Am Montag beginnt der Gerichtsprozess gegen den Zollstocker „Babysitter“. Der mutmaßliche Sexualstraftäter arbeitete in drei Kölner Kitas als Aushilfe. Beim Landesjugendamt gemeldet war er jedoch nicht.
„Babysitter“-Missbrauchsfall vor GerichtKölner Familien sind immer noch in Sorge
Als liebevoller und erfahrener Babysitter hatte er sich bei den Familien vorgestellt. In mehreren Internetportalen hatte der damals 33-Jährige seine Dienste angeboten – und sich so seine Opfer ausgesucht. Als Aushilfe war er außerdem in drei Kölner Kindertagesstätten angestellt. Der Mann aus Zollstock wurde Anfang Juni 2022 wegen des Verdachts auf schweren sexuellen Missbrauch an Kindern von der Polizei festgenommen.
Am Montag beginnt die Gerichtsverhandlung vor dem Kölner Landgericht gegen den Mann. Opfer sollen laut Anklage sieben Jungen und 15 Mädchen sein. Das jüngste Opfer war nach Angaben der Staatsanwaltschaft zur Tatzeit eineinhalb Jahre alt, das älteste sieben Jahre alt. Eines der Kinder hat eine Behinderung.
Nachfrage der Polizei lief ins Leere
Ans Licht kam der Fall, als die Eltern eines Mädchens sich im Frühsommer 2022 an die Kölner Beratungsstelle Zartbitter wandten. Die Vierjährige hatte sich den Eltern anvertraut, es gab konkrete Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch. Eine Mitarbeiterin der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Mädchen und Jungen überzeugte die Eltern Strafanzeige bei der Polizei zu erstatten. Diese teilten den Beamten dann auch mit, dass der Beschuldigte ihres Wissens nach auch in einer Kölner Kita tätig sei. In welcher, wussten sie allerdings nicht. Besonders brisant: Eine Nachfrage der Kölner Polizei beim Landesjugendamt lief ins Leere – denn dort war niemand unter diesem Namen gemeldet. Kita-Mitarbeiter erfuhren schließlich erst durch ein in der Presse veröffentlichtes Foto des Mannes von den Vorwürfen gegen ihren Kollegen.
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„Ja, die Meldung des Mitarbeiters bei uns wurde versäumt“, bestätigte ein Sprecher des Landesjugendamt auf Nachfrage der Kölnischen Rundschau. Alle Mitarbeiter in Kindertagesstätten müssten vom Träger angemeldet werden, auch Aushilfen und Springer. Die Konsequenz sei eine Anmahnung des Kitaträgers gewesen. Der sieht keine Schuld bei sich. „Nach unserem Kenntnisstand haben wir dem Landesjugendamt alle pädagogischen Fachkräften in unseren Kölner Kitas entsprechend den gesetzlichen Vorgaben gemeldet“, teilte ein Sprecher auf Nachfrage mit. Der Empfehlung des Landesjugendamts, das bestehende Kita-Schutzkonzept im Bereich Prävention von Missbrauch in Einrichtungen zu stärken, sei man aber bereits selbstverständlich nachgekommen.
Fotos von Kindern auf der Toilette
Der gelernte Grafik-Kommunikationsdesigner wurde seit Mitte Juni 2021 von der „pme Familienservice GmbH“ aus Berlin als geringfügig Beschäftigter in verschiedene Kinderbetreuungseinrichtungen vermittelt. Er arbeitete vorwiegend in so genannten „Backup“-Bereichen. In dieser kurzfristigen Kinderbetreuung werden Kinder zum Beispiel in familiären Not- und Ausnahmefällen betreut, aber auch wenn die eigene Kita geschlossen hat. Anscheinend lag ein polizeiliches Führungszeugnis vor: Der Mann soll bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sein, war aus Ermittlerkreisen zu erfahren.
Nach einer Hausdurchsuchung stellten die Ermittler in der Wohnung des Mannes in Zollstock externe Festplatten, USB-Sticks, SD-Karten, Mobiltelefone sowie Computer, Laptops und Tablets sicher. Denn der Mann hatte seine Opfer fotografiert, unter anderem fand die Polizei auf seinem Handy Bilder von Kindern auf der Toilette oder Kleinkinder mit teilweise entkleidetem Oberkörper. Bei den Ermittlungen gab es auch konkrete Hinweise auf einen Fall von sexuellem Missbrauch an einem Kind in einer der drei Kindertagesstätten.
In der Beratungsstelle Zartbitter gehen bis heute Anrufe besorgter Eltern ein, deren Kinder eine der Kitas in Riehl, Lindenthal und Junkersdorf besuchen. Die Polizei informierte in Videokonferenzen die möglicherweise betroffenen Familien. „Wir sollten Fotos unseres Kindes schicken, damit sie mit denen des Täters verglichen werden können“, erzählt eine Mutter, deren Kind eine der Kitas besucht, der Rundschau.
Sie seien außer sich vor Sorge gewesen, seien aber auch darum gebeten worden, ihr Kind nicht selbst zu befragen. „Meine Gedanken kreisten nur um die Frage: Ist da was passiert?“ Vor allem wenn ihr Kind mal nicht in die Kita wollte. „Da ging direkt mein Kopfkino an.“ Auch die Entwarnung der Polizei, ihr Kind sei nicht auf den sichergestellten Fotos, konnten die Zweifel nie zu 100 Prozent ausräumen. „Ich weiß von anderen Eltern, denen es genauso geht“, sagt die Mutter, die nicht mit Namen genannt werden möchte.
Verhandelt wird der Fall ab Montag vor der 2. Großen Strafkammer, die als Jugendschutzkammer auf Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch spezialisiert ist. Den Vorsitz führt der in solchen Fällen erfahrene Richter Christoph Kaufmann.