Die UN haben einen neuen Bericht zu Russlands Krieg vorgelegt. Vor allem in den besetzten Gebieten erleben Kinder demnach Grausamstes.
Erschütternder UN-Bericht„Standrechtliche Hinrichtungen“ und Folter – Russland führt Krieg gegen Kinder

Eine Frau steht mit drei Kindern in einem Flur in einer Zufluchtsstätte für Minderjährige in der Ukraine. (Archivbild)
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Berichte über die Hinrichtung von ukrainischen Kindern und Jugendlichen hat es bereits früh nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 gegeben. Besonders bekannt wurde etwa die Geschichte von Tihran Ohannnisian und Mykyta Khanhanov, die im Juni 2023 im von russischen Truppen besetzten Berdiansk ermordet aufgefunden worden waren. Ihre Körper wiesen nach ukrainischen Angaben mehrere Schusswunden auf.
Mehrere Monate hätten die russischen Besatzungsbehörden die beiden Jugendlichen schikaniert, berichtete die Zeitung „Kyiv Independent“ über den Fall. Dann sei es schließlich zur Eskalation gekommen. Ohannisian soll kurz vorher noch seine Mutter angerufen und ihr versichert haben, dass er bald nach Deutschland nachkommen werde, wo die Mutter mit seinen jüngeren Geschwistern bereits hin geflohen war. Am nächsten Tag war der 16-Jährige tot.
Russlands Krieg gegen Kinder und Jugendliche: „Das ist der Tod, Leute“
Es habe eine Schießerei gegeben, so die Berichte. In einem kurz vor seinem Tod aufgenommen Video sagt einer der Jugendlichen mit Gewehr in der Hand: „Zwei auf jeden Fall. Das ist es, das ist der Tod, Leute. Auf Wiedersehen! Ruhm der Ukraine!“ Ob er damit seinen Freund und sich selbst oder eigene Schüsse auf russische Truppen gemeint hat, blieb unklar. Der ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Dmytro Lubinets sprach jedoch von einer „außergerichtlichen Hinrichtung“ der beiden Teenager.
669 Kinder seien nachweislich zwischen dem 24. Februar 2022 und dem 31. Dezember 2024 in der Ukraine durch russische Kriegshandlungen getötet worden, berichtet nun das UN-Menschenrechtsbüro in einem neuen Bericht, der sich explizit mit den Auswirkungen von Russlands Krieg auf ukrainische Kinder befasst. 1.833 Kinder seien zudem seit Kriegsbeginn verletzt worden, teilte die UN am Freitag mit.
UN-Bericht: „Die tatsächlichen Zahlen dürften deutlich höher sein“
„Die anhaltenden Feindseligkeiten und die Besetzung von Teilen der Ukraine durch die Russische Föderation haben zu massiven Menschenrechtsverletzungen geführt und Millionen von Kindern unvorstellbares Leid zugefügt. Ihre Rechte wurden in allen Lebensbereichen untergraben, was tiefe Narben sowohl physisch als auch psychisch hinterlässt“, erklärte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk.
Die meisten der Kinder seien durch den „massiven Einsatz von Explosivwaffen in besiedelten Gebieten“ getötet oder verwundet worden, berichtet das Menschenrechtsbüro. „Die tatsächlichen Zahlen dürften deutlich höher sein“, heißt es weiter in dem Bericht, der auch offenlegt, dass nicht nur wie im Fall aus Berdiansk Teenager von standrechtlichen Hinrichtungen betroffen sind.
UN: Sieben Kinder standrechtlich von russischen Truppen hingerichtet
„In den vier Regionen der Ukraine, die 2022 illegal von der Russischen Föderation annektiert wurden, waren Kinder besonders von Verstößen gegen das internationale Menschenrechtsrecht betroffen“, heißt es im UN-Dokument. „Darunter standrechtliche Hinrichtungen, willkürliche Inhaftierungen, konfliktbezogene sexuelle Gewalt, Folter und Misshandlung.“
In sieben Fällen können die UN-Ermittler die Hinrichtungen von Kindern offenbar nachweisen: „In den Jahren 2022 und 2023 wurden fünf Jungen und zwei Mädchen standrechtlich hingerichtet.“ Die vorsätzliche Tötung von Zivilisten sei ein Kriegsverbrechen und ein schwerer Verstoß gegen die Genfer Konventionen, betonen die UN in ihrem Bericht.
Putins Terror in besetzten Gebieten: Folter, Gewalt und Russifizierung
Russland leugnet derartige Fälle. Die beiden Jugendlichen in Berdiansk bezeichneten die örtlichen Besatzungsbehörden als „Terroristen“, die 16-Jährigen hätten einem Polizisten die Waffe gestohlen, das Feuer eröffnet und mehrere Menschen verletzt. Anzeichen dafür, dass Ohannisian und Khanhanov einen Angriff auf russische Besatzer geplant hatten, gibt es nach ukrainischen Ermittlungen und Recherchen nicht.

Ein Ermittler in der Ukraine trägt eine Weste mit der Aufschrift „War Crimes Prosecutor“ („Ankläger für Kriegsverbrechen“). Vor ihm liegen mehrere Leichen. (Archivbild)
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Nach Bekanntwerden des Todes der beiden Jugendlichen berichtete eine Partisanengruppe aus Berdiansk allerdings, es habe sich um einen „brutalen und inszenierten Mord“ und eine „geplante Aktion“ des russischen Geheimdienstes FSB gehandelt. „Die Russen stellten die Jungs vor die Wahl: Entweder sie sterben im Keller oder sie nehmen eine Waffe und schießen. Sie wussten, wie die Ereignisse weitergehen würden“, hieß es damals im Telegram-Kanal der „Berdiansk Partisan Army“.
„Es wird so weitergehen“
Nach Angaben des „Kyiv Independent“ wiesen die Körper von Ohannisian und Khanhanov „Spuren grausamer Behandlung und Folter“ auf, die Redaktion habe Aufnahmen der Leichen sehen können, berichtete die Zeitung. „Die ganze Welt muss verstehen, dass in den besetzten Gebieten jeden Tag Menschenrechte verletzt werden“, erklärte der ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Lubinets damals. „Bis die Ukraine ihre Gebiete zurückbekommt, wird es so weitergehen.“
Die jüngsten UN-Angaben geben Lubinets‘ Prophezeiung recht. Hinrichtungen sind demnach lediglich die grausamste Maßnahme, die von russischen Besatzungstruppen gegen Kinder und Jugendliche ergriffen wird. Auch Folter und sexueller Gewalt sind sie ebenso ausgesetzt wie Erwachsene. Andere Kinder müssen an militärisch-patriotischen Übungen teilnehmen, die russische Nationalhymne singen und dem russischen Schullehrplan folgen, so der UN-Bericht. Auch das verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht.
Wladimir Putin treibt „Russifizierung“ der besetzten Gebiete voran
Zehntausende Kinder wurden nach ukrainischen Angaben außerdem seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Russland verschleppt. Wegen dieses mutmaßlichen Kriegsverbrechens hat der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl gegen Kremlchef Wladimir Putin erlassen. Eine Kursänderung ist beim russischen Präsidenten und seiner Regierung seitdem nicht erkennbar.
Im Gegenteil: In der letzten Woche trieb Putin die sogenannte Russifizierung der besetzten Gebiete, die Moskau mittlerweile kurzerhand zum Staatsgebiet erklärt hat, weiter voran und ordnete an, dass alle ukrainischen Staatsbürger bis September entweder einen russischen Pass annehmen oder in andere ukrainische Landesteile „ausreisen“ müssen.
Die nach Schätzung rund 500.000 Ukrainer, die bis heute in Donezk, Luhansk, Saporischschja, Cherson und auf der Krim ausharren, stehen damit vor der Wahl, sich Putins Willen zu unterwerfen oder die lebensgefährliche Flucht über die Frontlinie zu wagen.