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„Once Upon A Dog“-TourEinblicke in die Arbeit des „Hundeflüsterers“ Cesar Millan

Lesezeit 7 Minuten

Dem gebürtigen Mexikaner vertrauen auch die Stars ihre Hunde an. Bleibt man ruhig und entspannt, gelingt auch der Spaziergang mit einem ganzen Rudel mühelos, stellt Autorin Susanne Hengesbach (Bild oben rechts/2.v.r) fest. Darunter: Fanny – kein typischer Berner Sennenhund.

Stellen wir uns mal etwas ganz Absurdes vor – nämlich, dass rund neunzig Prozent aller Autofahrer, die sich einen Porsche oder Mercedes anschaffen, nicht wissen, wie man den Rückwärtsgang einlegt oder die Bremse betätigt. Cesar Millan lacht. Ihm gefällt diese Vorstellung, obwohl er bekanntermaßen weniger mit den Problemen von Autofahrern zu tun hat, als mit den Defiziten von Hundebesitzern. Dass der 48-Jährige als „Hundeflüsterer“ zu weltweitem Ruhm gelangt ist, erscheint fast ein bisschen kurios, da in den meisten Fällen weniger das Tier, als dessen Besitzer Hilfe benötigen. Worin diese bestehen könnte, darüber wird der weltberühmte Coach unter anderem am 11. April in der Kölner Lanxess-Arena sprechen.

Ein Dutzend Journalisten hatte jedoch schon im Vorfeld der großen „Once Upon A Dog“-Tour Gelegenheit, Cesar Millan bei seiner Arbeit zuzuschauen und etwas von seiner Philosophie zu erfahren. Das besondere bei diesem zweitägigen Presseworkshop bestand darin, dass die teilnehmenden Journalisten ihren Hund mitbringen und im Fall eines Problems auf Rat und Hilfe hoffen konnten. Das freilich ahnt meine Berner Sennenhündin Fanny noch nicht, als wir in Garmisch-Partenkirchen aus dem Regionalzug steigen und uns mit dem Taxi zum Hundehotel Schweizer Bartl fahren lassen. Um eines vorwegzunehmen: Wenn irgendjemand auf dieser Welt keine Angst um seinen Job haben muss, dann der gebürtige Mexikaner, dem auch Hollywoodstars wie Scarlett Johansson, Will Smith oder Charlize Theron ihre Hunde anvertrauen. Denn nur etwa zehn von hundert Haltern, so die Einschätzung Cesar Millans, machen ihre Sache gut. Die übrigen rennen oder stolpern mehr oder minder genervt der Kreatur hinterher, die am anderen Ende der Leine die Richtung vorgibt. Irgendwie kommt mir das bekannt vor.

Pferde für die Hundehalter

Meine Fanny hat nichts von der Behäbigkeit, die man Berner Sennern gerne zuspricht. Sie ist ein Bulldozer, ein Muskelpaket, das unentwegt vorprescht und mir dabei gelegentlich schier die Schulter auskugelt. Was muss ich tun, um das zu ändern?

Wie sich zeigt, bin ich nicht die Einzige mit dem Problem, weshalb Cesar Millan uns im Anschluss an seinen Einführungsvortrag zu einer hinter dem Hotel gelegenen Weide beordert. „Wer von euch hat noch nie ein Pferd geführt?“, fragt der Coach und weist auf einen imposanten Rappen auf der Koppel. Ein paar Arme schnellen hoch, auch meiner, und wenig später stehe ich gewissermaßen Schulter an Schulter mit dem großen Schwarzen und übernehme von dessen Besitzerin Claudia die Leine. Es folgen ein paar Kommandos, die eher an den Beginn einer Yoga-Stunde denken lassen. „Schließ die Augen, atme tief durch, höre auf zu denken, mach die Schultern locker, fühle einfach nur.“ Dann setzen wir uns langsam in Bewegung. Ich gebe die Richtung vor, das Pferd folgt.

Ruhe ist des Pudels Kern

Wieso klappt das mit dem Pferd und nicht mit dem Hund? Millan lacht und gibt die Losung aus, die er im Laufe des Workshops wie ein Mantra wiederholt: Calmness – Ruhe, lautet das Zauberwort.

Pferdeleute seien in der Regel ruhig, wenn sie sich auf ihr Tier zubewegten, Hundehalter indessen näherten sich ihrem Liebling „excited“ – also aufgeregt, erklärt Millan und demonstriert uns, wie die Begegnungen mit „Dog-People“ meistens ablaufen. Wir lachen; zum einen, weil es so lustig aussieht, wie Cesar sich vorm Hund zum Affen macht, zum anderen, weil wir uns mehr oder weniger wiedererkennen.

Dem gebürtigen Mexikaner vertrauen auch die Stars ihre Hunde an. Bleibt man ruhig und entspannt, gelingt auch der Spaziergang mit einem ganzen Rudel mühelos, stellt Autorin Susanne Hengesbach (Bild oben rechts/2.v.r) fest. Darunter: Fanny – kein typischer Berner Sennenhund.

„Ich rehabilitiere Hunde und ich trainiere Menschen“, lautet demzufolge auch einer der Kernsätze Millans. Am zweiten Tag des Seminars wird er uns demonstrieren, wie man die eigene Energie so auf den Hund überträgt, dass dieser ohne Hilfsmittel folgt. Dazu laufen wir am nächsten Morgen in Richtung Gschwandtnerbauer-Alm. Wenige Minuten vor dem Ziel geben wir unsere Hunde in die Hände von Cesars Assistenten, damit sich jeder von uns ohne Ablenkung seiner nächsten Aufgabe widmen kann. Sie besteht darin, ein ganzes Hunderudel zu führen.

Millan macht vor, dass es dazu keines verbalen Kommandos bedarf. Eine selbstbewusste Haltung und eine klare Körpersprache reichen aus, um die sieben oder acht aus dem Ort stammenden Hunde an der Leine in Schach zu halten. Das ist fraglos sehr beeindruckend, aber ich hätte es lieber gehabt, wenn der Hundeflüsterer diese Übung mit meiner Wuchtbrumme Fanny demonstriert hätte.

Die hat die Zeit meiner Abwesenheit ganz friedlich mit den Co-Trainern verbracht und ist total ruhig. Jedoch nur so lang, bis sie mich um die Ecke biegen sieht. In dem Moment beginnt eine filmreife Demonstration: Meine Hündin, selbst mit Manneskraft nicht mehr zu halten, prescht vor, stürzt sich auf mich und springt laut bellend an mir hoch. Während ich Mühe habe, auf den Beinen zu bleiben, ergreift Millan Fannys Leine und befielt mir: „Sprich nicht zu ihr, sieh sie nicht an, fass sie nicht an, ignoriere sie völlig!“ Mein Hund dreht immer noch schier durch, springt weiter an mir hoch. Millan wiederholt die Befehle, und ich versuche, den Blickkontakt mit meinem Hund zu vermeiden.

Dem gebürtigen Mexikaner vertrauen auch die Stars ihre Hunde an. Bleibt man ruhig und entspannt, gelingt auch der Spaziergang mit einem ganzen Rudel mühelos, stellt Autorin Susanne Hengesbach (Bild oben rechts/2.v.r) fest. Darunter: Fanny – kein typischer Berner Sennenhund.

Gefühlt vergeht eine Viertelstunde, bis sich das Tier halbwegs beruhigt hat. Dann umfasst Cesar Millan meine Schulter, schiebt mich neben sich und wir gehen nebeneinander los.

Nach einigen Schritten drückt er mir die Leine in die Hand. Ich traue mich kaum, zur Seite zu schauen. Muss ich auch gar nicht. Ich fühle, wie mir Fanny mit kleinem Abstand folgt, ohne überholen zu wollen und ohne an der Leine zu ziehen. Irgendwann kehren wir um und bewegen uns wieder auf die wartenden Kollegen zu, die uns applaudierend empfangen.

Keine Beachtung schenken

Ich habe weiche Knie, Fanny hechelt, Millan lächelt. Was meine Hündin zuvor demonstriert habe, sei nicht nur Ausdruck von Freude, sondern auch eine Art Maßregelung: „Frauchen, wo warst Du so lange!“ Wichtig sei, dass ich ihr bei dieser Art von Begrüßung überhaupt keine Beachtung schenke. Und das schlicht und ergreifend, weil ein aufgeregter Hund nicht in der Lage sei, auch nur das kleinste Kommando wahrzunehmen. Das könne er erst dann, wenn er „calm“ sei.

Hundeflüsterer auf Tour

Cesar Millan wanderte mit 21 Jahren illegal in die USA ein und gilt heute als einer der bekanntesten Hundetrainer. Seit 2004 tritt er im Fernsehen auf, seit 2013 tourt mit seinen Live-Programmen rund um die Welt. Nachdem er vor drei Jahren mit seiner ersten Show „Leader Of The Pack“ auch in Deutschland zu erleben war, kommt er im Frühjahr 2018 mit seinem neuen Programm „Once Upon A Dog“ zu seiner bisher größten Tournee im deutschsprachigen Raum.

Er spricht dabei über die Dinge, die für ein gelungenes Zusammenleben von Mensch und Hund von Bedeutung sind. Der Hundeflüsterer wird am 11. April in der Kölner Lanxess-Arena und darüber hinaus in 18 weiteren deutschen Städten zu sehen sein. Die Tickets (zwischen 55 und 85 Euro) gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen und im Internet.

www.semmel.de

Bevor wir tags drauf wieder in den Zug steigen, laufe ich noch einmal mit Fanny zum Gschwandtnerbauern hoch; sie eine halbe Schrittlänge hinter mir, ich den Kopf noch voller Sätze, die uns der Dogwhisperer mit auf den Weg gegeben hat. „Hunde spüren in jedem Moment, wie du dich fühlst, sie kriegen genau deine Energie mit.“ Das Problem sei oft nur, dass wir Zweibeiner unseren Hunden nicht trauten. Natürlich spüre der Hund auch, wenn wir Angst haben, ihn von der Leite zu lassen, da die Leine wie eine Energieleitung wirke. „Sobald dein Hund dir vertraut, folgt er dir.“

Eines der Hauptprobleme zwischen Hundehaltern und ihren Schützlingen liegt in Cesar Millans Augen in der falsch verstandenen und auch falsch demonstrierten Form von Liebe. „Liebe kann sich auf viele Art ausdrücken – auch auf eine ganz ruhige Art.“ Stattdessen seien Hundehalter oft über die Maßen aufgeregt und brächten ihr Tier damit völlig durcheinander. „Der Hund versteht die Liebe auch, ohne dass wir vor ihm rumhampeln.“

„Alles klar“, denke ich, als ich im ICE zurück nach Köln sitze. Bisher habe ich auf meinen Hund offenbar wie ein Aufputschmittel gewirkt. Ich schaue runter auf den Boden. Neben meinen Füßen liegt Fanny – Hundertprozent calm.