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Rundschau-DebatteWas können die Gespräche in Riad bringen?

Lesezeit 5 Minuten
21.03.2025, Ukraine, Odessa: Städtische Arbeiter räumen auf, nachdem russische Drohnen während des nächtlichen Angriffs Geschäfte getroffen haben.

Städtische Arbeiter räumen auf, nachdem russische Drohnen während des nächtlichen Angriffs Geschäfte in Odessa getroffen haben. 

In Saudi-Arabien verhandeln US-Vermittler mit russischen und ukrainischen Vertretern – getrennt voneinander. Die Ziele der beteiligten Parteien sind dabei sehr unterschiedlich.

Bei den Verhandlungen in Saudi-Arabien, die zunächst zwei Tage dauern sollen, sind die Kriegsparteien räumlich voneinander getrennt. Erste Gespräche der Amerikaner mit den Ukrainern wurden schon am Sonntag geführt, am Montagmorgen stand die erste Runde mit den Russen an. Zu klären gibt es vieles – mit unklarer Aussicht auf Erfolg.

Worum geht es bei den Verhandlungen in Riad?

Washington erwartet von Moskau und Kiew, dass die Waffen bald schweigen. Die Ukraine bekräftigte vorab ihre Bereitschaft zu einer 30-tägigen Waffenruhe und will dafür vor allem die technischen Details klären. Gegenstand soll dabei zuerst eine auf Energieanlagen begrenzte Waffenruhe sein, wobei Präsident Wolodymyr Selenskyj Wert darauf legte, zivile Infrastruktur in die Abmachung einzuschließen.

Moskau betonte nach einem Telefonat von Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump, dass von russischer Seite bereits eine Feuerpause für Luftschläge gegen Energieanlagen in Kraft sei. Das hatte Putin nach dem Gespräch am vorigen Dienstag angewiesen. Die Angriffe auf angebliche militärische Ziele in der Ukraine mit Drohnen und Gleitbomben gehen aber weiter. Für ein Ende dieser Schläge bräuchte es laut Kreml weitere Gespräche – zu Moskaus Bedingungen. Kiew sieht darin die Absicht, den Krieg in die Länge zu ziehen.

Aus russischer Sicht soll es in Riad auch um eine Initiative zur sicheren Schifffahrt im Schwarzen Meer gehen, im Raum steht der US-Vorschlag einer Feuerpause für das Gewässer. Eine frühere Vereinbarung unter Vermittlung der Türkei, die den sicheren Transport von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer ermöglichen sollte, hatte Russland aufgekündigt.

Wer redet bei den Gesprächen mit wem – und wie laufen sie ab?

Der von US-Präsident Trump für die Ukraine eingesetzte Sondergesandte Keith Kellogg erklärte, dass verschiedene Teams die Verhandlungen führten. Neben seinem Team gebe es eines des nationalen Sicherheitsberaters der USA, Mike Waltz, und eines des US-Außenministeriums. Kellogg sagte, dass in einem Raum mit den Ukrainern gesprochen werden solle, in einem anderen mit den Russen. Unterhändler sollten zwischen den Seiten pendeln.

Die Ukraine schickt unter anderem Verteidigungsminister Rustem Umjerow zu den Gesprächen. Seinen Kanzleichef Andrij Jermak hatte Präsident Selenskyj zum Chefunterhändler ernannt. Russland ist in Riad laut Kreml mit dem Außenpolitiker Georgi Karassin, Chef des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat, und dem Geheimdienstler Sergej Besseda vertreten. Er ist Berater des Inlandsgeheimdienstes FSB und gilt als Vertrauter von Kremlchef Putin. Weder Ukrainer noch Russen entsenden Vertreter ihrer Außenministerien.

Mit welchen Zielsetzungen gehen die US-Verhandler in die Unterredungen?

Ein kurzfristiges Ziel der Amerikaner ist eine Feuerpause für das Schwarze Meer. Darüber haben Trump und Putin auch in ihrem Telefonat vor einigen Tagen gesprochen und sich auf Verhandlungen geeinigt. Prinzipiell geht es Washington aber darum, Putin zur raschen Beendigung des Angriffskrieges zu bewegen. Trump hatte im Wahlkampf ein rasches Kriegsende versprochen, kommt nun aber kaum voran. Wie viel Einfluss er tatsächlich auf Putin hat, bleibt ungewiss. Ebenso fraglich ist, wie genau Trumps Darstellung der Lage nach seinen Gesprächen mit Putin und Selenskyj ist. Im Anschluss gab es widersprüchliche Aussagen aller Seiten darüber, was wirklich besprochen wurde.

Den engsten Kontakt in den Kreml dürfte aktuell der US-Sondergesandte Steve Witkoff haben. Er wurde bereits zwei Mal von Putin empfangen und äußerte sich danach auffallend positiv über den Kremlchef. „Ich bin sehr, sehr optimistisch, dass wir in der Lage sein werden, die beiden Seiten zusammenzubringen“, sagte Witkoff mit Blick auf das Treffen in Saudi-Arabien. Langfristig verfolgen die USA auch das Ziel, die Beziehungen zu Moskau wieder zu verbessern – nicht zuletzt wegen der wachsenden Sorge über das enge Bündnis zwischen Russland und China.

Was bedeuten die Gespräche für die Ukraine?

Für das angegriffene Land geht es bei den Gesprächen um das eigene Überleben. Militärisch steht die Ukraine schwer unter Druck. Verliert sie den Rückhalt des Westens und damit die Militärhilfen, kann sie dem russischen Ansturm nicht widerstehen. Also muss Kiew dem Weißen Haus zumindest seinen guten Willen präsentieren, auch wenn die gehandelten Zugeständnisse für einen Frieden – Verzicht auf einen Nato-Beitritt, aber auch auf große eigene Gebiete zugunsten des Angreifers Russland – die Führung innenpolitisch unter Druck setzen. Umfragen zufolge ist immer noch die Hälfte der Bevölkerung strikt gegen die Aufgabe eigener Gebiete.

Für die Ukraine ist es wichtig, dass sie im Gegenzug Sicherheitsgarantien erhält. Das Vertrauen in Russland ist dabei gering. Daher setzt Kiew auf internationale Friedenstruppen.

Wie verhält sich Russland im Vorfeld der Verhandlungen?

Russland spielt angesichts seiner Erfolge an der Front auf Zeit und will so den Druck auf die Ukraine erhöhen, um immer größere Zugeständnisse zu erzwingen. Russische Kommentare lassen vermuten, dass Putin ein politischer Neuanfang in dem Land mit einer russlandfreundlichen Führung am liebsten wäre.

Moskau gibt sich in den Gesprächen mit den Amerikanern zwar bereit zu Verhandlungen über eine friedliche Lösung. Zugleich hat der Kreml eine zunehmende Militarisierung in Europa im Blick und wirft vor allem der EU vor, mit ihren Waffenlieferungen und der „Finanzierung des Kiewer Regimes“ an einer Fortsetzung des Krieges interessiert zu sein. Putin machte immer wieder deutlich, dass es ohne ein Ende der westlichen Waffenlieferungen und ohne einen Stopp der Mobilmachung in der Ukraine kein Ende der Kämpfe geben könne. Er besteht zudem darauf, dass das Land auf einen Nato-Beitritt und mindestens auf die derzeit von Russland kontrollierten Gebiete verzichtet, was etwa ein Fünftel des Staatsgebiets ausmacht.

Welche Aussichten auf einen Erfolg der Gespräche gibt es?

Eine schnelle Lösung ist in diesem komplexen Konflikt nicht in Sicht. Trump stößt auf russischer Seite auf eine harte Verhandlungsposition. Auf die von den USA vorgeschlagene und von der Ukraine befürwortete Waffenruhe für 30 Tage will sich Russland bisher nicht einlassen, um Kiew keine Atempause zu verschaffen.

Kremlchef Putin, der nach mehr als 25 Jahren an der Macht als gewiefter Verhandler gilt, dürfte Trump weiter mit kleinen Zugeständnissen bei Laune zu halten versuchen. Ihm geht es, wie er sagt, vor allem um eine Wiederaufnahme der Beziehungen zu den USA und um ein Ende der Sanktionen, damit der Handel zwischen beiden Ländern wieder Fahrt aufnimmt.

Eine vollwertige Waffenruhe sei aber äußerst unwahrscheinlich, solange etwa Europa seine militärische Unterstützung der Ukraine fortsetze, sagt die russische Politologin Tatjana Stanowaja. Moskau wäre zufrieden, wie sie meint, wenn Trump als nächstes Europa dazu brächte, die Hilfen einzustellen. Putin gehe es nicht um eine vollständige Eroberung der Ukraine, wozu er auch keine Reserven habe. „Seine Strategie ist, auf eine Kapitulation der Ukraine zu warten über ihre Selbsterkenntnis, dass der Widerstand keine Perspektive hat“, meint Stanowaja. Bisher aber sei auch das unwahrscheinlich. (dpa)