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Tragischer Unfall auf der A3So geht es nach der Entpflichtung einer Schöffin mit dem Prozess weiter

Lesezeit 3 Minuten

Kriminalbeamte untersuchten nach dem Unfall die Lärmschutzwand der A3.

Die Nachricht kam völlig überraschend: Der Prozess um den schrecklichen Unfall auf der A3, bei dem eine Kölnerin starb, muss neu aufgerollt werden. Die wichtigsten Fragen dazu.

Der Prozess um die im November 2020 auf der Autobahn A3 von einem sechs Tonnen schweren Betonelement einer Schallschutzwand erschlagene Autofahrerin (66) muss komplett neu aufgerollt werden, wie die Rundschau berichtete. Die wichtigsten Fragen rund um diese überraschende Entscheidung.

Worum geht es in dem Prozess?

In dem Verfahren wird einem Bauingenieur (62), der Bauleiter bei der mit dem Ausbau der A3 zwischen 2006 und 2008 beauftragten Baufirma war, unter anderem Totschlag durch Unterlassen vorgeworfen. Der Mann soll laut Anklage davon gewusst haben, dass mehrere Schallschutzelemente aus Beton – darunter auch das abgestürzte – aufgrund technischer Schwierigkeiten bei der Montage nicht planmäßig befestigt wurden. Später sei die Konstruktion nur unter Vorbehalt eines Statik-Gutachtens abgenommen worden, obwohl dem 62-Jährigen da schon bekannt gewesen sei, dass ein solches Gutachten bereits vorliegt und negativ ausgefallen ist. In der Folge habe er das Gutachten nicht an den Landesbetrieb weitergeleitet. Neben dem 62-Jährigen sind noch zwei ehemalige Mitarbeiter (beide 59) von Straßen.NRW wegen fahrlässiger Tötung beschuldigt. Sie sollen, trotz Kenntnis der Abnahme unter Vorbehalt, das Gutachten bei dem 62-Jährigen nicht eingefordert haben.

Was hat das OLG entschieden?

Laut Oberlandesgericht ist ein sogenannter Besetzungseinwand berechtigt , den eine Pflichtverteidigerin eines der beiden 59-jährigen Angeklagten eingereicht hat. Die Verteidigerin hatte die Entpflichtung einer Schöffin durch die Vorsitzende Richterin Sibylle Grassmann gerügt. Die Entpflichtung erfolgte aus terminlichen Gründen. Die als Grundschuldirektorin tätige Schöffin ist laut Gericht am Einschulungstag beruflich unabkömmlich. Die Direktorin habe auch geltend gemacht, dass sie derzeit keine Vertreterin habe, da ihre Konrektorin abgeordnet sei. Zudem habe die Frau wegen der anberaumten 26 Verhandlungstage Unterrichtsausfälle für ihre Schülerinnen und Schüler befürchtet.

Wie begründet das OLG seine Entscheidung?

Das OLG betonte in seinem Beschluss die besonders strengen Anforderungen an das Schöffenamt. Laut NRW-Justizministerium handelt es sich um ein Ehrenamt, „das man grundsätzlich nicht ablehnen darf“. Als konkreter Grund für eine Entpflichtung führt das Ministerium nur eine ärztlich attestierte Verhandlungsunfähigkeit an. Weiter habe das OLG aber auch bemängelt, dass Grassmann die Entpflichtung nicht ausreichend dokumentiert und begründet habe. So seien dem OLG die Ausführungen zu Unterrichtsausfällen „zu unspezifisch“ gewesen. Auch hätte aus Sicht des OLG versucht werden müssen, notwendige Dienstgeschäfte der Schuldirektorin auf verhandlungsfreie Tage zu verlegen.

Wie werden Schöffen einem Verfahren beigeordnet?

„Die Schöffen werden im Vorfeld für ein Jahr einer Kammer zugeordnet“, erklärt ein Gerichtssprecher. Der Beginn eines Prozesses bestimmt dann, welche Schöffen an dem Prozess mitwirken. Der Grund: Jeder Angeklagte hat das Recht auf seinen „gesetzlich bestimmten Richter“. Hierbei handelt es sich um ein Justizgrundrecht, mit dem gewährleistet wird, dass für jeden Prozess bereits im Voraus bestimmt ist, welcher Richter zuständig ist. Eine einzelfallbezogene Auswahl eines Richters ist nicht erlaubt und soll so verhindert werden.

Was folgt daraus für das Verfahren?

Der Prozess wird am 2. September neu gestartet. Da durch werden auch neue Schöffen an dem Verfahren mitwirken. Bis Dezember sind nun zunächst 23 Verhandlungstage terminiert. Bei Bedarf kann aber jederzeit nachterminiert werden. Am 2. September muss dann die Anklage neu verlesen werden; die Verteidiger können erneut Eingangsstatements halten. Zudem müssen die bislang gehörten Zeugen alle erneut aussagen – darunter auch jener Autofahrer, der auf der Autobahn hinter dem Opfer stand und handlungsunfähig mitansehen musste, wie die 66-Jährige in ihrem VW Polo von der herabstürzenden Betonplatte erschlagen wurde. Denn mit der Entscheidung des OLG ist alles, was bisher gesagt oder festgestellt wurde, hinfällig.