Bei Anruf AbholungWie sich „click & collect“ im Kölner Handel durchsetzt
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Köln – Am Anfang war alles Improvisation – Chaos, Kreativität und auch ein bisschen Anarchie. Der erste Lockdown im Frühjahr hinterließ viele Fragezeichen. Was ist verboten, was erlaubt und was ein bisschen von beidem?
Viele Geschäftsleute arrangieren sich heute besser mit den Verordnungen. Zwangsweise, um den Laden irgendwie am Laufen zu halten. Was für Gänsekeulen gilt, trifft auch für Bücher und Modeartikel zu: Online bestellen und abholen ist erlaubt. Solange man den Laden selbst nicht betritt. „Click & collect“ nennt sich das.
„Das hilft uns schon sehr“, sagt Mira Scholz vom Buchladen Neusser Straße. Dort kann man im Eingangsbereich die bestellte Ware abholen. Die Kundschaft hat das Angebot gut angenommen, auch wenn es kein Vergleich zu vorher ist. „Man merkt natürlich, dass etwas fehlt. Aber es ist besser als nichts, und wir können den Kontakt zu unseren Kunden halten.“ Wenn es mit dem Abholen nicht klappt, springt der Fahrradkurier ein.
Wenn Gastro-Betriebe Außer-Haus-Verkauf anbieten, dann meistens auch die Abholung. Einen Lieferservice gibt es vielerorts nicht, die Gastronomen scheuen oft feste Verträge mit Bring-Diensten. Zu unberechenbar sind die Bestellungen, mal viel, mal kaum etwas, alles ein bisschen tagesabhängig.
Beim „Balthasar“ im Agnesviertel ist das Schnitzel eine Punktlandung, auf die Minute wird zur vereinbarten Zeit das dampfende Paket aus dem Fenster gereicht. „Der Außer-Haus-Verkauf reicht, um das Personal zu halten. Hier ist keiner entlassen worden, auch in der Küche nicht. Aber viel mehr als ein Zubrot ist das nicht. Und ein Dankeschön an unsere Gäste“, sagt Wirt Helmut Gymnich. Und noch etwas hat er in Corona-Zeiten festgestellt: Eine Renaissance der Nostalgie. „Viele kommen jetzt wieder mit dem Siphon, um frisches Bier zu holen. Eben ganz wie früher, als man dem Vater seinen Bembel brachte. Schmeckt ja auch viel frischer.“
Schaufensterpupppen als Gastersatz
Apropos frisch: Manch einer, der keine Speisen anbietet, will einfach zeigen, dass man da ist – und lässt sich dazu Besonderes einfallen. Hein Stiller etwa vom „Stüffje“ in Rodenkirchen hat regelmäßig die Bude voll mit Stammgästen und stilechtem Zappes an der Theke. Das Licht ist an, der Fußball läuft – viel zu erzählen hat sich das Publikum aber nicht: Die Gäste sind dekorierte Schaufensterpuppen. Öffnen darf das „Stüffje“ genauso wenig wie alle anderen.
Schwierig wird es oft bei der Bekleidung. „Viele Kunden sind zwar durch Online-Einkäufe mittlerweile gewohnt, Kleidung nicht mehr anprobieren zu können. Umso besser muss dann aber die Beratung etwa am Telefon sein,“ erklärt Petra Meurer von „lifestyle & fashion“ in Dellbrück. Sie hat das Geschäft erst im Dezember 2019 nach Köln verlegt, kurz darauf kam der erste Lockdown. Auch bei ihr kann man bestellte Ware am Geschäft abholen.
„Click & collect hilft zwar, bei den Kunden präsent zu bleiben. Aber große Geschäfte macht man so nicht“, sagt sie. Und es ist ein ziemlicher Aufwand: Telefon, WhatsApp, SMS und wieder zurück – nur, um dann möglicherweise doch eine Absage zu bekommen. Auch das zweite Standbein, das „personal shopping“, hat Corona-bedingt kaum noch Zulauf. Petra Meurer bietet eine individuelle Typberatung an. „Zum Glück bin ich schon lange im Geschäft“, sagt Meurer. Und klingt, als würde sie die Pandemie jetzt auch noch hinter sich bringen.
Die Kampagne „Kauf lokal“
Die Kampagne „Kauf lokal“ will dem Verlust des stationären Einzelhandels mit einem starken Verbund von Händlern entgegenwirken. Es sei das Einkaufsverhalten aller, das für den Erhalt vitaler Innenstädte entscheidend sei – so lautet die Botschaft der Kampagne, die von Miguel Müllenbach, CEO von Galeria Karstadt Kaufhof, und Frank Schuffelen, Vorstandssprecher der ANWR Group (eine genossenschaftlich geprägte Unternehmensgruppe, in der rund 5000 selbstständige Unternehmen der Schuh-, Sport- und Lederwarenbranche organisiert sind), ins Leben gerufen wurde. Auch in Köln haben sich bereits zahlreiche Geschäfte der Kampagne angeschlossen.
„Wir möchten mit ,Kauf lokal’ Händlern aller Art und Größe eine Plattform bieten, auf der sie nicht mehr einzeln, sondern mit geballter Kraft handeln können, um ihr Geschäft und damit die lebendigen Innenstädte und Gemeinden zu retten“, so Schuffelen. Der Online-Handel ist nicht aufzuhalten, und das will auch gar niemand mehr. „Vielmehr geht es uns darum, jeden Einzelnen darauf hinzuweisen, dass seine Art einzukaufen Auswirkungen auf den stationären Handel und damit auf die eigene Umgebung in der Stadt oder der Gemeinde hat“, erklärt Müllenbach. So könne jeder den lokalen Handel unterstützen, indem er beispielsweise online auswählt und vor Ort abholt, Gutscheine kauft und, wenn es geht, auch wieder vor Ort einkaufen geht.
„Es geht um Reichweite und Sichtbarkeit – mit Aussagen, die Menschen aktivieren“, erklärt Thomas Fischer, Unternehmer und Beirat der Werbeagentur brandcom Group, die die Kampagnen-Motive als Mitinitiatorin entwickelt hat. „Die ausbleibende Kundschaft betrifft große Häuser wie kleine Unternehmen gleichermaßen. Wir brauchen auch nach dem Lockdown ein Bewusstsein für regionales Einkaufsverhalten, wie sich dies in der Lebensmittelbranche bereits teilweise durchgesetzt hat.“
In zwei Wochen wurde laut Initiatoren mit etwa 30 Partnern und über 10 000 beteiligten Händlern bundesweit bereits eine Reichweite von über 20 Millionen Kontakten erreicht. (two)