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Köln-HöhenbergAm Sportpark sollen zu viele Corona-Tests abgerechnet worden sein

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Das Testzentrum im Sportpark Höhenberg  

Köln – Das Testzentrum auf dem Parkplatz gegenüber dem Sportpark Höhenberg lag für Fußball-Fans perfekt. Auf dem Weg zum Spiel bot sich der Corona-Test an, auch die Akteure selbst haben sich dort getestet. Nun steht der Verdacht im Raum, dass die Zahl der abgerechneten Tests weitaus höher liegt als die tatsächlich vorgenommenen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Gegen den Club liegt kein Verdacht vor.

Betreiber der Station ist laut Webseite der Teststelle die Firma „Das Team Service GmbH“ mit Sitz in Mülheim. Laut Recherchen der Süddeutschen Zeitung gehört die Firma zur „weitläufigen Unternehmensgruppe“ des Multimillionärs Franz-Josef Wernze. Wernze gehört die European Tax an Law-Group (ETL) – ein Kanzleiverbund. Wernze unterstützt den Fußball-Drittligisten Viktoria Köln als Mäzen, hat sich aber bereits vor zwei Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. ETL ist Trikotsponsor der Rechtsrheinischen. Viktoria Köln teilte über einen Anwalt mit, man sei nicht Betreiber des Testzentrums und selbstverständlich nicht an den Erlösen beteiligt.

„Keine Geschäftsbeziehung zu Viktoria Köln“

An mehreren Tagen zählten Reporter des WDR die Personen, die sich von Öffnung bis Schließung in Höhenberg testen ließen. Am Freitag, 13. Mai, zählte das Team 52 Fußgänger und 101 Personen in Autos, die einen Test durchführen ließen. Ans Ministerium habe die Teststelle allerdings 2670 Tests gemeldet. Drei Tage später zählte das Rechercheteam 178 Tests, gemeldet worden seien 2186 Tests. Allein in diesem Jahr meldete die Höhenberger Teststelle laut Rechercheteam mehr als 234 000 Bürgertests. Das würde Einnahmen von rund 2,8 Millionen Euro bedeuten. Für jeden Test zahlt der Staat dem Betreiber pauschal 11,50 Euro, bis Januar waren es noch 12,50 Euro.

Nachdem das Team den Betreiber der Teststelle mit den Recherchen konfrontierte, seien die Testzahlen schlagartig um 90 Prozent zurückgegangen. Auf Anfrage der Rundschau wollte sich der Betreiber am Dienstag nicht zum Sachverhalt äußern. Wernzes Anwalt sagte laut Süddeutscher Zeitung, sein Mandant habe sich „schon länger aus dem operativen Geschäft zurückgezogen“ und könne nichts zur aktuellen Situation sagen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, werde sein Mandant nicht zögern, die gebotenen Konsequenzen zu ziehen. Die Rundschau konnte Wernzes Anwalt am Dienstag nicht erreichen. Als Grund für seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit nannte Wernze vor zwei Jahren „immer wiederkehrende Anfeindung“, auch gegen seine Familie. Schon zuvor plagten in immer wieder gesundheitliche Probleme. Die Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft richten sich gegen den Betreiber der Teststelle, nicht gegen Viktoria.

Auffällige Meldezahlen schon im Oktober aufgefallen

Viktoria Köln hatte im Mai 2021 auf der clubeigenen Homepage auf die Eröffnung des Testzentrums hingewiesen. Ein Banner des Clubs ist dort aufgehängt. Der Stadt Köln seien die auffälligen Meldezahlen und Positivquoten im Oktober 2021 aufgefallen, teilte eine Stadtsprecherin mit. Zuvor habe es nach Beschwerden anlassbezogene Begehungen gegeben – im Juni, August und September 2021, zuletzt im Januar 2022. Die Stadt habe die Teststelle aufgrund der Auffälligkeiten am 26. Januar an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) gemeldet, ein zweites Mal am 23. April.

Alles Weitere, auch die Einschaltung der Staatsanwaltschaft bei Betrugsverdacht, sei Aufgabe der KV, teilte die Stadt mit. Ein KV-Sprecher sagte, man äußere sich zu Abrechnungs-Details einzelner Teststellen nicht öffentlich. „Zudem handelt es sich im konkreten Fall – wie beschrieben- um ein laufendes Verfahren, dessen Ergebnisse derzeit noch nicht feststehen“, sagte der Sprecher.

Die Unregelmäßigkeiten in Höhenberg sind kein Einzelfall. Schon vor einem Jahr war in mehreren NRW-Städten der Verdacht von Abrechnungsbetrug aufgekommen. Auch in Köln-Marsdorf hatten sich Auffälligkeiten ergeben. Die Stadt hat später das Testzentrum kontrolliert, die Zahlen als „nicht plausibel“ eingestuft und die KV benachrichtigt.

Prozess vor dem Bochumer Landgericht

Vor dem Landgericht Bochum läuft derzeit der Prozess gegen den Corona-Teststellen-Betreiber Medican. Dem Angeklagten wird Abrechnungsbetrug in Höhe von 25 Millionen Euro vorgeworfen. Er hatte in ganz Deutschland Testzentren aufgebaut und betrieben, darunter in Marsdorf. Dort sollen an einem Tag statt knapp 80 tatsächlich genommener Proben 977 abgerechnet worden sein. Statt 1400 Euro wurden angeblich 17 500 Euro geltend gemacht. Am Dienstag räumte der 49-jährige Angeklagte den Betrug erstmals grundsätzlich ein.

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Aktuell gibt es in Köln laut Webseite der Stadt knapp 300 private Testzentren. Grundsätzlich muss der Betreiber für die Einrichtung eines Testzentrums selbst aufkommen. Er erhält aber finanzielle Unterstützung. Neben der Erstattung für die Tests gibt es eine Einrichtungspauschale und eine Monatspauschale für den Betrieb, wenn das Zentrum mindestens 20 Stunden in der Woche inklusive Wochenendzeiten geöffnet ist. Arztpraxen sind von diesen Subventionen ausgenommen. Die Auszahlung der Testgebühren koordiniert die KV, die der Einrichtungs- und Monatspauschalen das städtische Gesundheitsamt.