von Lowtzow schon einige Ideen.
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Tocotronic spielen am 11. 11. im E-Werk. Sie wissen, was das bedeutet?
Ich weiß, was das bedeutet. (lacht) Wir kennen uns mit Karneval nicht so gut aus, aber ich freue mich schon drauf. Entweder kommen die Leute in bester Stimmung oder schon halb angekatert. Dann sind sie ungefähr auf unserem Level, und das kann zur Verständigung zwischen Band und Publikum nur beitragen.
Wir waren immer große Trinker und haben das jahrelang sehr exzessiv gemacht. Mit Ende 20 war es noch irgendwie charmant. Jetzt, mit Mitte 40 kann das schnell peinlich werden, das muss man leider sagen. Außerdem hat man ab Mitte 30 am nächsten Tag nicht nur einen Kater, sondern wird auch noch depressiv.
Aber doch nicht in Köln!
Nein, der Kölner geht nachmittags zum Büdchen, kann sich zwei, drei Kölsch reinknallen und geht dann wieder arbeiten. Die Kölner sind keine depressiven Trinker. Das habe ich immer sehr bewundert.
Sie sind ja richtiger Köln-Fan. Passend dazu ist das „Rote Album“ ihr elftes Album...
Jecker geht’s nicht! Vielleicht sollten wir uns zum Konzert so Schnurrbärte ankleben wie die der Höhner.
Das Thema der neuen CD ist die Liebe. Wird die Tour sehr emotional?
Wir sind ja immer emotional und haben viele Lieder über Liebe und Hass, was beides starke Emotionen sind. Das Pendel schlug aber vielleicht bis jetzt stärker gegen Hass aus. Mit dem ist es aber ein bisschen wie mit dem Alkohol: Das ist wahnsinnig charmant bis zu einem gewissen Alter, und dann wird es ganz schön peinlich. Deswegen haben wir uns jetzt der Liebe zugewendet.
Glauben Sie an die große Liebe?
Das ist mir zu abgedroschen und klingt so nach Frauenzeitschriftsideologie. Aber ich glaube daran, dass man nicht wegrennen sollte, wenn es kompliziert wird.
Sie singen auf Ihrer neuesten CD den Song „Ich öffne mich“. Ist das kompliziert in der Liebe?
Sich zu öffnen ist grundsätzlich schwierig, das macht die Liebe aber auch so interessant. Sie kann den Panzer, den man um sich hat, durchbrechen. Interessant ist auch, dass man neue Territorien an seinem eigenen Körper erst durch die Liebe kennenlernt.
Zum Beispiel?
Die Stelle hinter den Ohren. Die lernt man ja überhaupt erst durch Berührungen und Ertasten kennen. Durch sexuelle Praktiken öffnet man sich mehr und lernt Neues kennen.
Fällt es Ihnen schwer, über Sex zu singen?
Mir fällt es nicht schwer, aber es kommt darauf an, wie man es macht. Ich mag es nicht, wenn Texte sexistisch sind. Ich verabscheue Männerfantasien, auch wenn sie als Witz oder Schmäh oder sonst was getarnt werden. Antifeminismus ekelt mich an.
Sie haben auch ein Lied über Rassismus gemacht, „Racist Friend“. Wussten Sie, dass es aktuell im Internet wieder geteilt wird?
Das habe ich noch nicht gewusst, ich bin wenig in sozialen Netzwerken unterwegs. Aber ich finde es super, wenn so etwas passiert. Seit einigen Jahren haben wir auch eine Kooperation mit Pro Asyl, die bei unseren Konzerten über ihre Organisation informieren. Fairerweise muss man aber sagen, dass „Racist Friend“ eine Coverversion ist.
Tocotronic spielen am 11. November im E-Werk. Karten kosten 32 Euro.