Köln – Betont locker steht Marc Metzger (40) vor dem Sachsenturm der Blauen Funken an einem Stehtisch. Liedermacherin Marie-Luise Nikuta feiert ihren 75. Geburtstag, Metzger und seine Frau Veronika gehören zu den Gästen. Er trägt eine sommerliche Dreiviertelhose, Hemd und Sonnenbrille. Als ihn eine Fotografin fragt, ob sie ein Bild von ihm machen dürfe, antwortet er: "Ja klar, ich steh eh gerade hier." Er gibt sich zuweilen wie auf der Bühne. Es ist sein erster öffentlicher Auftritt nach der Burnout-Erkrankung zu Beginn des Jahres. "Ich war schon nervös", gesteht er. Nach ein paar Minuten sei aber alles gewesen wie immer.
Dabei ist nichts mehr so wie früher. Das Leben von Marc Metzger war chaotisch. "Ein totales Durcheinander", sagt er. An einen geordneten Tagesablauf war nicht zu denken. "Ich habe nicht mehr gefrühstückt, gegessen habe ich nachts um drei Uhr", erzählt er. Auch seinen Umzug erledigte er nachts. Am 13. November 2012 war das, die Karnevalssession hatte gerade begonnen. Neun Stunden habe er mit seiner Frau Kisten geschleppt und ausgeräumt. "Sonst hatten wir keine Zeit. Das war normal. Ich habe nicht mehr geschlafen, bin nicht mehr weggegangen. Wir sind nie zu Einladungen erschienen, weil immer irgendwas wichtiger war", erzählt Metzger.
„Es hat richtig geknallt“
Dann kam der 4. Januar 2013, der Tag der Prinzenproklamation, der Auftakt des Sitzungskarnevals. Für 220 Auftritte war Metzger gebucht. Doch plötzlich brach er zu Hause zusammen.
"Es hat richtig geknallt. Ich habe auf dem Boden gelegen und war gelähmt, ich konnte nicht aufstehen, es ging gar nichts mehr. Ich konnte nicht mehr laufen und nicht mehr sprechen. Ich habe noch nach einem Arzt gerufen, damit ich arbeiten gehen kann. Nach diesem Satz hat meine Frau gesagt: Ein Arzt kann kommen, aber dann fahren wir mit Blaulicht in die Klinik."
Bis zu diesem Zusammenbruch hatte sich Marc Metzger für gesund gehalten. "Ich wusste gar nicht, dass ich ein Workaholic war. Im Gegenteil, ich habe immer gedacht, ich sei eine faule Sau. Das ist ja das Schlimme. Wenn man so drauf ist, kriegt man selber nicht mit, dass man zu viel macht", sagt er heute. Sein letzter Urlaub ist zehn Jahre her. Weil er nie Zeit hatte, hätten seine Freunde irgendwann aufgehört, ihn zu Partys einzuladen. Auch auf die Warnungen seiner Frau habe er nicht gehört. "Es ist krass, mit Anfang 40 umzufallen und zu denken: Ich habe ja nichts."
Der Tag des Zusammenbruchs hat das Leben von Marc Metzger grundlegend verändert, sagt er. Die Ernährung, seine Tagesstruktur - alles habe er umgekrempelt. Er wirkt ehrlich erstaunt, wenn er sagt: "Man kann sein Leben so gestalten, dass alles funktioniert. Ich habe festgestellt, dass es Kollegen gibt, die mittags und abends Zeit zum Essen haben." Momentan stehe er um 5.30 Uhr auf und fühle sich topfit, dafür gehe er auch um 22 Uhr ins Bett
Lebensbedrohlicher Zustand
Sein Zustand war offenbar lebensbedrohlich. Dessen ist er sich bewusst - vor allem, weil die Ärzte es ihm immer wieder eingebläut haben.
"Ich habe zwei Wochen nur gelegen, hatte die Rollladen runter. Der Arzt sagte, wenn Sie das noch zwei Wochen gemacht hätten, wären Sie nicht mehr aufgestanden. Es gibt zwölf Stufen beim Burnout. Ich war auf Stufe elf und hatte das Bein oben. Bei der zwölften Stufe ist man tot. Das ist krass, dies mitzukriegen."
In den vergangenen sieben Monaten hat Marc Metzger Ursachenforschung betrieben. Warum hat er Tag und Nacht gearbeitet? Mit Karrierestreben und finanziellen Erwägungen habe dies nichts zu tun gehabt, sagt er. Wobei es verständlich wäre. Pro Karnevalsauftritt hat er bislang 1200 Euro Gage eingestrichen. "Grenzwertig" sei die Zahl seiner Auftritte gewesen, sagt er heute.
"Ich hatte in den vergangenen Jahren schon versucht, das einzuschränken. Das ging aber nicht. Ich kann nicht Nein sagen und wollte es jedem recht machen. Wenn ich mal ein Loch von 90 Minuten hatte, habe ich zugesagt, obwohl ich an diesem Tag schon zehn andere Auftritte hatte."
Am 11. November beginnt die nächste Karnevalssession. Zum Auftakt wird er als Moderator in der Lanxess-Arena auf die Bühne zurückkehren. Ab Januar sollen 200 Auftritte als Büttenredner folgen. Mehr als acht Auftritte am Tag werde er nicht annehmen. Gebucht wurde er für diese Auftritte schon vor zwei Jahren - bevor er öffentlich machte, dass er bereits seit 15 Jahren an Multipler Sklerose leidet. Und bevor die psychische Erkrankung durchschlug. "In weiser Voraussicht hatte ich damals schon die Auftritte reduziert", sagt er. Anderthalb Tage Pause wolle er sich nun jede Woche gönnen. Inzwischen managt ihn seine Frau, von seiner damaligen Agentur hat er sich getrennt.
Wochenlang habe er nicht gewusst, was die Boulevard-Presse über ihn schrieb. Seine Frau habe alles von ihm ferngehalten. Erst später habe er von Gerüchten über Drogenmissbrauch und Alkoholsucht erfahren, die öffentlich gemacht worden waren. Marc Metzger hat für jedes dieser Gerüchte eine Erklärung.
Gezittert wie Espenlaub
In der Weihnachtszeit 2012 sei er an Keuchhusten erkrankt gewesen. Ein verschriebenes Medikament habe er jedoch nicht vertragen und mehrfach gezittert "wie Espenlaub", sagt er, dies sei eine Nebenwirkung des Medikaments gewesen.
"Nach der Brings-Weihnachtsshow sind die Gerüchte aufgetaucht. Ich hatte als Grunderkrankung Multiple Sklerose, habe nicht gegessen und nicht geschlafen und dieses Medikament verschrieben bekommen. Ich saß kalkweiß hinter der Bühne und habe gezittert. Trotzdem habe ich ein Bier mitgetrunken. Dann guckten die Leute und dachten: Der ist rotzvoll."
Wie schlecht es ihm Anfang des Jahres ging, sehe er auf Fotos aus dieser Zeit. "Ich sah aus wie der Tod", sagt er. Dennoch: Mit einer Alkoholerkrankung hätte er gar keine Burnout-Therapie beginnen können, gibt er zu bedenken. "Vorher hätte ich drei Monate in eine Suchtklinik gemusst, weil sonst kein Medikament wirkt."
Das Gerücht über seine Drogenabhängigkeit hat Marc Metzger offenbar einem Bekannten zu verdanken. Die Geschichte geht so:
"Ich hatte aufgezogene Spritzen im Kühlschrank. Meine Schwiegermutter ist Krankenschwester und meine Oma hat Zucker. Ein Freund wollte sich ein Bier aus dem Kühlschrank holen und wurde kalkweiß im Gesicht. Wochen später hörte ich, dass ich an der Nadel hänge. Ich dachte, das darf doch jetzt nicht wahr sein. Die Geschichte klingt völlig bescheuert, aber sie stimmt."
Bis Oktober haben ihm die Ärzte Ruhe verordnet. Er fühle sich gut, sagt er. Bereit, auf die Bühne zurückzukehren. Und auf sich zu achten.