Eine Wortmeldung von Friedrich Merz sorgt für viel Aufmerksamkeit – und bekommt Zuspruch weit über die CDU hinaus.
Hunderttausende AufrufeMerz hält feurige Rede gegen „rechtsextreme“ Wagenknecht und AfD – und wird gefeiert
Der Vortrag von Friedrich Merz zu Russlands Krieg gegen die Ukraine bei der Elefantenrunden zur Europawahl des TV-Senders n-tv am Sonntagabend dauerte genau 2:34 Minuten – und sorgt nun für parteiübergreifendes Lob für den CDU-Chef. In der Wahlrunde kam angesichts des Erfolgs von AfD und BSW, die sich beide gegen die weitere Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen ausgesprochen haben, auch die Frage nach Zukunftsperspektiven im Konflikt mit Russland auf. Dann legte Merz los.
„Wenn ich es im Bundestag von diesen beiden Damen nicht schon häufiger gehört hätte, wäre ich heute einmal mehr fassungslos über die Geschichtsvergessenheit, die wir hier heute Abend hören“, setzte der CDU-Chef zu einem Grundsatzvortrag an. Die Deutschen seien mehrheitlich für die Unterstützung der Ukraine, erklärte Merz.
Im Gegensatz zu BSW-Parteigründerin Sahra Wagenknecht und AfD-Chefin Alice Weidel, die beide mit ernster Miene zuhörten, habe die Mehrheit verstanden, dass in diesem Krieg auch die „freiheitliche Ordnung unseres Landes, dieses Teils des Kontinents, in dem wir das große Glück haben zu leben“ verteidigt werde, so Merz.
Alles zum Thema Landtagswahl
- Streitpunkte ausgeräumt CDU, BSW und SPD in Thüringen streben Koalitionsverhandlungen an
- Thüringer AfD AfD-Landesverband will Höcke-Kritiker Stöber loswerden
- Regierungsgespräche CDU, BSW und SPD in Sachsen sondieren nach Konflikt weiter
- Regierungsbildung Sondierer von SPD und BSW empfehlen Koalitionsverhandlungen in Brandenburg
- Regierungsbildung in Brandenburg SPD und BSW schlagen Koalitionsgespräche vor
- Nach Landtagswahl Regierungsbildung in Thüringen kommt laut CDU-Chef voran
- Zwischenbilanz der NRW-Regierung (2) Was wurde aus den schwarz-grünen Top-Themen?
Grundsatzvortrag von Friedrich Merz: „Wir haben hier etwas zu verteidigen“
„Wir haben hier etwas zu verteidigen“, führte Merz aus. „Und deswegen philosophiere ich nicht in einer öffentlichen Sendung über die Frage, was wir tun würden, um Putin zu beeindrucken.“ Weidel und Wagenknecht hatten beide am Wahlsonntag umgehende Friedensverhandlungen mit dem Kreml gefordert, die AfD-Chefin beklagte zudem eine „Dämonisierung“ Wladimir Putins. Merz erteilte derartigen Plänen wie auch die anderen Parteichefs prompt eine klare Absage.
Die Ukraine stehe derzeit „für viele, auch für uns“, deshalb werde man die Unterstützung fortsetzen, „solange Russland diesen Angriff auf uns fortsetzt“, stellte der Parteichef die CDU-Linie klar. „Wenn eine Gesellschaft, ein Land, ein Kontinent, nicht mehr bereit ist, diese Freiheit zu verteidigen, dann haben wir uns selbst aufgegeben“, führte Merz aus und fügte an: „Deshalb werden wir diesem Ruf von Frau Wagenknecht und Frau Weidel an keiner Stelle folgen.“
Merz kontert Weidel und Wagenknecht: „Chamberlain spielen wir in Deutschland nicht“
Was AfD und BSW forderten, sei „ein Stück Selbstaufgabe dessen, was wir hier in 75 Jahren Bundesrepublik erreicht haben – das mögen die beiden anders sehen“, ließ Merz deutliche Worte folgen. Die „Eskalationsdominanz in diesem Krieg“ liege jedoch „ausschließlich bei Putin“, erklärte Merz, der schließlich auch auf SPD-Historiker wie Jan Claas Behrends verwies, mit denen er darin einig sei, dass die Entscheidung über die Dauer des Krieges in Moskau getroffen werde.
„Wir müssen denen die Aussichtslosigkeit dieses Krieges klarmachen, und nur dann wird er irgendwann zu Ende gehen“, führte Merz aus, ehe er schließlich zum Schluss kam und versicherte: „Chamberlain spielen wir in Deutschland nicht.“ Der CDU-Chef spielte damit auf den britischen Premierminister Neville Chamberlain an, der in den späten 1930er Jahren auf eine Appeasement-Politik gegenüber Adolf Hitler gesetzt und damit laut Historikern eine große Gelegenheit verpasst hatte, den deutschen Diktator noch vor dem Holocaust aufzuhalten.
„Ganz starkes Statement von Friedrich Merz“
Für den eindeutigen Vortrag bekam der CDU-Chef nach der Sendung viel Zuspruch – nicht nur aus der eigenen Partei: „Bockstark“, lobte Merz‘ Parteikollegin Karin Prien bei X. Auch Ruprecht Polenz bedachte den Parteichef mit warmen Worten. „Ganz starkes Statement von Friedrich Merz. So geht politische Führung“, befand der ehemalige CDU-Generalsekretär.
Der Vortrag des CDU-Chefs mit der klaren Absage an den Kurs von AfD und BSW verbreitete sich immer weiter in den sozialen Netzwerken. Allein ein Beitrag des Politikwissenschaftlers Carlo Masala, in dem der Auftritt zu sehen war, bekam bis zum Dienstagmorgen rund 11.000 Likes – und wurde mehr als 700.000 Mal angezeigt.
Auch aus der Wissenschaft gab es unterdessen viel Anerkennung für Merz‘ klare Haltung. Als „sehr gut“ lobte der Ökonom Rudolf Bachmann den Auftritt. „Hätte nicht gedacht, das mal zu sagen, aber danke Friedrich Merz“, schrieb derweil der Historiker Matthäus Wehowski bei X. „Jenseits aller Sachfragen – über die man streiten kann und muss – muss es einen demokratischen Konsens gegen die anti-liberale, anti-westliche und völkisch-nationale Allianz aus AfD/BSW geben“, fügte der Russland-Experte an.
Lob für CDU-Chef: „Hätte nicht gedacht, das mal zu sagen, aber danke Friedrich Merz“
Einer der von Merz angeführten SPD-Historiker meldete sich ebenfalls zu Wort – und dankte Merz für die prominente Erwähnung. „Danke dafür und für das Plädoyer für Freiheit und Westbindung“, fügte Jan Claas Behrends hinzu, der zusammen mit anderen SPD-Mitgliedern kürzlich die Russland-Politik seiner eigenen Partei scharf kritisiert hatte.
Friedrich Merz wurde derweil in Sachen Sahra Wagenknecht am Sonntag andernorts noch deutlicher. In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ wurde der CDU-Chef nach seiner Haltung zu einer Zusammenarbeit mit dem BSW befragt. Die Wagenknecht-Partei konnte insbesondere in Ostdeutschland starke Ergebnisse einfahren – und könnte damit als möglicher Koalitionspartner bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg infrage kommen.
„Frau Wagenknecht ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem“
„Wir arbeiten mit solchen rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen“, erklärte Merz und teilte dann explizit gegen Sahra Wagenknecht aus. „Für Frau Wagenknecht gilt ja beides: Sie ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem“, attackierte Merz die Parteigründerin, die mit dem BSW im Wahlkampf oftmals ähnlich wie die AfD auf populistische Töne und Friedensversprechen gesetzt hatte.
Es sei nun vor allem an der Ampel-Regierung, die in Deutschland nirgendwo eine Mehrheit mehr hinter sich habe, die weitere Spaltung der deutschen Gesellschaft zu verhindern, erklärte Merz mit Blick auf die drohenden Wahlergebnisse im Osten.
Merz-Attacke auf Wagenknecht ohne Absprache mit ostdeutschen CDU-Vertretern?
Mit seiner klaren Ablehnung gegenüber Koalitionen mit der Wagenknecht-Partei widersprach der CDU-Chef allerdings ostdeutschen CDU-Vertretern wie dem Thüringer Landeschef Mario Voigt und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, die zuletzt eine Zusammenarbeit mit dem BSW nicht mehr ausgeschlossen hatten. In einigen Bundesländern droht eine Regierungsbildung ohne AfD oder BSW für die CDU schwierig zu werden, sollten die Landtagswahlen ähnlich ausgehen wie die Europawahl.
„Die Aussage von Friedrich Merz ist weder links- noch rechtsextrem, sondern einfach nur extrem dämlich“, konterte der BSW-Spitzenkandidat Fabio De Masi noch am Montagabend bei X. „Vielleicht hat sich zu Herrn Merz noch nicht herumgesprochen, dass es Leute in der CDU gibt, die extrem oft beim BSW anrufen! Man will ja im Osten regieren!“