Kölner Pfarrer Meiering im InterviewWarum sich in diesem Jahr Fasten trotzdem lohnt
- An Aschermittwoch ist alles vorbei.
- Aber in diesem Jahr war ja eh nichts los. Und jetzt trotzdem fasten?
- Das ist doch wohl nicht ihr Ernst, fragt Ingo Schmitz Innenstadtpfarrer Dominik Meiering.
Köln – Eigentlich hätten wir in den vergangenen Tagen dem Leben so wild die Sporen gegeben, dass wir nun allen Grund hätten, ein bisschen in Sack und Asche zu gehen. Doch nun war es in diesem Jahr mit Karneval nicht viel. Da könnten wir doch guten Gewissens auch die Fastenzeit ein wenig runter dimmen.Normalerweise folgt auf die Ausgelassenheit des Fasteleer der Ernst des Aschermittwochs. Ausgelassenheit gab es nicht so viel, das stimmt schon. Aber ich finde, Fastenzeit können wir trotzdem feiern.
So wenig Karneval wie noch nie, aber fasten wie immer?
Nun, es gibt Ostern. Und deshalb gibt es auch Aschermittwoch und die Fastenzeit. Die ist und bleibt wichtig. Vielleicht geht es in diesem Jahr weniger ums Fasten und Verzichten. Obwohl ich auch Leute kenne, die in den vergangenen Monaten ganze Tage mit Rotwein und Schokolade auf der Couch verbracht haben. Für die ist die Fastenzeit ja vielleicht ein Anlass, noch mal was anderes zu probieren. Die Fastenzeit ist traditionell eine Zeit der Orientierung und Besinnung, vor dem Hintergrund der Frage: Wo soll es hingehen? Mit meinem Leben, was soll, was kann in meinem Leben wachsen?
Als Leitender Pfarrer der Innenstadtgemeinden haben sie ein Plakat für die Fastenzeit entwerfen lassen: Unter einem kegelförmigen Licht keimt eine Pflanze auf. Das erinnert schon stark an das, worauf wir nach rund einem Jahr Pandemie alle wieder sehnsüchtig warten: Auf das Licht am Ende des Tunnels, dass es wieder losgeht mit dem Leben.
Genau. Aber das ist ja auch grundsätzlich die Linie in der Fastenzeit: Jesus geht mit uns durch die Dunkelheit und Not der Welt hin zu der Auferstehung, zum Licht des Ostermorgens. In diesem Corona-Jahr ist uns vielleicht sogar noch näher, was auch Jesus durchmachen musste: Traurigkeit, Alleinsein und Kreuzweg. Die Menschen tragen viele Kreuze in diesen Tagen. Als Christen haben wir aber einen Gott, der das mit uns durchsteht. Ich empfinde die Parallelität der Jesus-Geschichte zur Situation unserer Zeit sehr stark. Manches fühlt sich an wie ein andauernder Karsamstag. Alles ist noch totenstill, aber das Bewusstsein ist schon darauf ausgerichtet, was kommen wird. Zwischen Karfreitag und Ostersonntag - irgendwo dazwischen hängen wir gerade.
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Mal schick ausgehen oder ins Kino - wir haben schon auf so vieles verzichtet und werden es wohl noch eine Zeit langmüssen. Auf was soll ich denn da noch verzichten?
Die Tage habe ich gelesen, dass im großen Pestjahr 1666 in Köln mit päpstlicher Bewilligung alle Fastengebote außer Kraft gesetzt wurden. Nun sind die Fastengebote heute keine allgemeinen Gesetze mehr. Aber ich lerne daraus: besondere Umstände benötigen besondere Maßnahmen. Es geht am Ende natürlich nicht um das Glas Wein oder die Tafel Schokolade. Stattdessen könnte im Mittelpunkt stehen, mein Leben in den Blick zu nehmen, sich neu zu orientieren. Viele habe doch in der Einsamkeit des Lockdowns darüber nachgedacht, wie sie eigentlich Leben wollen, worauf es wirklich ankommt. Viele haben kapiert, dass es nicht immer einfach nur so weiter geht. Woher komme ich, wer bin ich und wohin gehe ich - existenzielle Fragen und zutiefst religiöse Themen, die uns in diesen Tagen richtig nah kommen. Und diese Themen und Überlegungen passen perfekt zur Fastenzeit.
Aber ist die Pandemie erst einmal vorbei, sind diese Gedanken auch schnell verweht und alles geht weiter wie zuvor.
Die Chance dieser Fastenzeit könnte sein, bewusste Schritte zu wagen, in Hinblick auf das, was ich in dieser Zeit der Pandemie erkannt habe. Das fände ich gut. Mehr danach fragen, was der Gemeinschaft, was dem Leben, was dem Frieden dient - das würde ich mir wünschen.
Sie benutzten das Bild vom Acker und was auf ihm wachsen könnte. Um im Bild zu bleiben: Ist der Boden bei den Menschen durch die Erfahrungen mit Corona denn bereitet für neue Wege?
Klar, denn wir sind doch alle hoch sensibel geworden durch Corona. Mit Blick auf die reinen Zahlen können viele sagen, uns geht es verglichen mit anderen epochalen Krisen verhältnismäßig gut. Die meisten von uns haben ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Irgendwie kommen wir selbst mit dem Homeschooling klar. Aber es gibt auch seelische Not. Die Menschen sind müde und mürbe. Ich erfahre, wie sehr sie sich danach sehnen, Resonanz zu bekommen. Nicht scheinbare Nähe in Zoom-Konferenzen oder WhatsApp-Freundschaftsgruppen, sondern wirkliche Nähe. Endlich mal wieder eine einfache Berührung. Da ist das eine kraftvolle Botschaft: Gott lässt uns nicht alleine. Übrigens etwas, was ich im Gottesdienst auch mit allen Sinnen erfahre. Nein, ich hoffe, dass nach der Pandemie nicht alle einfach wieder da anknüpfen, wo sie aufgehört haben. Auch wenn ich mir keine Illusionen mache.
Ist es nicht eher so, dass Corona die Menschen zweifeln lässt an Gott? So viel Leid wirft doch die Frage auf, gibt es ihn wirklich, den Lieben Gott?
Christen früherer Jahrhunderte hätten vielleicht gesagt: Das ist Gottes Strafe oder warum hilft Gott uns nicht. Gott sei Dank erlebe ich aber die meisten Menschen in diesen Tagen im Glauben gestärkt. Viele sagen, es ist so kostbar, dass wir hier – wenn auch unter strengen Hygieneregeln – die Gottesdienste haben. Musik und Segen werden als Zuspruch empfunden. Von Herz zu Herz. Das Feiern des Daseins Gottes ist ein starkes Verbindungselement auch untereinander. Es ist eine sehr starke Sehnsucht spürbar, sich an etwas anderem als an sich selbst festzumachen.