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Ärmere Menschen in KölnWas, wenn die Energiekosten nicht mehr zu bezahlen sind?

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Köln – 300 Euro Nachzahlung – das ist für fast jeden Menschen viel. Für Karin B. ist diese Summe „der Horror“. Die Rente der Seniorin aus Buchheim wird vom Sozialamt aufgestockt, nach Abzug von Warmmiete, Stromkosten, KVB-Ticket, Handy und Internet blieben ihr bisher 338 Euro „zum Leben“. Durch den auf 87 Euro gestiegenen Abschlag und die Nachzahlungsraten sind es ab Februar noch 286 Euro. Um Geld zu sparen, ist sie bei einem kleinen Stromanbieter unter Vertrag. Doch der hat seine Preise jetzt deutlich erhöht. „Kündigen ging nicht, weil die Rheinenergie für neue Kunden noch teurer war“, sagt sie.

Die Rentnerin ist eine von vielen Menschen mit sehr wenig Geld. Sie kommt aus, mit dem was sie hat. Durch die steigenden Preise für Gas und Strom ist sie akut von Armut bedroht. So, wie viele Kölnerinnen und Kölner mit niedrigem Einkommen. Wer über weniger als 1300 Euro monatlich verfügt, gab 2020 laut Statistischem Bundesamt fast zehn Prozent für Wohnenergie aus. Durch die aktuelle Teuerung der Energieträger und die CO2 -Steuer dürfte dieser Wert deutlich überschritten sein.

Wenn die Schnäppchenwohnung zur Kostenfalle wird

Um die Energiekosten seiner siebenköpfigen Familie zu senken, hat sich Michael Franke (Name geändert) einiges einfallen lassen. Ein Heizkamin, Innendämmung durch eine atmungsaktive Styroportapete und Heizungssteuerung per Smartphone sollen die Heizkosten seiner 190 Quadratmeter großen Mietwohnung überschaubar halten. Sie bietet genug Platz für die Familie mit fünf Kindern – die Zwillinge sind zweieinhalb, das älteste Kind neun Jahre alt – und ein kleines Atelier für den freiberuflichen Fotografen und Systemadministrator. Mit 950 Euro Kaltmiete war sie ein absoluter Glücksfall. Bisher. Denn mit Flachdach und Außenwänden sind die Räume schwer zu beheizen; der Heizkamin sollte die Gasheizung entlasten. „Holz war ja preiswert“, sagt Franke. „Aber jetzt ist Preis für ein Pack von 2,79 Euro auf sieben Euro gestiegen.“

Für Strom zahlt die Höhenberger Familie gut 100 Euro im Monat, die Heiz- und Nebenkosten sind um 100 Euro auf 350 Euro angestiegen. Durch Corona hat der Freiberufler erhebliche Einnahmeausfälle; zum Leben haben die Erwachsenen und ihre fünf Kinder 1700 Euro monatlich zur Verfügung. Mit Sorge schauen sie auf die Heizkostenabrechnung, denn seit Ende 2020 hat sich der Gaspreise verdoppelt. Und auch der Stromanbieter hat eine Teuerung angekündigt.

Caritas fürchtet, nicht alle Menschen beraten zu können

„Noch sind die höheren Kosten bei vielen nicht als Rechnung angekommen. Die Strom-Verträge haben ja individuelle Laufzeiten“, sagt Sabine Brüsting, die Leiterin der Caritas-Beratungsstelle in Höhenhaus. Kritisch werde es aber ab dem Frühjahr, wenn die Nachzahlungen für Heizenergie fällig würden. „Dann werden wir wohl gar nicht alle beraten können.“ Die Krux: Bei fixen Ausgaben etwa für Miete, KVB, Internet, Mediamentenzuzahlung oder Schulbedarf kann nicht gespart werden, das ist nur bei Lebensmitteln und im Freizeitbereich möglich. „Hier trifft es oft Kinder und Jugendliche, wenn etwa für Fußballschuhe oder ein Taschengeld nichts mehr übrig ist. Selbst eine gesunde Ernährung ist mit wenig Geld sehr schwer machbar“, sagt Brüsting. „Und bei vielen Familien, die mit ihren Einkünften knapp über dem Existenzminimum liegen, gibt es überhaupt keine Rücklagen mehr.“ Die hätten auch die langen Phasen des Homeschooling mit höheren Heiz- und Stromkosten aufgezehrt. Zugleich seien viele 450-Euro-Jobs weggefallen. Das habe der Corona-Kinderbonus nur geringfügig ausgeglichen.

Viele Alleinerziehende leiden unter den hohen Energiepreisen

Stark betroffen sind viele Alleinerziehende, weiß Tanja Vogt, Leiterin der Beratungsstelle an der Severinstraße. „80 Prozent der Familien, die zu uns kommen, sind von Armut bedroht oder schon arm. Und gerade sie leben oft in schlecht gedämmten Wohnungen, haben alte, energieintensive Elektrogeräte.“ Deshalb wartet auch Chantal Tomaz-Lopez mit Sorge auf ihre Heizkostenabrechnung. Die 27-Jährige arbeitet als Alltagsbegleitung, macht gerade die Qualifikationen für Behandlungspflege. Was sie übrig hat, kommt in ein Sparschwein. „80 Euro sind in drei Monaten zusammengekommen“, sagt sie. „Ich spare für den vierten Geburtstag meiner Tochter. Und für sowas wie besonders schöne Haargummis.“ Ob das in Zukunft noch geht, ist aktuell offen. Denn allein für Strom muss sie ab sofort 40 Euro mehr im Monat zahlen.

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Karin B., die Rentnerin aus Buchheim, hat die Strom-Nachzahlung mit 200 Euro beglichen, dem Weihnachtsgeschenk ihrer Mutter und ihrer Tochter. Den Rest stottert sie beim Sozialamt ab, das die Nachzahlung vorgestreckt hat, ab. Um mit 286 Euro auszukommen, geht sie jede Woche zur Lebensmittelausgabe der Kirche und zur Kleiderkammer. Ihre Wohnung ist 41 Quadratmeter groß. Sie hat kein Auto und fährt nie in Urlaub. Was tun, wenn die Energiepreise weiter steigen? Sie weiß es nicht, sagt sie.

Stromsparcheck stand vor dem Aus – Stadt soll ihn sichern

Das kostenlose Angebot „Stromsparcheck“ richtet sich an Menschen mit geringem Einkommen. Bei einem Hausbesuch erfahren sie, wie sie Strom sparen können. LEDs, abschaltbare Steckerleisten, ein wassersparender Duschkopf und WC-Stoppgewichte werden dabei gleich eingebaut. Die Besuche übernehmen zumeist langzeitarbeitslose Menschen nach einer kurzen Qualifizierung.

Verschuldung und Stromsperren sollen so verhindert werden. In Kontakt zu den Mietern kommen die Mitarbeitenden der Caritas mit Ständen auf Festen, bei Lebensmittelausgaben oder im Jobcenter.

172 Euro haben die bundesweit über 350 000 beteiligte Haushalte in 150 Städten im Schnitt jährlich gespart. Zugleich produzierten sie 15 Prozent weniger CO2 . Das Aus drohte: Bis Mitte Januar war offen, ob es den Stromsparcheck nach dem 31. März noch geben würde. Bislang hat die Rheinenergie das Angebot maßgeblich finanziert, eine städtische Beteiligung gab es nicht.

Jetzt muss die Stadt nach einem Beschluss des Sozialausschusses prüfen, wie eine langfristige Absicherung eines präventiven Angebotes zur Verhinderung von Strom- und Gassperrungen ermöglicht werden kann. „Was den Stromsparcheck betrifft, sind wir jetzt dank der Politik endlich auf einem guten Weg“, freut sich Peter Krücker, Vorstand des Caritasverbandes. „Aber bei dem unsteten Energiemarkt und der Teuerung durch die CO2 -Abgaben reicht das absolut nicht mehr aus.“

CO2 -Abgaben werden jährlich ansteigend unter anderem für klimaschädliches Öl und Gas fällig, mit denen viele ältere Mietwohnungen beheizt werden. Ein Beispiel: Wer mit Öl heizt, hat für eine 50 Quadratmetern Wohnung schon jetzt Mehrkosten von 61 Euro. 2025 werden es laut Mieterbund 134 Euro sein. Marktbedingte Teuerungen kommen noch hinzu.

„Massive Probleme werden Menschen mit niedrigem Einkommen haben, ihre rasant steigenden Energiekosten zu bezahlen", befürchtet Krücker. Auch wurde die Entlastung für Geringverdiener noch nicht umgesetzt, obwohl die CO2 -Steuer schon erhoben wird.

Eine Ombudsstelle Energiearmut nach Wiener Vorbild fordert der Caritasverband . „Um die Betroffenen darüber aufzuklären, welche Stromanbieter seriös sind, dass Verträge teils eine schleichende Preiserhöhung vorsehen oder wie Stromsperren verhindert werden können.“

Steht eine Nachzahlung an, kann das Sozialamt den Betrag vorstrecken und eine Stromsperre abwenden. Auch der Stromanbieter kann den Betrag stunden. Beides geschieht aber nur, wenn Aussicht auf Rückzahlung besteht; sonst wird der Strom abgestellt, sobald mehr als 100 Euro offen sind. (bos)