Die Anklage gegen den Fahrer, der 14 Personen verletzte, wurde wegen neuer medizinischer Erkenntnisse zurückgezogen. Ein epileptischer Anfall kann als Unfallursache nun nicht mehr ausgeschlossen werden.
„Mordvorwurf vom Tisch“Anklage nach Raser-Unfall in Deutz zurückgezogen
Stark demolierte Fahrzeuge, abgerissene Karosserieteile, schwer verletzte Menschen und die Feuerwehr im Großeinsatz: Die Opladener Straße in Deutz glich im August 2023 einem Trümmerfeld. Ein Audi-Fahrer (28) war mit seinem hochmotorisierten Mietwagen mit überhöhter Geschwindigkeit in mehrere Fahrzeuge gerast. 14 Menschen wurden verletzt. „Dass es keine Toten gegeben hat, ist ein Wunder“, sagte ein Kölner Polizist nach der schweren Karambolage.
Der 28-Jährige soll nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden mit etwa 130 Stundenkilometern unterwegs gewesen sein. Wie die Polizei nach dem Unfall mitteilte und sich dabei auf Zeugenaussagen berief, war der Mann über mehrere rote Ampeln gefahren und dann an der Opladener Straße ungebremst gegen Fahrzeuge gerast, die vor einer weiteren Rotlicht zeigenden Ampel warteten. Der Sportwagen hob ab und blieb dann auf dem Dach eines Kleinwagens liegen. Andere Autos wurden ineinandergeschoben und verkeilt.
Raser-Unfall in Deutz: Mehrjährige Haft drohte
Nach dem schweren Verkehrsunfall drohte dem mutmaßlichen Raser eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Die Kölner Staatsanwaltschaft hatte Anklage wegen versuchten Mordes aus Heimtücke und der Verwendung gemeingefährlicher Mittel erhoben. Damit verschärften die Ankläger den Vorwurf. Der ursprüngliche Haftbefehl hatte auf versuchten Totschlag gelautet, der weitaus milder bestraft werden kann.
Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln
- Landgericht Köln 33-Jähriger wegen doppeltem Halsketten-Raub verurteilt
- Fahrraddiebstähle auch in Oberberg Verteidigung übt vor Gericht Kritik am Vorgehen der Polizei
- Halskettenraub in Köln Täter gesteht brutale Überfälle – Seniorin traumatisiert
- Prozess Drogenkurier in Burscheid gestoppt – was steckt dahinter?
- Prozess in Köln 55-Jähriger muss elf Jahre in Haft — Per Videochat Straftaten angeregt
- Mordprozess gestartet Kölner soll Kanadierin in Pakistan erdrosselt und in Kanal geworfen haben
- Versuchter Mord Erftstädter soll mit Hammer vor den Augen der Kinder auf Frau eingeschlagen haben
Doch nun kam alles ganz anders. Wie die Rundschau erfuhr, hat die Kölner Staatsanwaltschaft die Anklage komplett zurückgezogen. Entsprechende Informationen dieser Zeitung bestätigte Ulrich Bremer, Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft: „In dem betreffenden Verfahren hat die Staatsanwaltschaft die an das Landgericht Köln gerichtete Anklageschrift vom 18.12.2023 zurückgenommen“.
Der Streitpunkt in dem Verfahren ist der Gesundheitszustand des 28-Jährigen zum Zeitpunkt des Unfalls. Schon kurz nach dem Unfall betonte der Verteidiger des Unfallfahrers, Sebastian Schölzel, dass sein Mandant einen epileptischen Anfall gehabt habe. Die Kölner Staatsanwaltschaft ging nicht von einem epileptischen Anfall aus, wie der Sprecher sagte, und klagte den Mann wegen versuchten Mordes an. Nun teilte die Behörde mit: „Weitere ergänzende rechtsmedizinische Stellungnahmen insbesondere aus dem Gebiet der Neurologie sind zu dem Ergebnis gelangt, dass eine medizinische Unfallursache in Form eines epileptischen Anfalls des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Tat nicht mehr sicher ausgeschlossen werden kann“. Deswegen gehe die Anklagebehörde nicht mehr von einem versuchten Tötungsdelikt aus. „Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse lässt sich der für eine Anklageerhebung erforderliche hinreichende Tatverdacht wegen eines versuchten (vorsätzlich begangenen) Tötungsdelikts nicht mehr begründen“, ergänzte der Sprecher.
Unfall in Köln-Deutz: Fahrer reiste aus Katar zum Arzt
Der mutmaßliche Unfallfahrer war aus Katar wenige Tage bevor er den Unfall verursachte nach Deutschland gereist, um sich in Bonn in einer Spezialklinik einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Über das genaue Krankheitsbild des Mannes und warum der 28-Jährige in einer Klinik war, wurden keine Angaben gemacht.
Sebastian Schölzel, der Verteidiger des 28-Jährigen, sagte auf Nachfrage der Rundschau: „Mit der Rücknahme der Anklage vollzieht die Staatsanwaltschaft einen längst überfälligen Schritt.“ Schölzel sagte weiter, dass die Anklagebehörde mit der Rücknahme der Anklage nur einer „naheliegenden Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens“ durch das Landgericht habe zuvorkommen wollen. „Der Mordvorwurf ist damit endgültig vom Tisch“, zeigte sich der Verteidiger überzeugt.
Der 28-Jährige kam nach dem gravierenden Unfall in Untersuchungshaft, doch das Oberlandesgericht (OLG) hob den Untersuchungshaftbefehl nach mehreren Wochen wieder auf. Laut einer OLG-Sprecherin fehlte es an einem dringenden Tatverdacht für ein versuchtes Tötungsdelikt. Ein medizinischer Notfall beim Unfallfahrer sei eine reelle Möglichkeit, die Unfallursache zu erklären, so die Sprecherin weiter. Der Verteidiger des 28-Jährigen sagte damals: „Ich habe den Standpunkt des internistischen Notfalls von Anfang an vertreten“. Es habe sich wohl eher um „einen verhängnisvollen und tragischen Unfall“ gehandelt, so Schölzel weiter.
Kommt es nun doch noch zu einem Prozess — oder werden die Akten geschlossen? Das ist noch unklar. „Wie es nun konkret weitergeht, wird gerade geprüft“, sagte Staatsanwalt Bremer. Eine Gefährdung des Straßenverkehrs oder eine fahrlässige Körperverletzung stünden weiter im Raum. Der 28-Jährige durfte nach seiner Entlassung aus der U-Haft nach Katar ausreisen. Dass ihm in Köln noch ein Prozess gemacht wird, wird in Justizkreisen bezweifelt.