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Porträt als Geschenk unter „Freunden“Trump-Gesandter preist Putin – aber Kreml-Insider schildern bedrohliche Pläne

Lesezeit 6 Minuten
Gute Laune bei Wladimir Putin? Laut Angaben von Kreml-Insidern laufen die Gespräche mit Washington für Russland bisher nach Plan. (Archivbild)

Gute Laune bei Wladimir Putin? Laut Angaben von Kreml-Insidern laufen die Gespräche mit Washington für Russland bisher nach Plan. (Archivbild)

Steve Witkoff schwärmt von seinem „Freund“ Putin – und übernimmt dessen Angaben. Kreml-Insider wissen anderes zu berichten.

Es waren mitunter bizarre Aussagen, die Steve Witkoff über seine bisherigen Gespräche mit Kremlchef Wladimir Putin machte. In einem Interview hat der Sondergesandte von US-Präsident Donald Trump über die Treffen berichtet – und dabei für reichlich Irritationen gesorgt. Während Witkoff sich überaus optimistisch in Bezug auf eine mögliche Friedenslösung für die Ukraine gibt, berichten Insider aus dem Kreml in russischen Medien unterdessen über Putins eigentliche Pläne bezüglich der Verhandlungen mit den USA. Mit Witkoffs Einschätzung stimmen diese Insiderberichte keineswegs überein.

Zuvor hatte Trumps Sondergesandter in einem Interview mit dem rechten Influencer Tucker Carlson einige brisante Aussagen gemacht. Er halte Putin nicht für einen „schlechten Kerl“, sagte Witkoff weiter. „Das ist eine komplizierte Situation, dieser Krieg, und all die Zutaten, die dazu geführt haben. Wissen Sie, es geht nie nur um eine Person, richtig?“

Trumps Sondergesandter berichtet über „Freundschaft“ mit Putin

Witkoff hatte sich schon nach seinem ersten Treffen mit Putin sehr positiv über den Kremlchef geäußert und erzählt, dass eine Freundschaft mit ihm entstanden sei. Nun enthüllte der Trump-Mitarbeiter, dass der Kremlchef ein Portrait von Trump in Auftrag gegeben hat – und ihn bei einem der letzten Treffen darum gebeten hatte, das Geschenk an den US-Präsidenten zu übergeben.

Es handele sich um „schönes“ Gemälde, erklärte Witkoff, der Putins angebliche Zuneigung zu Trump offenbar für bare Münze nimmt. So berichtete der Amerikaner dann auch, dass Putin im vergangenen Jahr für „seinen Freund“ Trump gebetet habe, nachdem der bei einem Attentatsversuch von einer Kugel leicht touchiert worden war.

Steve Witkoff: Wladimir Putin betete für Donald Trump nach Attentat

„Nachdem der Präsident angeschossen worden war, ging er in seine örtliche Kirche, traf sich mit seinem Priester und betete für ihn“, sagte Witkoff im Gespräch mit Carlson. Putin haben das nicht getan, „weil er Präsident der Vereinigten Staaten werden konnte, sondern weil er mit ihm befreundet war und für seinen Freund betete“, berichtete der Amerikaner über die Worte des früheren KGB-Agenten Putin.

Auch in Bezug auf die Ukraine sorgte Witkoff mit seinen Aussagen für Irritationen: Das größte Hindernis für ein Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine sei der unklare Status der von Russland besetzten ukrainischen Gebiete, behauptete der Sondergesandte. Namentlich benennen konnte Witkoff die Regionen dabei nicht vollständig. Interviewer Carlson musste teilweise mit den Namen der Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja, Cherson sowie der Krim aushelfen. 

Trump-Gesandter übernimmt Kreml-Angaben

Erneut übernahm Witkoff dabei russische Narrative: So behauptete er – ganz auf Kremllinie – dass die in Vergangenheit illegal von Russland in den Gebieten abgehaltenen Referenden ein Beleg dafür seien, dass die Menschen dort sich von der Ukraine abspalten wollten. Die internationale Gemeinschaft hat die Abstimmungen, bei denen Ukrainer mitunter unter vorgehaltener Waffe an die Urne treten mussten, derweil als russische Propaganda verurteilt und erkennt die „Referenden“ nicht an.

Steve Witkoff, US-Sondergesandter für den Nahen Osten, hat über seine Gespräche mit Kremlchef Wladimir Putin berichtet. (Archivbild)

Steve Witkoff, US-Sondergesandter für den Nahen Osten, hat über seine Gespräche mit Kremlchef Wladimir Putin berichtet. (Archivbild)

Damit aber nicht genug: Witkoff übernahm prompt auch noch Moskaus bereits oft vorgebrachte Behauptung, dass Ukrainer, die Russisch sprechen, eigentlich Russen seien. „Sie sprechen Russisch“, bekräftigte Witkoff. Dieser Logik zufolge wäre der Amerikaner allerdings eigentlich Brite, da er Englisch spricht. Viele Ukrainer sprechen Russisch, darunter auch Präsident Wolodymyr Selenskyj, der erst seit Kriegsbeginn vorwiegend Ukrainisch spricht. Eine Aussagekraft über das staatliche Zugehörigkeitsgefühl lässt sich daraus nicht ableiten.

Witkoff blieb jedoch weiter auf Kreml-Linie: „Die Russen kontrollieren diese Gebiete de facto. Die Frage ist: Wird die Welt anerkennen, dass es sich um russische Gebiete handelt?“, fragte er im Gespräch mit Carlson. Auch das ist eine Falschangabe, die offenbar aus Russland stammt. Die russische Armee kontrolliert die besetzten Gebiete mitnichten.

Russland will mehr Gebiete, als es kontrolliert

Tatsächlich sind große Teile von Cherson und Saporischschja unter ukrainischer Kontrolle, darunter auch die beiden gleichnamigen Großstädte, die Russland sich weiterhin einverleiben will. Kiew hat unterdessen mehrfach klargestellt, dass die illegal annektierten Gebiete niemals als russisch anerkannt werden sollen. 

Putin wolle Europa, wie zuletzt oftmals gewarnt, keineswegs angreifen, betonte Witkoff zudem. „Ich glaube seinem Wort“, erklärte der Sondergesandte. „Ich habe das Gefühl, dass er Frieden will“, fügte der bisher vor allem als Anwalt und Immobilienmogul tätige 68-Jährige im Gespräch mit Carlson hinzu. „Es wird Wahlen in der Ukraine geben“, behauptete Witkoff zudem ohne einen Beleg für diese These – auch das entspricht einer Forderung Moskaus.

Russland versucht immer wieder, die Legitimität des ukrainischen Präsidenten in Zweifel zu ziehen. Die Amtszeit Selenskyjs ist offiziell abgelaufen, allerdings sieht die ukrainische Verfassung keine Neuwahlen vor, solange das Kriegsrecht verhängt ist – auch in Deutschland ist das so geregelt. 

Steve Witkoff sorgt für Freude bei Putins Presse

Während russische Staatsmedien und Zeitungen Witkoffs Aussagen als Eilmeldungen verbreiteten und freudig über eine neue „gegenseitige Anziehung“ zwischen Washington und Moskau berichteten, gab es aus den USA scharfe Kritik.

„Witkoff wiederholte unkritisch mehrere unzutreffende russische Behauptungen über den Status der von Russland illegal besetzten ukrainischen Gebiete“, erklärte etwa das amerikanische Institut für Kriegsstudien, das seit Kriegsbeginn täglich über die Lage in der Ukraine berichtet.

Kreml hat eigene Versprechen immer wieder gebrochen

Auch aus Deutschland kam Widerspruch: Putin könne man eben nicht beim Wort nehmen, erklärte der Historiker Matthäus Wehowski auf der Plattform X und erinnerte daran, dass der Kreml 2008 behauptet habe, „kein Interesse“ an der Krim zu haben. Auch 2014, nachdem Russland die Halbinsel dann doch besetzt hatte, habe Moskau versichert, keine weiteren Territorien beanspruchen zu wollen.

Das von Wehowski aufgezeigte Muster setzt sich fort: Noch kurz vor der vollständigen Invasion der Ukraine im Februar 2022 behauptete der Kreml, keinen Angriff zu planen. 

Russische Diplomaten berichten anonym über Moskaus Pläne

Aber nicht nur Moskaus Lügen aus der Vergangenheit deuten darauf hin, dass Putin andere Pläne verfolgt, als Witkoff zu glauben scheint, sondern auch aktuelle Aussagen von Kreml-Insidern, die mit der „Moscow Times“ über Putins Pläne bei den Verhandlungen gesprochen haben. Demnach stimmen die Angaben von vier „mit den Überlegungen des Kremls“ vertrauten Quellen dahingehend überein, dass Putin die Gespräche mit Washington „so lange wie möglich hinauszögern“ wolle.

Kremlchef Wladimir Putin bei einer Besprechung. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin bei einer Besprechung. (Archivbild)

Währenddessen will Russland demnach „möglichst viel ukrainisches Territorium erobern“ und im Verhältnis zu den USA die „Oberhand über Kiew gewinnen“, berichtete die Zeitung über die Angaben der Insider, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen. Moskaus „Idealfall“ sei derweil, dass Trump die russischen Angriffe stillschweigend hinnimmt oder sogar gleichzeitig Druck auf Kiew ausübt, die eigenen Truppen aus den von Russland beanspruchten Gebieten abzuziehen.

„Wir brauchen ganz Saporischschja und Cherson“

„Wir brauchen ganz Saporischschja und Cherson“, erklärte ein russischer Diplomat demnach. Entweder Trump sorge dafür, oder Moskau werde „lange Verhandlungen“ führen und gleichzeitig militärische Gewalt einsetzen. „Wir hoffen, eine Lösung zu finden, die nicht darin besteht, den Dnipro zu überqueren und Cherson zu stürmen. Das würde Tausende von Opfern für uns bedeuten“, führte die Quelle aus.

Die ukrainische Stadt liegt am rechten Ufer des Dnipro, russische Streitkräfte kontrollieren lediglich das linke Ufer. Dass der US-Präsident die Ukraine vollständig fallen lasse, glauben aber auch die russischen Diplomaten nicht. „Er kann die Ukraine nicht einfach aufgeben“, erklärte einer der anonymen Diplomaten. Das Kalkül des Kremls sei aber ohnehin ein anderes: „Wo genau die Grenze verläuft“, sei Trump schließlich nicht so wichtig, erklärte einer der Insider.