Köln – Von einer „Ausgangslage, die ziemlich desolat war“, sprach Oberbürgermeisterin Henriette Reker am Montag bei ihrer Bilanz nach fünf Jahren Verwaltungsreform. In Stadtgesellschaft, Politik und der Stadtverwaltung selbst habe es „eine große Unzufriedenheit mit den Abläufen“ gegeben, das habe sie schon als Sozialdezernentin erfahren. Die Erkenntnis „Hier muss sich etwas ändern“ habe sie zu ihrer Kandidatur als OB 2015 getrieben. Was ist daraus geworden? Eine Analyse.
Wie war die Ausgangslage?
Der Stadtrat stellte 2017 für eine auf fünf Jahre angelegte Reform der Stadtverwaltung fünf Millionen Euro für externe Berater sowie 16 zusätzliche Stellen bereit. OB Reker gab das Ziel aus, Köln solle die modernste Stadtverwaltung Deutschlands werden. Ein ambitionierter Plan, an dem sie sich wird messen lassen müssen. „Der Befund war ja 2015, dass Köln nicht nur in nahezu allen Handlungsfeldern schlecht aufgestellt ist, sondern dass es auch ohne einen besonderen Impuls nicht mal die Fähigkeit hat, da raus zu kommen“, sagte Dr. Rainer Heinz vom Referat für Strategische Steuerung der Stadt.
Was ist seitdem passiert?
In den fünf Jahren startete das Reformteam eine Fülle von Projekten, Workshops und Reformprozessen mit Mitarbeitenden und Führungskräften. Jedes Jahr wurde ein Transparenzbericht vorgelegt, der 2022 erstmals digital erschien und künftig aktualisiert wird. Seit 2017 wurden 182 von 229 Projekten abgeschlossen, was laut Stadt bedeutet, dass die Kernziele erreicht wurden. Das sei mit 79 Prozent Erfolgsquote überdurchschnittlich, erklärte Projektleiter Maik Dick. 15 Projekte wurden eingestellt, 32 sind noch in Arbeit.
Welche konkreten Verbesserungen gibt es?
Ziel der Reform war unter anderem, Bürgerservice, Organisation und Kommunikation zu verbessern, die Digitalisierung voranzutreiben und die Stadt als Arbeitgeberin attraktiver zu machen.
Bewerbercenter
4200 externe Bewerber wurden seit dem Start des neuen Bewerbercenters der Stadt Köln im Oktober 2020 von der Stadtverwaltung eingestellt. Als eine Art interne Personalberatung steuert das Bewerbercenter die Auswahlverfahren für die städtischen Dienststellen und geht angesichts des Fachkräftemangels auch selbst aktiv auf mögliche Interessenten zu, etwa durch Präsenz auf Messen und in sozialen Medien.
Rund 60 Menschen arbeiten für die Personalrekrutierung der Stadt Köln, sie werden für diese Aufgabe speziell geschult. Das Bewerbercenter ist im Stadthaus Deutz, Westgebäude, in der 16. Etage untergebracht und bietet eine fantastische Aussicht auf Köln. Hier werden Bewerber empfangen und Vorstellungsgespräche durchgeführt. Wer einen neuen Job sucht, kann sich auch allgemein beraten lassen, ob es bei der Stadt berufliche Möglichkeiten gibt. Wer bei der Vorstellung überzeugt, aber nicht sofort eine Stelle ergattert, kann in einen Talentpool übernommen und bei künftigen Verfahren berücksichtigt werden.
Das Bewerbercenter bearbeitet künftig bis zu 17 000 Bewerbungen pro Jahr. Inklusive der Ausgaben für Werbung und Stellenanzeigen kostet es rund 3,5 Millionen Euro jährlich. (fu)
Aufsehen erregte etwa die Neuigkeit, dass Bürger seit 2020 Strafzettel beim Einkauf an der Supermarktkasse bezahlen können. Diese Möglichkeit nutzten voriges Jahr aber gerade mal 1,7 Prozent der Verkehrssünder. Dagegen erfreut sich das Projekt Online-Anmeldung der Hundesteuer großer Beliebtheit. Im April nutzten drei von vier Hundehaltern (74 Prozent) das neue digitale Verfahren. Die Stadt will es bald auf weitere Steuerarten wie etwa die Besteuerung von Geldspielgeräten ausweiten.
Was wurde noch verändert?
Die Stadt hat die Bürgerbeteiligung ausgebaut und dafür das Portal www.meinungfuer.koeln geschaffen. In den Kundenzentren aller neun Bürgerämter wurden Selbstbedienungsterminals aufgestellt. Wer neue Ausweisdokumente benötigt, kann dort seine biometrischen Fotos, Fingerabdrücke und Unterschrift erfassen lassen. Um in Zeiten des Fachkräftemangels genug Personal zu bekommen, hat die Stadt ein neues Bewerbercenter eingerichtet (siehe Infotext). Für die Belegschaft wurden neue Leitlinien für Führung und Zusammenarbeit erstellt.
Was ist mit der digitalen Bauakte?
Sie ist eines der wichtigsten Projekte der Reform und immer noch nicht fertig. Derzeit läuft ein Probebetrieb, seit April werden testweise erste Bauanträge digital eingereicht. Ab September sollen alle Wohnungsbauanträge online abgewickelt werden können, ab Ende des Jahres auch alle anderen. Warum es so lange gedauert hat? Das Problem war laut Dick etwa, dass 43 000 Baulastakten und rund 1300 Bebauungspläne nur in analoger Form vorlagen und erst aufwendig digitalisiert werden mussten, bevor ein digitales Verfahren möglich wurde.
Wie schätzt die Stadt die Ergebnisse selbst ein?
Die Verwaltung sei heute „leistungsstärker, aufgeschlossener und innovativer“ betonte die OB, räumte aber ein: „Ich habe es mir nicht so schwierig vorgestellt. Wir haben nicht so viel geschafft, wie wir uns vorgenommen haben.“ Bei einer Befragung erklärten 5063 Beschäftigte, die Reform habe einen geringen Effekt. 12 880 sahen einen mittleren Effekt, 3741 Mitarbeitende gaben an, die Reform habe eine hohe Wirkung.
Wie geht es weiter?
Die Reform soll durch ein neu gegründetes „Innovationsbüro“ fortgeführt und verstetigt werden. Dafür sind in 2022 und 2023 insgesamt 1,4 Millionen Euro für externe Berater vorgesehen. Das Rechnungsprüfungsamt hatte vor Doppelstrukturen gewarnt.