Köln-Chorweiler – Noch im vergangenen Jahr präsentierte sich die Bezirksvertretung (BV) Chorweiler nach den Kommunalwahlen als Hort der Stabilität, denn das Wahlergebnis erlaubte den Fraktionen von CDU und Grünen, ihre elfjährige Zusammenarbeit fortzusetzen. Doch jetzt ließ Lilo Heinrich, bislang Mitglied der Grünen-Fraktion, eine Bombe platzen: Schriftlich teilte sie ihren Fraktionskollegen mit, dass sie die Fraktion verlasse und aus der Partei austrete.
Stattdessen wird sie zukünftig als Einzelmandatsträgerin eine Fraktionsgemeinschaft mit dem Linken-Vertreter Klaus Roth eingehen. Die Kooperation aus CDU und Grünen verfügt somit nur noch über neun Stimmen und verliert ihre Mehrheit. Für Heinrichs Fraktionskollegen und die politischen Partner kam ihre Entscheidung aus heiterem Himmel.
Beweggründe sind unklar
Wolfgang Kleinjans, Vorsitzender der Grünen-Fraktion: „Es war völlig überraschend. Zu ihren Gründen hat sie sich nicht geäußert. Vielleicht liegt es am Lockdown.“ Auch Rainer Stuhlweißenburg (CDU) ist ratlos: „Ich kann es nicht nachvollziehen. Wir hatten engen Kontakt. An unserer Zusammenarbeit kann es nicht liegen.“ Auch Klaus Roth wusste bis kurz vorher nichts von seinem Glück. „Wir hatten bereits Kontakt, weil wir uns seit langem im Bezirk gegen Rassismus engagieren. Aber dass sie austreten will, kam auch für mich überraschend.“
Auf Nachfrage hält Heinrich sich bedeckt. „Es hat nicht funktioniert“, ist ihr Kommentar. Zwar ist sie der Meinung, ihre Unzufriedenheit den Fraktionskollegen gegenüber durchaus signalisiert zu haben, „doch offensichtlich nicht deutlich genug.“ Die Zusammenarbeit mit Roth sieht sie auch als „Unterstützung für dessen Arbeit, denn er engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich für den Bezirk.“
Ziele gemeinsam formuliert
In einer Presseerklärung haben beide bereits eine Reihe ambitionierter Ziele formuliert: Einen Ausbau des Angebots an Kinderbetreuungseinrichtungen, den Bau bezahlbarer Wohnungen, eine Verbesserung des ÖPNV und einen Ausbau des Radwegenetzes.
„Frau Heinrich ist keine Linke, politisch sind wir nicht hundertprozentig auf einer Wellenlinie“, räumt Roth ein, „aber um den 13.000 wohnungslosen Menschen in dieser Stadt ein Obdach verschaffen zu wollen, muss man keine Linke sein.“
Wie sich die Mehrheitsverhältnisse nun ordnen werden, ist noch völlig offen, CDU und Grüne geben sich zuversichtlich. „Es wird ein bisschen schwieriger werden, aber eine andere Mehrheit sehe ich auch nicht“, meint Norbert Schott, Fraktionsvorsitzender der CDU. Denn um die Partner von CDU und Grüne auszuhebeln, müssten die übrigen Parteien von ganz links bis ganz rechts an einem Strang ziehen. „Man wird nun von Fall zu Fall beraten müssen, wie eine Mehrheit zustande kommt, so wie das in anderen BV s eben auch der Fall ist“, so Kleinjans.
Bisher waren CDU und Grüne keine heilige Allianz, so Schott. „Wir hatten immer wieder unterschiedliche Positionen. Was man über jede demokratische Partei in der BV sagen kann ist, dass wir konstruktive Politik machen, keine konfrontative. Daher bin ich sicher, dass wir eine Linie finden werden.“
Bereits der zweite Fraktionswechsel
Zwar möchte Heinrich auch in Zukunft „erfolgreich mit den Kollegen zusammenarbeiten“, allerdings bietet ihr Amt als stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Potenzial für weitere Missstimmung. So sieht Bezirksbürgermeister Reinhard Zöllner ein „Fragezeichen darin, wie glaubwürdig sie jetzt noch ist.“
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Zöllner spielt darauf an, dass es für Heinrich bereits der zweite Fraktionswechsel ist: 2014 wurde sie für die SPD in die BV gewählt, wechselte kurz drauf zu den Grünen. „Sie wurde als Grünen-Vertreterin gewählt, darum bin ich mir nicht sicher, ob sie das Amt der Stellvertreterin nun nicht auf eine etwas unglückliche Art ausfüllt“, sagt Zöllner. Da Heinrich bereits erklärt hat, dass sie das Amt weiterhin ausüben will, bleibt die Möglichkeit einer Abwahl – für diese wäre eine Zweidrittel-Mehrheit nötig. „Ob wir diesen Weg gehen, beraten wir gerade, aber entschieden ist noch nichts“, so Zöllner.
Lilo Heinrich hat durchaus recht, wenn sie ihre Einschätzung für die nähere Zukunft der BV abgibt: „Es wird spannend“.