Köln – Nach rund sechsstündiger Verhandlung entschied der Vorsitzende der 5. Großen Strafkammer, Peter Koerfers, ein wenig überraschend: „Die Verhandlung wird heute nicht fortgesetzt.“ Anschließend verdonnerte er eine Gutachterin vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln zum Nachsitzen.
Insulin Halbwertszeiten müssen neu berechnet werden
Bis zum nächsten Verhandlungstag muss die 49-Jährige Halbwertszeiten von Insulin im menschlichen Körper neu berechnen. Zuvor hatte die Rechtsmedizinerin eingeräumt, sich an mehreren Stellen verrechnet zu haben. „Da hatte ich wohl einen Denkfehler“, sagte die 49-Jährige. In einem von der Verteidigung bestellten Gegengutachten waren ihr „klare mathematische Fehler“ nachgewiesen worden.
Seit rund zwei Jahren sitzt eine 42-Jährige — auch wegen dieses Gutachtens — mittlerweile in U-Haft. Der Vorwurf: Sie soll versucht haben ihren Schwiegervater (81), einen renommierten Arzt aus dem Kölner Westen, mit einer Überdosis Insulin zu töten.
Frage nach der Insulin-Dosis ist entscheidend
Laut Anklage soll die Frau am Nachmittag des 5. Juli 2020 dem Senior mit ihrer Tochter einen Besuch abgestattet haben. Während des Besuchs soll sie ihrem Schwiegervater erst ein Beruhigungsmittel — vermutlich in den Kaffee gemischt — und anschließend eine Überdosis Insulin verabreicht haben. Als der Mann am nächsten Morgen von seiner Haushälterin gefunden worden war, war er nicht mehr bei Bewusstsein.
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Zwar überlebte der Senior, doch seither ist er ein schwerer Pflegefall. Neben dem Gutachten der Rechtsmedizin belasten die 42-Jährige aber auch verdächtige Suchverläufe im Internet. So soll die Angeklagte auf ihrem Handy nach perfekten Mordmethoden — auch mit Insulin — recherchiert haben und die Suchverläufe gelöscht haben.
Dennoch: Die Plausibilität der angeklagten Tat steht und fällt mit dem rechtsmedizinischen Gutachten. Und die wesentlichen Ergebnisse dieses Gutachtens hat am Dienstag der von der Verteidigung beauftragte Diabetes-Experte erschüttert. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ schließt der Experte aus, dass dem Senior am Nachmittag des 5. Juli mindestens 25 Insulin-Pens verabreicht wurden.
Verabreichung ist wichtig für Alibi
Die Verabreichung hätte nicht nur „unrealistisch lange“ gedauert, sondern wäre ohne Glucosezufuhr über einen Zeitraum von mehr als zwölf Stunden „nicht mit dem Leben vereinbar“, sagte der Experte. Er hält eine Insulin-Gabe am Morgen des 6. Juli zwischen 6 und 7 Uhr für plausibler.
Dies würde auch das gemessene Insulin-Konzentrationsmaximum bei dem 82-Jährigen gegen Mittag des 6. Juli erklären, ohne von einer „exorbitant hohen Dosierung“ am Vortag ausgehen zu müssen. Für den Morgen des 6- Juli hätte die Angeklagte ein Alibi. Da war sie zuhause.