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Entsetzen in den USATrump-Kabinett lädt Journalist aus Versehen in Chat ein – und bespricht Kriegspläne

Lesezeit 4 Minuten
US-Präsident Donald Trump, der nationale Sicherheitsberater Michael Waltz, Vizepräsident J.D. Vance und Verteidigungsminister Pete Hegseth (v.l.) im Weißen Haus. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump, der nationale Sicherheitsberater Michael Waltz, Vizepräsident J.D. Vance und Verteidigungsminister Pete Hegseth (v.l.) im Weißen Haus. (Archivbild)

In einer Signal-Gruppe planen Vance und Co. nicht nur Angriffe auf die Huthis, sondern äußern sich auch über Europa. Ein Journalist liest mit. 

Die Nachricht verbreitet sich erst in den USA und dann schnell auch weit darüber hinaus am Montagabend wie ein Lauffeuer: Die US-Regierung hat offenbar einen Journalisten detailliert über ihre Angriffspläne gegen die Huthi-Miliz im Jemen informiert – und das nicht bemerkt. Noch brisanter: Die hochrangigen Regierungsvertreter wie Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth oder Außenminister Marco Rubio nutzten dafür nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, einen geheimen Regierungskanal, sondern die weitverbreitete Messenger-App Signal.

Dort landete Jeffrey Goldberg, Chefredakteur des Magazins „The Atlantic“, in einer geheimen Gruppe, in der die Trump-Regierung die Angriffe im Jemen plante – und dabei auch politische Einschätzungen äußerte. Goldberg war zuvor zu seiner Verwunderung vom nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz in den Chat eingeladen worden – und glaubte zunächst an einen Fake.

Angriffe erfolgten genau so, wie in der Chatgruppe beschrieben

Tagelang verfolge der Journalist die Gespräche zwischen Vance, Hegseth und anderen hochrangigen Trump-Mitarbeitern. Dann folgten schließlich tatsächlich die Angriffe auf die Huthis, exakt so, wie in der Chatgruppe zuvor von Hegseth beschrieben.

Auch der Name eines CIA-Agenten sei zuvor in dem Chat geteilt worden, berichtete der Journalist nun, der die Signal-Gruppe nach den Angriffen des US-Armee verlassen und die US-Regierung schließlich mit den Vorgängen konfrontiert hat. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Brian Hughes, bestätigte, dass der Chatverlauf höchstwahrscheinlich authentisch sei und kündigte eine interne Prüfung an.

Angesprochen auf den Geheim-Chat pöbelt Trump gegen das Magazin

US-Präsident Donald Trump wurde hingegen bei einer Pressekonferenz kalt von der Frage eines Reporters nach der Geschichte erwischt. Es sei das erste Mal, dass er davon höre, erklärte Trump – und pöbelte schließlich gegen „The Atlantic“, er sei „kein großer Fan“ des Magazins, erklärte Trump.

Der Fall wirft jede Menge Fragen auf: Wie kann so eine dramatische Panne überhaupt passieren? Wie kann es sein, dass die oberste Riege der Regierung – noch dazu die Führungsmannschaft der nationalen Sicherheit – aus Versehen einen Journalisten in einen internen Gruppenchat einlädt? Wie kann es sein, dass das über Tage niemand merkt? Wie aber kommt diese Führungsriege überhaupt auf die Idee, aktive militärische Planungen auf diesem Wege zu diskutieren?

Brisante Informationen über Messenger Signal geteilt

Die Signal-App ist laut Recherchen von „The Atlantic“ von der US-Regierung generell überhaupt nicht für den Austausch vertraulicher Informationen zugelassen. Für Informationen zu konkreten Plänen für militärische Aktionen gelten demnach besonders strikte Vorgaben. Auch die Frage, ob sich die Kabinettsmitglieder mit ihrem Vorgehen strafbar gemacht haben könnten, steht daher nun im Raum.

Die Inhalte der Gespräche, die „The Atlantic“ auszugsweise veröffentlicht hat, sind mitunter brisant. Goldberg beschreibt in seinem Artikel detailliert den Austausch zwischen den Beteiligten – mit exakten Uhrzeiten, Originalzitaten und teils informellem Ton. So habe etwa Waltz Emojis eingesetzt, um Zustimmung und Kampfgeist zu signalisieren: eine geballte Faust, eine US-Flagge und ein Flammen-Symbol.

Hegseth spricht von „europäischem Schnorren“

Für besonderes Aufsehen in den USA sorgt unterdessen auch eine kritische Aussage von Vance. „Ich bin mir nicht sicher, ob der Präsident sich bewusst ist, wie sehr dies jetzt im Widerspruch zu seiner Botschaft über Europa steht“: So äußerte der Vizepräsident laut „The Atlantic“ Zweifel an den von Trump geplanten Angriffen auf die Huthi-Miliz. Auch sei ein Anstieg der Ölpreise denkbar, führte Vance aus und schlug vor, der Öffentlichkeit zunächst besser zu erklären, „warum das wichtig ist“.

Die Bedenken sorgten jedoch nicht für ein Umdenken, auch einen Monat später beständen diese Risiken, erklärte Verteidigungsminister Hegseth. „Wenn du meinst, wir sollten es tun, dann lass es uns tun“, lautete Vance‘ Antwort. „Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Patsche zu helfen“, schob der Vizepräsident an, der bereits bei seinem Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz scharfe Töne gegenüber Europa gewählt hatte. „Ich teile deine Abscheu gegenüber dem europäischen Schnorren. Das ist ERBÄRMLICH“, versicherte Hegseth dem Vizepräsidenten schließlich.

„Rücksichtslosigkeit“ habe Leben der Piloten gefährdet

Es blieb schließlich beim Angriffsplan. Am 15. März, dem Tag der US-Attacken im Jemen, postete der Verteidigungsminister dann sensibelste Einsatzdetails, inklusive des Namens eines CIA-Agenten. „The Atlantic“ verzichtete aus Sicherheitsgründen auf die Veröffentlichung der Passagen.

In den USA ist die Aufregung nach der Veröffentlichung des Berichts groß. „HINWEIS AN DIE MITARBEITER DES WEISSEN HAUSES: Es gibt einen Raum im Gebäude und sichere Systeme, in denen Sie diese Gespräche führen sollen“, schrieb etwa der demokratische Senator Mike Kelly auf der Plattform X. „SIGNAL ist es nicht“, fügte Kelly an, der sich zuletzt ein Scharmützel mit Tech-Milliardär Elon Musk geliefert hatte. „Ihre Rücksichtslosigkeit hat das Leben dieser Piloten gefährdet. Sie hatten Glück! Es ist Zeit, Ihre Vorgehensweise zu überdenken.“

„Erstaunliche Ignoranz und tiefgreifende Inkompetenz“

Die demokratische Kongressabgeordnete Veronica Escobar nahm derweil auch den US-Präsidenten ins Visier: „Wenn es stimmt, dass der Präsident der Vereinigten Staaten keine Ahnung davon hatte, dass sein Kriegskabinett und sein Vizepräsident in einem Signal-Chat, an dem auch ein Journalist teilnahm, Kriegspläne diskutierten, dann zeugt das von erstaunlicher Ignoranz und tiefgreifender Inkompetenz“, schrieb sie bei X.

Noch drastischere Worte fand unterdessen der amerikanische Historiker Timothy Snyder, ebenfalls auf X. „Diese Jungs haben einen der funktionsfähigsten Staatsapparate der Weltgeschichte geerbt und bewohnen ihn wie ein Crack-Haus“, lautete sein Urteil über die US-Regierung. (mit dpa)